Familienwochenende GLUT1-Defekt

Information und Erholung im Ferienhaus in Bad Sachsa

GLUT1-Defekt ist eine seltene erbliche Erkrankung, bei der der Transport von Glukose ins Gehirn gestört ist und es bei den Betroffenen somit zu einem Energiemangel im Gehirn kommt. Als Folge leiden sie häufig unter Epilepsie und Bewegungsstörungen mit schweren Entwicklungsverzögerungen sowie geistiger und körperlicher Behinderung. Die ketogene Ernährungstherapie (KET), die das Gehirn mit einer alternativen Energiequelle, den Ketonkörpern, anstelle von Glukose versorgen kann, ist hier die Therapie der Wahl und seit 1999 in Deutschland eingeführt.

Eine besondere Ernährungstherapie und eine schwere Erkrankung, da ist gegenseitige Unterstützung besonders wichtig! Deshalb haben sich die Familien der Kinder mit GLUT1-Defekt vor fast 12 Jahren zu einem Elternverein zusammengeschlossen und zählen heute 90 Mitglieder. Für GLUT1-Defekt gibt es kein Screening, sodass die Dunkelziffer der Betroffenen sehr hoch ist, und die Diagnose oft erst spät gestellt wird.

Seit mehreren Jahren treffen sich die Familien der Kinder mit GLUT1-Defekt zu einem gemeinsamen Wochenende in einem großen Ferienhaus in Bad Sachsa mit gemütlichem Ambiente, um sich auszutauschen, zusammen zu kochen, neue Rezepte auszuprobieren und um Gäste zu empfangen.

Pizza Margarita – Rezept Ketoplaner

Als Keto-Team von Nutricia sind wir regelmäßig zu Besuch im idyllischen Ort im Harz. Hier haben wir Gelegenheit, mit den Kindern und deren Eltern zu sprechen, von ihren Sorgen und Wünschen zu erfahren, ihre Anregungen mitzunehmen und besonders über unseren umfangreichen Service und auch über unsere Produkte zu informieren. Am Tag meines Besuches dieses Jahr war Pizza-Backen angesagt. Es wurde mit Nutricia Ketocal 3:1 gebacken und nach Geschmack (und Diätvorgaben) belegt. Köstlich!

Im Laufe des Tages führte ich ein interessantes Gespräch mit Frau W., Mutter von Tobias, das ich hier freundlicherweise widergeben darf. Tobias ist 7 Jahre alt, hat einen GLUT1-Defekt, die Diagnose wurde im September 2013 gestellt.

LJ: Wie war Ihr Weg bis zur Diagnose?
Fr. W.: Mit 3 Monaten bekam Tobias Absencen in den Augen, mit 6 Monaten große Anfälle. Eine Lumbalpunktion zu diesem Zeitpunkt war unauffällig. Tobias lief mit 18 Monaten, aber nicht so gut. Wir wurden zur Physiotherapie geschickt. Die Therapeutin hat die Absencen und Anfälle von Tobias miterlebt und uns empfohlen, das alles mit der Kamera aufzuzeichnen. Die erste Diagnose Ataxie Typ II wurde mit 3 Jahren gestellt. Die Behandlungen schlugen nicht an, es wurde nicht besser. Ich fühlte mich sehr hilflos und allein gelassen. Zwei Jahre später wurde dann in einer Klinik Alternierende Hemiplegie diagnostiziert. Ich schloss mich dem Verein AHC-Deutschland e.V. an. Es hat mir und meiner Familie sehr geholfen, wir haben uns dort sehr willkommen gefühlt. Dort waren wir alle gleich, mit gleichen Sorgen und Ängsten, und die Familien waren sehr hilfsbereit. Nach 2 1/2 Jahren waren wir wieder in der Klinik zur Untersuchung. Eine Ärztin, die früher bei Herrn Prof. Klepper (einem bekannten Experten für die Erkrankung GLUT1-Defekt) gearbeitet hatte, hat Tobias erneut gründlich untersucht. Sie vermutete die Erkrankung GLUT1-Defekt. Nach 3 Wochen ließ ich erneut eine Lumbalpunktion bei Tobias durchführen, und der Verdacht auf GLUT1-Defekt bestätigte sich. Es war an einem Freitagnachmittag. Ich brach zusammen. Mir wurde die KET vorgestellt und ich dachte, das schaffe ich nie! Die Vorstellung, dass mein Kind zukünftig wenig Obst und Gemüse essen darf, und dieses immer zusammen mit viel Fett, hat mich erschreckt. Ich dachte, ich müsste meine Arbeit kündigen, und alles würde sich verändern. Ich brauchte drei Wochen, um dann wirklich mit der Diät starten zu können.

Fruchtgummis (Rezept GLUT1-Defekt e.V.)

LJ: Wie erfolgten die Einstellung in der Klinik und die Durchführung zu Hause?
Fr. W.: Wir wurden für eine Woche stationär aufgenommen und vormittags und nachmittags 2-3 Stunden geschult. Die Diät wurde mit dem Taschenrechner berechnet. Danach wurden wir mit vielen Rezepten nach Hause entlassen. Zuhause fühlte ich mich anfangs allein und hilflos, habe oft bei den Diätassistentinnen in der Klinik angerufen. Über das Internet habe ich den Kontakt zu Frau Engel, Mutter von einem Keto-Kind, die die Website www.epilepsie-kind.de führt und nützliche Hilfen, wie den Ketoplaner von Nutricia auf www.meinketocal.de, gefunden. Mit dem Berechnungsprogramm Ketoplaner kann ich nun selber Rezepte für Tobias kreieren, berechnen und kochen.

LJ: Wie erging es Tobias und Ihnen in der gesamten Zeit?
Fr. W.: Tobias hat zu Beginn in der Klinik viel erbrochen und ihm ging es gar nicht gut. Ich musste in Bezug auf die Ernährung komplett umdenken. Ich überlegte zum Beispiel, wie ich kleine Mengen Brokkoli mit viel Sahne und Mayonnaise für Tobias schmackhaft zubereiten und anrichten könnte. Für mich als Mutter stellte die ketogene Ernährungstherapie eine große Herausforderung dar. Sie war sehr anstrengend, und ich musste dabei sehr viel lernen.

LJ: Hat Tobias Veränderungen in seinem Anfallsmuster gezeigt?
Fr. W.: Vor der Diät hatte Tobias viele Anfälle und die Hände haben gezittert. Bereits nach 2-3 Tagen wurden die Hände besser und er hat bis dato keine Anfälle mehr. Seit letzter Woche nimmt er auch kein Medikament mehr!

LJ: Was war das schönste Erlebnis in dieser Zeit?
Fr. W.: Tobias hat vor der Diät ein Fahrrad bekommen, und er hat versucht, Fahren zu lernen. Wir haben alles auf Video aufgenommen, und es war sehr ernüchternd, wie schwer es ihm fiel. Bereits 2 Wochen nach Einführung der KET haben wir eine Radtour von 2 km gemacht und Tobias fuhr super!

LJ: Wie reagierte Ihr familiäres Umfeld auf die Therapie?
Fr. W.: Vor der Diät war es für Tobias‘ Schwester sehr schwer, mit ihm umzugehen, da er viel abwesend war, in seiner eigenen Welt lebte. Jetzt, nach der Einstellung, geht es ihm viel besser, auch kognitiv. Obwohl er nicht sprechen kann, kann er gut mit den anderen Kindern und seiner Schwester spielen, aber auch streiten! Er nimmt Kontakt auf! (lacht)

LJ: Kontrollieren Sie die notwendige Ketose innerhalb der Diätführung bei Tobias?
Fr. W.: Wir wurden zuerst mit 1,8:1 (Verhältnis Fett (g) : Kohlenhydrate (g) plus Eiweiß (g)) eingestellt. Die Ketose hierbei war zu niedrig. Dann wurde das Verhältnis erhöht auf 2:1, und die Ketose schwankte zwischen 2-5 mmol/l (Ketonkörpermessung im Blut). Ich merke, wenn die Ketose bei Tobias zu niedrig ist, verändern sich seine Augen, und wenn sie zu hoch ist, merke ich es an seinem sauer riechenden Atem. Da Tobias noch das Medikament Topamax nehmen musste, war er immer recht hoch in der Ketose. Seit letzter Woche nimmt Tobias kein Medikament mehr und die Ketose stabilisiert sich!

LJ: Wie berechnen Sie die Diät derzeit?
Fr. W.: Ich habe ein Rezeptbuch mit vielen gesammelten Rezepten und eine große Karteikartensammlung in der Küche. Zudem nehme ich von der Veranstaltung hier in Bad Sachsa viele Anregungen und Tipps mit nach Hause. Manche Rezepte aus meiner Karteikartensammlung kann selbst mein Mann für Tobias zubereiten, wenn ich auf der Arbeit bin. Meistens jedoch koche ich 1x für die ganze Woche vor und friere die kleinen Portionen ein. Ich bin berufstätig und musste somit mich und den Alltag neu organisieren.

LJ: Wie funktioniert die KET in der Schule?
Fr. W.: Tobias geht in eine Waldorfschule, die Klasse hat 5 Kinder. Dort wird gemeinsam gegessen, ich gebe das Essen mit. Tobias wartet immer bis auch sein Essen auf dem Tisch steht, er isst nichts von anderen und andere Kinder wissen, dass sie ihm nichts anbieten dürfen. Heute haben wir Nutricia Ketocal LQ kennengelernt. Ich hoffe, dass ich es Tobias als Zwischenmahlzeit in die Schule mitgeben kann, und die Diätführung sich dadurch erleichtert.

LJ: Was wünschen Sie sich für Tobias‘ Zukunft?
Fr. W.: Tobias‘ erste Übernachtung in der Schule steht an, und ich würde mich freuen, wenn er all die Unternehmungen, die andere Kinder in seinem Alter machen, auch erleben und genießen kann, mit und trotz seiner Diät. Sie ist es wert, dass man durchhält und sie gut durchführt, da es Tobias mit ihr so viel besser geht. Schön wäre zur Erleichterung z. B. eine App, so dass ich die Berechnung schneller und einfacher tätigen könnte. Ich wünsche mir für Tobias und auch für uns als Familie, dass wir auf unserem Weg Menschen begegnen, die uns begleiten und uns Kraft geben. Dies tun unsere Familien und Freunde, wofür ich mich herzlich bedanken möchte.

LJ: Fr. W., vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Auch die Kinder haben ihren Spaß

Das Interview mit Frau W. zeigt, wie herausfordernd und einschneidend die ketogene Ernährungstherapie für den Patienten und das familiäre Umfeld auf der einen Seite, aber auch wie lohnend und erfolgreich sie auf der anderen Seite sein kann. Der Austausch zwischen den GLUT1-Familien und uns, der Nutricia GmbH, ist uns sehr wichtig. Die Informationen über den Alltag der Diätführung helfen uns, unsere Produkte und unseren Service zu verbessern und weiterzuentwickeln. So unterstützen wir den Alltag der Familien durch unsere Website www.meinketocal.de, unser Berechnungsprogramm „Ketoplaner“ mit vielen Rezepten sowie unseren Produkten.

Larissa Jentzsch (LJ), Dipl. Trophologin,
Keto-Team der Nutricia GmbH

Kontakt:

Nutricia GmbH
Allee am Röthelheimpark 11
91052 Erlangen
Nutricia Metabolics Helpline:
Tel: 00800 74773799
(D+A+CH: gebührenfrei erreichbar Montag bis Freitag 09:00 bis 16:30 Uhr)
info-metabolics(at)nutricia.com

 

 

Bilder-Quelle: Nutricia