Unser Sohn Felix

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- sein Lebensweg mit therapieschwieriger Epilepsie 

 

Unser drittes Kind Felix wurde am 14.08.2001 nach unauffälliger Schwangerschaft mit normalem Gewicht und Größe geboren. Zu Beginn zeigte er eine altersgerechte Entwicklung. Als er später Verzögerungen zeigte, wurden wir ins Sozialpädiatrische Zentrum in Chemnitz überwiesen. Zunächst versuchten wir, mit Physiotherapie seine motorischen Fähigkeiten zu stärken. Mit mehreren Monaten Rückstand lernte er zu krabbeln, sich aufzurichten und zu gehen.

 

Die ärztliche Untersuchung zeigte mentale, sprachliche und motorische Entwicklungsrückstände. Er hatte ein gutes Sprachverständnis, konnte sich selbst jedoch nur mit wenigen Worten sprachlich ausdrücken. Konzentration und Ausdauer (auch beim Spielen) waren stark eingeschränkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Felix noch keine epileptischen Anfälle. Nach einem mit ca. drei Jahren auftretenden Fieberkrampf wurde ein EEG durchgeführt und zeigte den Verdacht auf eine neuronale Migrationsstörung. Ein MRT brachte dann die Gewissheit: schwere Gehirnfehlbildung, Lissenzephalie (Pachygyrie) mit Verdickung der Hirnrinde. Die Diagnose war für uns erst einmal ein Schock. Ein Gefühl, als wenn es einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Wir versuchten, so viel wie möglich über Lissenzephalie zu erfahren. Wir wollten es verstehen und wissen, was eventuell noch alles auf uns zukommt.

 

Felix machte langsame Fortschritte. Er war in der Lage, selbstständig zu essen, sich an- und auszuziehen, kleine Dinge zu erledigen. Damals kamen wir zum ersten Mal ins Epilepsiezentrum Kleinwachau. Felix zeigte im Alter von 5¼ Jahren erste epileptische Anfälle. Therapiebeginn mit Valproat, zusätzlich Oxcarbazepin. Leider ohne Erfolg. Felix wurde stationär aufgenommen und auf Levetiracetam eingestellt. Dies besserte die Anfallssituation. Allerdings zeigte er mehr und mehr deutliche Verhaltensauffälligkeiten: Wutausbrüche, Aggressionen, Schreien. Es war schwer für uns, dem entgegenzukommen und das auszuhalten. Es kostete unendlich viel Kraft an Geduld, die wir - ganz ehrlich gesagt - auch nicht immer hatten.

 

 

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Nach mehr als einem halben Jahr entschieden wir uns für eine weitere Umstellung der Medikamente. Es folgten Gewichtsabnahme durch verminderten Appetit, Schwierigkeiten bei der Mundgabe (Würgereiz, Erbrechen). Zudem nahmen die Anfälle wieder zu. Hinzu kamen viele Absencen. Nach einem langem stationären Aufenthalt von Anfang Dezember bis Mitte Februar 2010 und vielen Versuchen mit mehrfachem Austausch der Medikamente, um die Anfälle in den Griff zu bekommen, wurde Felix mit Topiramat, Lacosamid und Valproat als Dreierkombination entlassen. Die Verträglichkeit war relativ gut, anfallsfrei war er aber nicht. An dieser Stelle auch ein großer Dank allen Ärzten und Schwestern der Kinderstation des Epilepsiekrankenhauses Kleinwachau. Wir wussten in dieser gesamten Zeit unser Kind immer in besten Händen und es wurde alles getan, um den kleinen Patienten den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

 

Oft war es so, dass es Felix nach einer Umstellung der Medikamente kurzzeitig besser ging, aber dies war wirklich nur von kurzer Dauer. Danach ging es wieder bergab. Natürlich war für uns jedes Mal Hoffnung da, es endlich geschafft zu haben. Darauf folgte die Ernüchterung, dass es doch nicht so ist und wir weiter Geduld haben müssen. Wir mussten diese Situation so akzeptieren und weiterhoffen.

 

Da in der folgenden Zeit immer wieder Probleme bei der Medikamentengabe auftraten verbunden mit Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, versuchten wir noch mit Valproat, Petinutin, später Diacomit eine Besserung zu erreichen. Die Anfallssituation bei Felix wandelte sich dahingehend, dass sehr häufig Absencen auftraten. Oft saß er den ganzen Tag ziemlich teilnahmslos da, konnte kaum gehen, musste gestützt werden. Allein essen war oft nicht möglich, weil immer der Arm herunterfiel und die Kraft fehlte, das Besteck zu führen. Nach den Anfällen brauchte er so lange um sich wieder zu erholen. Er war nur sehr gering belastbar. Durch die Kraftlosigkeit wurde es ihm immer weniger möglich, sich selbst an- und auszuziehen. In allen Bereichen des Lebens brauchte er nun Hilfe.

 

Zu diesem Zeitpunkt sprachen wir zum ersten Mal über den Vagusnerv-Stimulator (VNS). Es erschien uns als ziemlich letzte Möglichkeit, eine Besserung des Zustandes zu erreichen. Die Entscheidung für die OP fiel uns nicht schwer. Ein Schnitt im Brustbereich für den Impulsgenerator und ein Schnitt am Hals, um das Kabel mit dem Vagusnerv zu verbinden. Das Risiko dieser OP war nicht so hoch wie bei einer richtigen Gehirn-OP.


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Im November 2014 wurde Felix operiert. Alles ging gut. Felix bekam einen ganz neuen Generator-Typ, der automatisch sein Anfälle erkennt und daraufhin stimuliert, um die Anfälle zu stoppen. Er war eines der ersten Kinder in Deutschland, die diese neue Technologie bekamen. Wir bemerkten schon am Tag nach der OP, dass Felix irgendwie wacher war als sonst. Seine Absencen reduzierten sich. Nach Anfällen war er viel schneller wieder erholt. Es war für uns eine große Erleichterung, diese positiven Veränderungen zu sehen. Die OP war der richtige Schritt. Der VNS zeigte Wirkung. Für uns alle war es nach dieser langen Zeit des Auf und Ab endlich ein Lichtblick!

 

Natürlich musste in den Folgemonaten der Strom langsam aufdosiert werden und Feineinstellungen am Generator vorgenommen werden. Stärke der Stromimpulse, Dauer der Impulse, Abstände zwischen den Impulsen – all das kann variiert werden, um die optimale Einstellung zu finden. Das dauert natürlich eine Weile und manche Patienten sind nach erst ein oder zwei Jahren optimal eingestellt.

 

Auch bei Felix gab es erstmal Rückschläge. Nach den ersten Monaten des guten Allgemeinzustandes kamen wieder häufiger Anfälle, Absencen, Stürze. Jedoch merkten wir, dass es nicht ganz so schlimm war wie vor der OP und Felix erholte sich viel schneller davon.

 

Wir sind immer noch einmal im Monat in Kleinwachau, um den Generator einzustellen. Aber wir sind davon überzeugt, dass Felix langfristig positiv auf den VNS reagieren wird. Er wird wahrscheinlich nicht ganz anfallsfrei werden, aber für uns ist es schon ein Erfolg, dass die Anfälle reduziert und abgeschwächt werden, er wach und aufnahmefähig ist und viel besser am Leben teilhaben kann.

 

Andrea, Chemnitz

 

 

 

Schwer behandelbare Epilepsien:

Neues VNS-Therapiesystem ermöglicht automatische Anfallsintervention

 

Ca. 30 % Prozent der Epilepsie-Patienten sprechen auf eine medikamentöse Behandlung nicht in ausreichendem Maße an. Für Erwachsene und Kinder mit sogenannten schwer behandelbaren Epilepsien ist die Vagusnerv-Stimulation (VNS Therapy®) eine etablierte Therapie, mit der weltweit bislang schon über 80.000 Patienten behandelt wurden.

 

Bei dieser Methode wird ein kleiner Stimulator im Brustbereich unter die Haut gesetzt, der Impulse an den Vagusnerv im Hals sendet. Die Anregung dieses Nervs hilft, die Häufigkeit und Schwere epileptischer Anfälle zu verringern. Zusätzlich zu der bewährten langzeitwirksamen VNS Therapy® überwacht die neueste Generation des Vagusnerv-Stimulators als erstes und einziges System kontinuierlich die Herzfrequenz des Patienten und löst bei Bedarf automatisch eine zusätzliche Stimulation aus. In Europa ist dieses neue System seit Februar 2014 auf dem Markt.

 

Bei 82 % der Menschen mit Epilepsie steigt die Herzfrequenz vor oder bei einem epileptischen Anfall schnell und plötzlich an. Diese typische Veränderung ist im Elektrokardiogramm (EKG) gut zu erkennen. Basierend auf diesem Wissen wurde eine neue Generation des VNS Therapy®-Stimulators entwickelt, der die Herzfrequenz kontinuierlich überwacht, indem ein EKG abgeleitet wird.

 

Automatische Stimulation bei plötzlich erhöhter Herzfrequenz

 

Wird der charakteristische schnelle und plötzliche Anstieg der Herzfrequenz festgestellt, sendet das Gerät automatisch eine Stimulation an den Vagusnerv, um den Anfall zu verhindern, abzubrechen oder abzuschwächen. In einer Studie mit dem neuen VNS Therapy®-System erkannte und behandelte AspireSR® immer mindestens 4 von 5 Anfällen Mehr als 60 % der Anfälle konnten so im Laufe der automatischen Stimulation unterbrochen werden. Dabei konnte auch gezeigt werden, dass ein Anfall umso schneller endete, je frühzeitiger im Verlauf des Anfalls eine automatische Stimulation ausgelöst wurde.

 

Über die VNS Therapy®

 

Bei der VNS Therapy® baut sich der antiepileptische Effekt allmählich über mehrere Monate auf: Nach zwei Jahren hat sich bei der Hälfte der VNS Therapy®-Patienten die Anzahl der Anfälle mindestens halbiert. Bereits mit der vorherigen Generation der VNS Therapy® konnten Betroffene zusätzliche Stimulationen mithilfe eines Magneten schnell selbst auslösen, wenn sie bemerken, dass sich ein Anfall z. B. in Form einer Aura ankündigt. Auch die postiktale (= nach einem Anfall) Periode, in der Betroffene oft verwirrt und bei vermindertem Bewusstsein sind, konnte durch den Einsatz des Magneten verkürzt werden. AspireSR verfügt auch über die Magnetfunktion.

 

Weitere Informationen zur VNS Therapy®: www.VNStherapy.de