35 Jahre Landesverband Baden-Württemberg
oder Mein Weg in der Epilepsie-Selbsthilfe

Jedes Jahr ein »Highlight« – das Wochenendseminar auf Burg Liebenzell
Bildquelle: LV BW

In diesem Jahr konnte der Landesverband der Epilepsie-Selbsthilfegruppen in Baden-Württemberg (BW) e. V. sein 35-jähriges Bestehen feiern. Wir haben dieses stolze Jubiläum zum Anlass genommen und Rosemarie Keller, erste Vorsitzende, zu den Gründen für ihr ehrenamtliches Engagement und zur Verbandsarbeit befragt. Heute im Rentenalter blickt sie auf 30 aktive Jahre in der Epilepsie-Selbsthilfe zurück.

 

Wann erkrankte dein Mann an Epilepsie?

Angefangen hatte alles im Mai 1992, als mein Mann mit 47 Jahren nach einem Grand Mal-Anfall die Diagnose »Mitochondriale Encephalopathie bestehend aus einem MERRF und KSS-Mischbild« erhielt. Die Epilepsie zeigte sich mit komplex-partiellen und tonisch-generalisierten Anfällen sowie Myoklonien, die sehr häufig auftraten. Die medikamentöse Behandlung durch den Neurologen begann mit der Frage an mich: »Was für ein Medikament soll ich ihrem Mann verschreiben?«

 

Bis zum Zeitpunkt der Diagnose hatten weder mein Mann noch ich eine Ahnung, was epileptische Anfälle sind, noch wie man die Krankheit Epilepsie behandelt und schon gar nicht, wie man mit dieser Krankheit umgeht und leben kann. Am schwierigsten zu akzeptieren war für ihn die neue Situation, dass er nicht mehr Autofahren durfte und seinen Beruf aufgrund seiner häufigen Anfälle nicht mehr ausüben konnte. So blieben wir zunächst alleine mit vielen Fragezeichen.

 

Was waren deine ersten Berührungspunkte mit der Selbsthilfe?

Ein Jahr später erfuhr ich durch Zufall die Adresse des Landesverbands der Epilepsie-Selbsthilfegruppen BW und nach einem Besuch in der Geschäftsstelle in Stuttgart hatte ich die Anschrift eines guten Epileptologen, eine Einladung zu einem Vortrag über Epilepsie und den Termin für den nächsten Selbsthilfe-Gruppenabend in Tübingen in der Hand. Das war doch schon mal ein Anfang!

 

Da mein Mann damals schon gehörlos war, besuchte ich für ihn regelmäßig die Gruppenabende und lernte dabei viele nette Teilnehmer kennen. An geselligen Veranstaltungen wie Ausflüge oder Grillnachmittage der SHG nahm er immer gerne teil und so wuchsen wir zu einer fröhlichen Gemeinschaft zusammen. Mit der Zeit lernten wir beide, mit der Erkrankung besser umzugehen, und wenn wir manchmal auch etwas mutlos waren, weil trotz medikamentöser Behandlung und Vermeidung anfallsauslösender Faktoren kaum Besserung eintrat, so fanden wir durch Gespräche mit den Gruppenmitgliedern immer wieder neuen Mut und Zuversicht.

Rose Keller (li.), Vorsitzende des Landesverbands der Epilepsie-Selbsthilfegruppen BadenWürttemberg e. V

Wie kam es dazu, dass du dich engagiert und dann auch Verantwortung im Landesverband BW übernommen hast?

Da mir planen und organisieren schon immer Spaß gemacht haben, gestaltete ich sehr bald die Selbsthilfegruppenarbeit aktiv mit. Nach einigen Jahren übernahm ich die Leitung unserer Selbsthilfegruppe in Tübingen und somit ein sinnvolles Ehrenamt.

 

Wenn auch die Anfallshäufigkeit bei meinem Mann sich mit der Zeit auf 3-4 Grand Mal- Anfälle im Monat eingependelt hatte, verstarb er im Dezember 2000 nach einem schweren Anfall. Zurückblickend möchte ich keines der acht Jahre missen, denn trotz seiner Erkrankung konnte mein Mann sich Humor, Heiterkeit und Zufriedenheit bewahren. Dazu trug sicher auch bei, in einer Selbsthilfegruppe aufgenommen, angenommen und nicht alleine gelassen worden zu sein.

 

Im März 2001 fand zum ersten Mal eine Informationsveranstaltung in Nürtingen zum Thema Epilepsie statt. Daraus ging eine neue Epilepsie-Selbsthilfegruppe hervor, die ich bis heute leite.

 

Nachdem ich schon einige Jahre als Beisitzer im Landesverband der Epilepsie-Selbsthilfegruppen BW tätig war, wurde ich 2007 zur ersten Vorsitzenden gewählt. Meine ehrenamtliche Arbeit besteht nun seit mehr als 17 Jahren, an fast jedem Montagnachmittag als Fach-Laie am Telefon Menschen mit Epilepsie bei Alltagsfragen zu unterstützen, zu informieren und auf Augenhöhe zu begleiten und vor allem zuzuhören.

 

Was sind die aktuellen Projekte, Aufgaben und Schwerpunkte eurer Arbeit?

Jährlich veranstaltet der Landesverband BW in der Regel für Menschen mit Epilepsie, deren Angehörige und Interessierte ein Tagesseminar in Stuttgart und ein Wochenendseminar in Bad Liebenzell. Wir bieten einmal im Monat ein Online-Selbsthilfetreffen für Interessierte an und sind alle zwei Jahre auf der Messe REHAB in Karlsruhe mit einem Stand vertreten. Zweimal im Jahr berichten wir in unserer Mitgliederzeitschrift »Epilepsie Forum« über die Aktivitäten des LV und »Aktuelles« aus Behandlung und Forschung (nachzulesen auch unter www.lv-epilepsie-bw.de). Wir erstellen Infomaterial zum Thema und unterstützen Selbsthilfegruppen bei ihrer Arbeit.

 

Was ist Dir wichtig beim Blick zurück?

Im Jubiläumsjahr 2024 blicken wir auch ein bisschen stolz auf »35 Jahre Landesverband der Epilepsie-Selbsthilfegruppen BW« zurück, denn ich denke, es ist die Sache wert, Betroffenen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, die Öffentlichkeit über das Krankheitsbild zu informieren und Vorurteile gegenüber Betroffenen abzubauen.

 

Gibt es etwas, was dir am Herzen liegt?

Gemäß dem Kernsatz der Selbsthilfe »Überlass nicht anderen, was Du für Dich und andere tun kannst!« möchte ich all denen Mut machen, die noch nicht den Weg in eine Selbsthilfegruppe gefunden haben. Wenn auch manchmal die Hemmschwelle für die Offenlegung der Erkrankung sehr hoch ist, profitiert man doch ungemein vom persönlichen Austausch mit Gleichgesinnten. Außerdem lohnt es sich, in einer Gruppe aktiv mitzuarbeiten, denn es macht das Leben reicher, bunter und fröhlicher.

 

Ich wünsche mir sehr, dass die wertvolle ehrenamtliche Arbeit des Landesverbands der Epilepsie-SHG BW auch in Zukunft die nötige Beachtung finden wird und danke den Vorstands- und Vereinsmitgliedern für ihre Unterstützung bzw. ihren Beitrag.

 

Interview zusammengefasst von

Doris Wittig-Moßner

Kontakt:

Landesverband der Epilepsie-
Selbsthilfegruppen

Baden-Württemberg e. V.

Vogelsangstraße 31

72667 Schlaitdorf

 

kontakt(at)lv-epilepsie-bw.de

www.lv-epilepsie-bw.de

 

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