Apps und Internetanwendungen

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Wie können sie Menschen mit Epilepsie unterstützen?

Für die meisten Menschen ist die Nutzung eines Computers, eines Smartphones oder auch einer Smartwatch heutzutage weltweit eine Selbstverständlichkeit. Der Computer ersetzt den Kalender auf dem Schreibtisch, die Einkaufsliste erscheint automatisch auf dem Handy nach der Rezeptsuche im Internet, Erlebnisse werden in sozialen Netzwerken geteilt. Es stellt sich daher die Frage, wie Apps und Internetanwendungen auch für Gesundheitsmanagement und Therapie – hier insbesondere von Menschen mit Epilepsien – genutzt werden können.

 

App-Entwickler und Betreiber verschiedener Internetseiten bieten Anwendungen zum Gesundheitsmanagement an. Diese reichen von Apps zum Fitness-Training und Aktivitäts-Tracking über Tagebuch-Funktionen bis hin zu Programmen zur Anfallsdetektion.

 

Es gibt verschiedene Arten von Gesundheits-Apps:

  • „Lifestyle“-Apps, die gesundheitsbewusstes Verhalten wie z. B. Fitness oder eine ausgewogene Ernährung fördern sollen.
  • „Service“-Apps, die z. B. an Arzttermine, die nächste Rezeptbestellung oder die Medikamenteneinnahme erinnern und Symptome wie beispielsweise epileptische Anfälle in einer Art Tagebuch dokumentieren können (die beiden erstgenannten Typen werden teilweise als „Gesundheits“-Apps zusammengefasst).
  • „Medizinische“ Apps, die die Diagnostik und Therapiesteuerung einer Erkrankung unterstützen.
  • Apps, die mit Geräten zur Erkennung von bestimmten medizinisch relevanten Ereignissen wie z. B. Stürzen oder epileptischen Anfällen verbunden sind.
  • Software/Apps zur Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen (sogenannte DiGAs).
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Grundsätzlich bieten derartige Anwendungen viele Chancen, bergen aber auch Risiken, beispielsweise im Hinblick auf den Datenschutz. Die Beurteilung von Qualität und Sicherheit einer App ist häufig schwierig. Patientenorganisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben daher eine Checkliste erstellt, die die Beurteilung medizinischer Apps vereinfachen soll. Dabei werden verschiedene Aspekte wie Zweck, Zielsetzung, Funktionalität, Datenschutz, Updates und Nutzerbewertungen berücksichtigt. Eine ähnliche Hilfe zur Beurteilung von Apps im Gesundheitswesen hat die Bundesärztekammer gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im November 2020 veröffentlicht. Eine kurze und gewohnt kurzweilige Erklärung gibt der bekannte TV-Mediziner Dr. Johannes Wimmer für das Aktionsbündnis Patientensicherheit in einem aktuellen YouTube-Video. Die Verbraucherorganisation „Stiftung Warentest“ hat im Februar 2021 kostenlose Apps zur Unterstützung der Medikamenteneinnahme getestet.

 

Als wichtige Punkte, auf die der Nutzer achten sollte, werden in den verschiedenen Publikationen u. a. genannt:

  • Welches Ziel verfolgt die Anwendung? Soll der Umgang mit einer Erkrankung erleichtert werden? Sollen Therapiedaten gespeichert werden oder werden nach Eingabe verschiedener Informationen Diagnosen gestellt? (Achtung: Von Anwendungen mit dem Ziel einer Diagnosestellung wird eher abgeraten!)
  • Wer ist der Herausgeber der App? Gibt es ein Impressum?
  • Gibt es eine Datenschutzerklärung? Wo werden welche Daten gespeichert? (Achtung: Bei Speicherung im Ausland gelten i. d. R. die dortigen Datenschutzbestimmungen, die von den deutschen und europäischen Regelungen deutlich abweichen können.)
  • Welche Kosten sind mit der Nutzung einer App verbunden? Gibt es versteckte Kosten?

 

Internetadressen:

Eine besondere Form von Apps stellen sogenannte „digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)“ dar. Dies sind Apps oder Webbrowser-basierte Anwendungen, die einen aufwendigen Prozess zur Zertifizierung als Medizinprodukt durchlaufen haben, d. h. eine entsprechende CE-Kennzeichnung tragen. Zusätzlich muss der positive Effekt in der Anwendung durch Studien nachgewiesen werden. Die Anwendung derartiger Apps wird durch alle Krankenkassen erstattet. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft die Erfüllung der Kriterien und listet anschließend alle zugelassenen DiGAs in einem Verzeichnis www.diga.bfarm.de/de. Aktuell gibt es keine DiGAs im Bereich „Epilepsie“.

 

Im deutschsprachigen Raum gibt es nur wenige Apps, die gezielt für die Unterstützung von Menschen mit Epilepsie entwickelt wurden. Beispiele hierfür sind:

  • Das epilepsieTagebuch®, das von Daniel Kagemann entwickelt wurde und die Dokumentation von Anfällen und Medikation ermöglicht.
  • Die App Helpilepsy®, die in Belgien durch die Firma Neuroventis BV, u. a. mit Unterstützung der Firma UCB Pharma GmbH, entwickelt wurde. Möglich sind die Dokumentation von Anfällen und Medikamenten inkl. grafischer Darstellung, eine Erinnerungsfunktion zur Tabletteneinnahme sowie eine Verknüpfung mit einer entsprechenden Datenbank auf der Seite des Arztes. Zudem kann die App in Kombination mit dem Anfallsdetektionssystem NightWatch® genutzt werden. Die App ist als Medizinprodukt zertifiziert, eine Zertifizierung als DiGA liegt noch nicht vor.
  • lepsiapp® ist eine von der Firma Neuraxpharm Holdco Iberia S.L. in Spanien entwickelte Anwendung, die ebenfalls als Anfallstagebuch und zur Dokumentation von Medikamenten dient. Bei Auftreten eines Vorgefühls oder einer Aura vor einem Anfall können Kontaktpersonen manuell benachrichtigt werden. In der App können Videos und medizinische Dokumente hochgeladen und z. B. in der Sprechstunde dem Arzt demonstriert werden.

Produkte, die unabhängig von einem bestimmten Krankheitsbild genutzt werden können, etwa für die Eingabe von Medikamentenplänen, zur Erinnerung der Medikamenteneinnahme oder zur Planung von Arztterminen, wären beispielsweise Vivy® oder Mediteo®.

 

Internetadressen für Apps ohne Epilepsie-Bezug:

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Im (englischsprachigen) Ausland sind viele weitere Apps mit ähnlichen Funktionen verfügbar, Beispiele sind in der Link-Liste genannt. Daneben gibt es auch Anwendungen, die der Anfallsdetektion dienen, also dem Erkennen von Anfällen, und z. B. eine Alarmfunktion haben, über die Angehörige oder Betreuungspersonen informiert werden und so Hilfe leisten oder organisieren können. Hier sollte der Anwender genau schauen, über welche Parameter (i. d. R. Bewegung und/oder Herzrate) Anfälle erkannt werden und welche Anfallsformen damit registriert werden können. Ebenso sollte beachtet werden, dass die meisten derartigen Anwendungen nicht in klinischen Studien geprüft wurden und die Qualität und Sicherheit der Anfallserkennung (falsch negative und falsch positive Alarme) damit meist unklar sind. Beispiele für diese Anwendungen sind in der Link-Liste aufgeführt.

 

Internetadressen für Apps mit Epilepsie-Bezug:

Neben den genannten mobilen Anwendungen (Apps) sind einzelne Web-basierte Anwendungen zur Unterstützung von Menschen mit Epilepsie verfügbar.

Dazu gehört der digitale Anfallskalender EPI-Vista® als online geführtes Therapiemanagementsystem zur Dokumentation von epileptischen Anfällen, Medikation inkl. Serumkonzentrationen, Nebenwirkungen und Befinden. Das System wurde Mitte der 80er-Jahre von Prof. G. Rabending und Prof. U. Runge an der Universität Greifswald eingeführt, im Verlauf langjährig von der DESITIN Arzneimittel GmbH unterstützt und 2018 vom DRK Landesverband Schleswig-Holstein e.V. übernommen. Aktuell wird die Überarbeitung des Programms inklusive Erstellung einer App sowie die Anerkennung als Medizinprodukt und Digitale Gesundheitsanwendung angestrebt und vorbereitet.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt emyna®, eine durch das Unternehmen Gaia AG entwickelte Anwendung, die aktuell in Zusammenarbeit mit dem Epilepsiezentrum Hamburg (Alsterdorf) und der Charité Berlin im Rahmen einer Studie evaluiert werden soll. Die Teilnahme an dem Programm soll durch das Erlernen therapeutischer Techniken und bestimmter Übungen einen positiven Umgang mit der Erkrankung ermöglichen und dadurch Kontrolle über Stress, Ängste oder negative Stimmungen bewirken. Die Registrierung setzt aktuell das Einverständnis zur Studienteilnahme voraus, bei positiven Ergebnissen ist eine Verstetigung des Angebots zu erwarten.

 

Internetadressen für Web-basierte Anwendungen mit Epilepsie-Bezug:

Zusammenfassend sind auf dem deutschen und ausländischen Markt zahlreiche mobile und Web-basierte Anwendungen verfügbar, die den Umgang mit der Erkrankung Epilepsie erleichtern sollen. Vor dem Download sollte jeder Nutzer jedoch prüfen, was die Anwendung bietet und ob die wichtigsten Qualitätsmerkmale insbesondere im Hinblick auf Ziele, Datenschutz und Kosten erfüllt werden. Mit der Entwicklung und Erstattung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) wird die Bedeutung derartiger Apps für die Betreuung und Therapie von Menschen mit Epilepsie zukünftig sicher zunehmen und zahlreiche Möglichkeiten für einen besseren Umgang mit der Erkrankung bieten.

 

Sarah von Spiczak und Ulrich Stephani

Kontakt:

PD Dr. med. Sarah von Spiczak

Ärztliche Leiterin

DRK-Norddeutsches Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche

Henry-Dunant-Straße 6-10

24223 Schwentinental-OT Raisdorf

Tel.: 04307 909201

sarah.spiczak(at)drk-sh.de

www.drk-epilepsiezentrum.de