Aura? Anfall! – ein Erfahrungsbericht

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Bitte beachten Sie, dass es sich bei der folgenden Geschichte um eine persönliche Herangehensweise bzgl. einer epileptischen Erkrankung handelt. Es wird weder dazu aufgerufen es genauso zu handhaben, noch dazu, seine Medikamente abzusetzen. Es sollen Denkanstöße vermittelt werden für einen, im besten Fall, bewussteren Umgang mit dieser Erkrankung.

Liebe Epilepsienen und Epilepsisten (Eigenkreation ohne Patentanmeldung),

ich heiße Patrick, bin 33 Jahre und vor gut 5 Jahren in das beschauliche Regensburg gezogen. Bevor ich auf meine kleine epileptische Biografie eingehe, möchte ich noch einen Gedanken vorweg-schicken: Ich bin nun seit gut 3 Jahren anfallsfrei – diesen Umstand verdanke ich allerdings nicht etwa Medikamenten (die ich ohnehin nicht nehme), es hat viel mehr etwas damit zu tun, wie ich meiner Erkrankung begegne. Dazu in folgender Erzählung mehr, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

1. Anfall

Mein erster Anfall ereignete sich in Bamberg, wo ich geboren wurde und aufwuchs. Ich arbeitete damals in einem Baumarkt. Beim Verräumen von Waschbecken bemerkte ich plötzlich eine seltsame Veränderung in meiner Wahrnehmung. Auf einmal nahm ich mein Umfeld zunehmend verschwommen wahr und fühlte mich, als würde sich mein Körper gerade auf einen „Warp“-Sprung vorbereiten. Allerdings ignorierte ich diese seltsam anmutende Situation, nahm einen Schluck Wasser – denn ich war davon überzeugt, es läge an einem Wassermangel – und arbeitete weiter. Schon nach kurzer Zeit musste ich allerdings feststellen, dass sich mein Blick zunehmend zentrierte. Eine Vorahnung sagte mir, dass ich meine Augen ab diesem Moment nicht mehr schweifen lassen durfte, da es sonst zu einem Chaos kommen würde. Es wurde nicht besser und schlussendlich passierte das Unvermeidliche: Ich bekam meinen ersten epileptischen Anfall. 

Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich bereits auf einer Trage von den Sanitätern, die mich, nachdem ich wieder bei Bewusstsein war, mit Fragen traktierten: ,,Können Sie mich hören?“, ,,Welchen Tag haben wir heute?“, ,,Wie ist Ihr Name?“ Ich verstand all diese Fragen, konnte sie aber nicht beantworten. Dann musste ich noch feststellen, dass meine Hose aus unerklärlichen Gründen ab dem Reißverschluss abwärts nass war. Ich ging davon aus, etwas verschüttet zu haben.

Ich wollte den Sanitätern Rede und Antwort stehen, stellte aber mit einem leichten Anflug von Panik fest, dass es mir schlicht nicht möglich war. Mit einem flauen Gefühl ging es weiter ins Krankenhaus, wo ich erfuhr, dass ich einen epileptischen Anfall gehabt hätte und man nun diverse Untersuchungen einleiten müsse. Ihr kennt das alles. 

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Sicherlich kennen wir alle das Gefühl von Unsicherheit und Angst, das mit einem Anfall einhergeht. Vor allem nach dem ersten Anfall fühlt man sich seinem Körper oftmals schutzlos ausgeliefert und fürchtet, jederzeit wieder die Kontrolle verlieren zu können. Ich bin seit je her ein Charakter, der es liebt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. So fing ich auch an, mich mit meiner aufkommenden Epilepsie zu befassen, aber nicht als Feind oder als Problem, sondern im vollen Bewusstsein, im Klaren darüber, dass dies nun fürs Erste ein Teil von mir sein würde. Akzeptanz. Das Annehmen eines Umstandes ist in meinen Augen, der erste Schritt auf einem Weg der Besserung.


2. Anfall


Mein zweiter und bis heute letzter Anfall ereignete sich während eines Spaziergangs mit meinen Nachbarn. Es gab keine besonderen Vorzeichen, das Wetter war schön, und plötzlich kam wieder dieser seltsam anmutende Schwindel hoch. Allerdings war ich diesmal geistig darauf vorbereitet. Ganz im Gegensatz zu meinem ersten Anfall wusste ich, dass es sich nicht um das Gefühl handelt, als sei man zu schnell aus dem Bett aufgestanden oder habe zu wenig Nahrung zu sich genommen. Dieser besondere Schwindel hat eine wesentlich bedrohlichere und schwer in Worte zu fassende Aura. Instinktiv wusste ich, dass ich es nicht schaffen würde, den Ausbruch zu verhindern und so teilte ich meinem Nachbarn mit: ,,Ich werde gleich einen epileptischen Anfall bekommen. Bitte ruft schon einmal einen Krankenwagen.“ Sichtlich erschrocken von meiner Aussage sagten sie mir, dass ich doch bitte keine bösen Späßchen machen solle. Allerdings blieb mein konzentriertes, wortloses Verhalten nicht unbemerkt und so zückten sie, in Alarmbereitschaft versetzt, die Handys. Als ich mich schließlich gegen eine Wand lehnte, denn normales Stehen war mir inzwischen unmöglich geworden, sprach ich zwei Worte aus: ,,Es geht …“ und noch bevor ich “los“ sagen konnte, war ich auch schon nicht mehr bei Bewusstsein. Anschließend gab es wieder das mir inzwischen vertraute Szenario. Ich wachte im Krankenwagen auf, mein Nachbar lehnte sich über mich und stellte mir reichlich panisch dieselben Fragen, wie zuvor schon im Baumarkt die Sanitäter und auch dieses Mal konnte ich nicht antworten.

Seit diesen zwei Anfällen lebe ich hin und wieder mit kleinen, mittleren bis hin zu starken Schwindelattacken, während der letzten drei Monate aber nahezu schwindelfrei. Scheinbar habe ich mir durch eine im Vorfeld (bevor die Krankheit das erste Mal ausbrach) praktizierte Selbstfindung eine Art “Kompensator“ für meine Epilepsie angeeignet, auch wenn dies nur eine Vermutung ist. Ich bin davon überzeugt, dass ich meine Anfälle unter Berücksichtigung von zwei Aspekten in den Griff bekommen habe.

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Da wäre zum einen die Zerstreuung: Sobald ich auch nur einen Anflug des ominösen Schwindels verspüre, lege ich mich auf mein Bett oder Couch. Sollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause sein, mache ich mich auf den Weg, denn es gibt immer ein gewisses Zeitfenster, welches ich bisweilen geschafft habe einzuhalten. Sobald ich liege, warte ich einen Moment lang ab, bevor ich mir Filme, Serien, Dokumentationen etc. anschaue. Es hilft mir enorm, dieser Gefahrenlage mittels Entspannung und Ab-lenkung entgegenzuwirken.

Zum anderen hätten wir dann etwas weit Tiefergreifenderes: ein bewusster und wahrnehmender Umgang mit mir selbst. Denn durch das ständige mit sich selbst Auseinandersetzen war ich vermutlich erst in der Lage, den ersten Aspekt zu realisieren (die Stimme meiner Seele, meinen Körper wahrzunehmen), um zu verstehen, wie ich handeln muss.


Ich hoffe, dass jeder von euch einen Weg findet oder schon gefunden hat, mit der eigenen, ganz individuellen Epilepsie umzugehen. Und vielleicht dienen meine Worte ja sogar für den einen oder anderen von euch als Denkanstoß. Ich wünsche Euch nur das Beste!

Patrick