EEG-Langzeit-Detektion
Funktion und Einsatzmöglichkeiten
EEG-Messungen werden üblicherweise für eine Dauer von 30 Minuten vorgenommen, selten auch im Rahmen eines stationären Monitorings für mehrere Tage bis zu 2 Wochen. Nun gibt es neue Geräte, die über Zeiträume von Monaten bis zu mehr als einem Jahr die Registrierung von einem EEG ermöglichen. Wie funktioniert dies, und welchen Nutzen hat dies?
Das EEG (Elektroenzephalogramm) misst die elektrischen Felder von Hirnströmen, die auf der Aktivität der Nervenzellen in der Hirnrinde beruhen. Bei Epilepsien gibt es bei Anfällen (iktal), aber auch zwischen Anfällen (interiktal) besondere EEG-Muster, die übermäßige Synchronisationen, also gleichzeitige Entladungen großer Nervenzellverbände, widerspiegeln. Interiktal nennt man dies »Spikes« oder »Sharp waves« aufgrund des besonders spitzen Aussehens dieser Potentiale. Im Anfall kommt es zu unterschiedlich aussehenden »Anfallsmustern«.
Welche Fragen beantwortet nun welche EEG-Messung?
- Diagnosestellung: Das normale EEG wird benutzt, um bei Anwesenheit interiktaler Spikes die Diagnose einer Epilepsie zu untermauern. Interiktale Spikes sind hier recht spezifisch und belegen bei vorliegenden Anfallsereignissen in aller Regel, dass diese Ausdruck einer Epilepsie sind.
- Charakterisierung der Epilepsieform: Ein stationäres EEG-Monitoring wird – meist mit kombinierter Videoaufzeichnung – zur genaueren Bestimmung der Epilepsieform genutzt. Hierzu werden Anfälle aufgezeichnet; das EEG zeigt hierbei insbesondere, wo im Gehirn sich die epileptische Aktivität abspielt; zusätzlich können die EEG-Muster auch zur Bestimmung der Ursache der Epilepsie beitragen.
- Monitoring des Epilepsieverlaufes: Ambulante Langzeitregistrierungen dienen dazu, das Auftreten von Anfällen über längere Zeiträume zu dokumentieren.
Wozu brauchen wir ein EEG-Monitoring über längere Zeiträume?
Bislang wird der Verlauf von Epilepsien ausschließlich anhand der von Patienten geführten Anfallskalender beurteilt. Man weiß jedoch, dass viele Patienten Schwierigkeiten haben, ihre Anfälle verlässlich aufzuzeichnen, da insbesondere bei einem Verlust des Bewusstseins im Anfall häufig keine Erinnerung an das Anfallsereignis besteht. So wurde in stationären Monitorings nachgewiesen, dass im Durchschnitt nur ein Drittel der auftretenden Anfälle von Patienten berichtet werden kann – nicht wenige Patienten können gar keine Angaben zu ihren Anfällen machen. Nicht selten schließen Patienten auch aus bestimmten Symptomen wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit oder Erwachen im Schlaf auf Anfälle, auch wenn dies gar nicht sicher auf Anfällen beruht.
Ein ambulantes EEG-Langzeitmonitoring kann in diesem Fall eine wichtige Lücke schließen: Es ermöglicht die Aufzeichnung von Anfallsmustern und damit eine objektive Information über die Zahl und die zeitliche Verteilung von Anfällen. Darüber hinaus kann es auch Rückschlüsse über die Anfallsform, die Anfallsdauer und ggf. gefährliche Häufungen von Anfällen ermöglichen.
Diese Information ist von hoher Bedeutung für die Wahl einer geeigneten Behandlung:
So wird der Arzt die Behandlung intensivieren oder wechseln, wenn sich eine höhere Anfallszahl oder Anfallsschwere aus den Aufzeichnungen ergibt; umgekehrt kann eine unnötige Steigerung der Therapie vermieden werden, wenn sich herausstellt, dass weniger Anfälle als vermutet vorliegen. Auch eine vollständige Anfallsfreiheit kann in Zweifelsfällen mittels eines EEG-Langzeitmonitorings bewiesen werden – dies ist wichtig für das Führen von Kraftfahrzeugen oder die Ausübung mancher Berufe!

Bildquelle: UNEEG
Wie funktioniert so ein EEG-Langzeitmonitoring?
Übliche EEG-Systeme sind kompliziert anzubringen, können leicht gestört werden durch Bewegungen des Kopfes oder der Elektrodenkabel, reizen auch bei längerer Verwendung die Kopfhaut; nicht zuletzt sind sie auch viel zu auffällig, um im Alltag getragen zu werden.
Die neu entwickelten Systeme zur Aufzeichnung des EEGs über viele Monate verwenden daher von außen unsichtbare Elektroden, die unter die Kopfhaut (»subkutan«) gelegt werden. Dies hat zusätzlich den Vorteil einer besseren EEG-Qualität, da man näher am Gehirn ableitet und eine Reihe von EEG-Störquellen entfallen, und ermöglicht stabile Ableitungen über Zeiträume von mehr als einem Jahr.
Die Elektrode wird hinter dem Ohr in Lokalanästhesie mit einem kleinen Schnitt von 1 cm Länge unter der Haut so platziert, dass sie über einem Hirnareal liegt, dass an den Anfällen beteiligt ist, zum Beispiel über einem Schläfenlappen. Die EEG-Signale werden dann über ein darüber befestigtes kleines Übertragungssystem ausgelesen und täglich in einer Cloud gespeichert, so dass der behandelnde Arzt sie ansehen kann. Bei der Auswertung hilft dem Arzt künstliche Intelligenz, sich nur auf wesentliche Zeitpunkte zu konzentrieren.
Wie hat sich dies bislang bewährt?
Am Epilepsiezentrum Freiburg werden seit drei Jahren Menschen mit Epilepsie mit solchen subkutanen EEG-Systemen ausgestattet. Fast alle empfinden das Übertragen der Daten als einfach und empfehlen den Einsatz auch anderen Betroffenen, bei denen Unsicherheit über das Vorliegen von Anfällen besteht. Die Aufzeichnungen haben ermöglicht, die wirkliche Schwere der Epilepsie besser einzuschätzen, Anfallshäufungen zu erkennen, Therapieeffekte besser darzustellen, aber auch vollständige Anfallsfreiheit zu belegen und damit das Führen eines Kraftfahrzeuges wieder mit guten Gründen zu ermöglichen. Auch über einen Zeitraum von einem Jahr haben die Patienten im Mittel ca. 90 % der Zeit das EEG aufgezeichnet – dies ist ein großer Fortschritt in Richtung auf eine vollständige Anfallsdokumentation.
Bei wem kann das Langzeit-EEG eingesetzt werden?
In Europa ist bislang nur das System von UNEEG zugelassen; es ermöglicht ein Langzeit-EEG-Monitoring bei Erwachsenen (für Kinder ist eine Zertifizierung beantragt). Sinnvoll ist der Einsatz immer dann, wenn Anfälle nicht verlässlich dokumentiert werden können und eine bessere Information auch Konsequenzen hätte – etwa hinsichtlich einer Änderung der Therapie oder der Entscheidung für weitere Maßnahmen einer Überwachung. Bislang muss der Einsatz individuell mit den Krankenkassen vereinbart werden, hierzu ist eine Stellungnahme durch einen Epilepsie-Experten hilfreich. Leider ist der Preis für das EEG-System hoch, sodass der Einsatz individuell genau überlegt sein muss.
Andreas Schulze-Bonhage
Kontakt & weitere Infos
Prof. Dr. med.
Andreas Schulze-Bonhage
Abteilungsleiter Epilepsiezentrum
Universitätsklinikum Freiburg
Breisacher Str. 64
79106 Freiburg
0761 27054250