Ein Berufsverbot gibt es nicht

Eine inkludierte Gefährdungsbeurteilung ist bei vielen Arbeitsplätzen notwendig
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Schulung zum Thema Epilepsie und Arbeit in Passau

 

Am 24.07.2019 fand die Veranstaltung „Inkludierte Gefährdungsbeurteilung am Beispiel Epilepsie“ in den Räumen der Kinderklinik Dritter Orden Passau gGmbH statt. Das Bundesprojekt TEA (Teilhabe • Epilepsie • Arbeit) hatte gemeinsam mit der Epilepsieberatungs-stelle Passau eingeladen, um Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Neurologen, Schwerbehindertenbeauftragte, Mitarbeiter der Integrationsfachdienste und -ämter sowie der Agentur für Arbeit zu schulen. Im Mittelpunkt standen die inkludierte Gefährdungsbeurteilung, Aspekte der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes.

 

Laut Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Ist ein Arbeitnehmer schwerbehindert bzw. leidet dieser unter einer chronischen Erkrankung, muss darauf geachtet werden, ob eine allgemeine Beurteilung der Gefährdungen ausreicht oder ob diese in eine inkludierte Gefährdungsbeurteilung umgewandelt werden muss. Darin werden die jeweiligen Einschränkungen bzw. besonderen Gefährdungen beurteilt, um damit den Arbeitsplatz auch für erkrankte Mitarbeiter sicher zu machen.

Ulrike Jungwirth, die Leiterin der Epilepsie Beratung Niederbayern, begrüßte die Teilnehmer; anschließend stellte Dr. Christian Schropp, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ), die neue Anfallsklassifikation der ILAE (International League Against Epilepsy) vor. Anhand von Videobeispielen und einer genauen Erläuterung konnten auch Nicht-Fachleute die unterschiedlichen Anfallsformen erkennen und einen Zusammenhang mit der Klassifizierung herstellen. „Epilepsie ist nicht gleich Epilepsie – es gibt verschiedene Anfallsformen. Je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist, kann der Patient den Anfall bewusst oder unbewusst erleben. Es kann zu Sturzanfällen kommen oder der Patient ist für einige Minuten einfach nur abwesend. Manche epilepsiekranke Menschen führen eine bestimmte Tätigkeit fort oder laufen umher, ohne dies bewusst zu erleben oder auch steuern zu können. Bei unbewussten Anfällen kann sich der Patient hinterher meist nicht an einen Anfall erinnern.“, erklärte der Kinder-/Jugendarzt und Neuropädiater Schropp.

 

Epilepsie ist eine Krankheit, die sich bei jedem Betroffenen anders zeigt: Von Anfällen, die nach außen gar nicht oder kaum sichtbar sind, bis zu einem Sturz mit Bewusstlosigkeit und Verkrampfung gibt es verschiedene Ausprägungen. Die meisten Berufe sind für Menschen mit Epilepsie möglich, pauschale Verbote gibt es nicht: „Es kommt immer auf den einzelnen Menschen und dessen Krankheitsbild sowie die jeweilige Tätigkeit an“, erklärte Peter Brodisch in seinem anschließenden Vortrag. Brodisch leitet das Bundesprojekt TEA und kam mit seinem ganzen Team aus München, um dieses Thema voranzubringen.

Diese DGUV-Broschüre enthält wichtige Informationen zur arbeitsmedizinischen Beurteilung von geeigneten Berufsmöglichkeiten bei Epilepsie

Die Tätigkeiten von epilepsiekranken ArbeitnehmerInnen müssen schon nach dem ersten Anfall bewertet werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) gibt hier mit der DGUV Information 250-001 „Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall“ Fachleuten ein geeignetes Werkzeug an die Hand, um eine arbeitsmedizinische Beurteilung zu erstellen. Dabei werden Anfälle zunächst in Gefährdungskategorien eingeteilt. Danach erfolgt die Beurteilung beruflicher Risiken bei Epilepsie und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden können bzw. müssen. Die Schrift gibt auch Aufschluss darüber, ab welcher anfallsfreien Frist bestimmte Tätigkeiten wieder ausgeführt werden dürfen, wie z. B. Tätigkeiten in Höhen.

 

Da Arbeitgeber meist nicht über das notwendige Hintergrundwissen für die Erstellung einer inkludierten Gefährdungsbeurteilung verfügen, ist es ratsam, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit damit zu beauftragen“, waren sich die beiden Referenten Detlef Fuellhaas (TEA) und Thomas Mackenstein (Fachkraft für Arbeitssicherheit) einig. Letzterer stellte zudem die Leistungen des Verbands für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI) vor. Fuellhaas zeigte technische Möglichkeiten, die in einem Betrieb zur erheblichen Steigerung der Arbeitssicherheit verhelfen und ggf. den Arbeitsplatz für epi-lepsiekranke Arbeitnehmer sichern können. Die inkludierte Gefährdungsbeur-teilung sollte auch stets in enger Abstimmung mit dem Betriebsarzt erfolgen, der nach einem ersten epileptischen Anfall auch die Wiedereingliederung plant.

 

Anhand eines Fallbeispiels klärte Dr. Simone Nicklas die Anwesenden über rechtliche Fragen auf, z. B. im Bewerbungsverfahren. Im Anschluss wurden noch Fälle aus der Praxis der Teilnehmer diskutiert und Fragen beantwortet.

 

Dr. Simone Nicklas und Sandra Baumgartner

v.l.: T. Markwirth (SbV Agentur für Arbeit Passau), Dr. A. Grimm (Fachärztin für Neurologie, Klinikum Passau), Th. Dünnbier (Agentur für Arbeit),Dr. Ch. Schropp (Leiter des SPZ an der Kinderklinik Dritter Orden Passau), P. Brodisch (Projektleiter TEA), U. Jungwirth (Leitung Epilepsie Beratung Niederbayern), D. Fuellhaas (TEA), Dr. S. Nicklas (TEA), Th. Mackenstein (TEA und Fachkraft für Arbeitssicherheit), E. Staber-Melzig (Epilepsie Beratung Niederbayern), M. Hausinger (Sozialdienst Asklepios Klinik Schaufling)
© Epilepsie Beratung Niederbayern

Das Team von TEA (Teilhabe • Epilepsie • Arbeit) begleitet Einzelfälle, führt deutschlandweit Betriebsbegehungen durch, unterstützt bei der Erstellung einer inkludierten Gefähr-dungsbeurteilung am Beispiel Epilepsie und bietet Schulungen an.

Betroffene Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Betriebsärzte und weitere Fachkräfte, die mit Menschen mit Epilepsie arbeiten, können TEA bei Fragen rund um das Thema Epilepsie und Arbeit kostenfrei kontaktieren:

 

Bundesprojekt TEA

Dachauer Straße 17

80335 München

Tel.: 089 540497700

epilepsie-arbeit(at)im-muenchen.de

www.epilepsie-arbeit.de