Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden

Raúl Aguayo-Krauthausen

Rowohlt Verlag
(März 2023)

240 Seiten

ISBN: 978-3499010293

17,00 €

 

Raúl Aguayo-Krauthausen arbeitet als Inklusionsaktivist und wurde für seine Verdienste um die sozialen Belange von behinderten und sozial benachteiligten Menschen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Auch erfand er die »Wheelmap«, eine Karte für rollstuhlgerechte Orte, klärt über Behinderung auf und vieles mehr.

 

In seinem neuesten Buch führt er aus, wie es mit der Inklusion in verschiedenen Lebensbereichen – beispielsweise in der Schule, der Arbeitswelt oder der öffentlichen Gesellschaft – steht. Dies beschreibt er präzise und ungeschönt, nennt aber auch Dinge, die schon gut laufen.

 

Der Autor schildert nicht nur seine eigene Wahrnehmung, sondern führt auch Interviews mit verschiedenen Experten aus den Bereichen Bildung, Sprache, Bauen, Kunst, Kultur und Aktivismus.

 

Er arbeitet heraus, in welchen Gebieten es noch hakt, stellt Thesen auf, woran das liegt, und nennt konkrete Lösungsansätze.

 

Er lädt die Lesenden ein, über den eigenen Tellerrand hinaus zu denken und zeigt auf, warum Inklusion nicht nur für betroffene Personen ein relevantes Thema ist. Stichwort »älter werden«.

 

Sein Leitsatz: »Nichts über uns ohne uns.«

 

Krauthausen hat einen angenehmen und kurzweiligen Schreibstil. Er erklärt Fachbegriffe anhand von Beispielen und hat mir definitiv das ein oder andere »Aha-Erlebnis« geschenkt. Von mir eine klare Leseempfehlung!

 

Sina Elflein

Die Ungerächten

Volker Dützer

Gmeiner Verlag

(September 2021)

506 Seiten

ISBN: 978-3839200193

16,00 €

 

Volker Dützer erzählt in seiner Fortsetzung den in »Die Unwerten« begonnenen Weg von Hannah Bloch weiter. Als junges Mädchen gerät sie aufgrund ihrer Epilepsie und als Halbjüdin ins Visier der Nationalsozialisten, überlebt die Vernichtungslager und die Aktion T4.

 

Auch ohne Vorkenntnisse lässt es sich gut in die aktuelle Geschichte eintauchen – ein Prolog erzählt die wichtigsten Details des ersten Teils. Der neue Roman setzt nach Kriegsende 1947 ein. Dort fahndet Hannah im Auftrag der Amerikaner nach Kriegsverbrechern, von denen viele untergetaucht sind oder eine andere Identität angenommen haben. Die verantwortlichen »Köpfe« sind bereits in den Nürnberger Prozessen verurteilt worden, aber viele »kleine« Nazis oder Mitläufer führen ohne Gewissensbisse ein ganz normales Leben. Das Interesse, auch diese für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen, schwindet sowohl bei den Schutzmächten als auch den Deutschen – zum angeblichen Wohl des Aufbaus einen zerstörten Landes.

 

Hannahs Jagd führt auf der sogenannten »Rattenlinie« durch Europa, doch je näher sie ihrem Ziel kommt, desto mehr weicht ihr Verlangen nach Gerechtigkeit blindem Hass. Wie weit darf man gehen für die »richtige« Sache? Wann wird aus einem Opfer ein Täter? Wie kann man mit der »Schuld des Überlebens« umgehen? Ist ungerächt ungerecht? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich der zweite Roman um Hannah Bloch.

 

Eine spannend erzählte Nachkriegsgeschichte!

 

Doris Wittig-Moßner

Heilen oder Behandeln? Reflexionen zu ärztlichem Wirken heute

Stephan Heinrich Nolte

Mabuse Verlag
(März 2022)

185 Seiten

ISBN: 978-3863216207

22,00 €

 

Der Autor ist seit über 40 Jahren ärztlich tätig, davon 30 Jahre als niedergelassener Kinder- und Jugendarzt, und verfügt außerdem über zahlreiche Zusatzausbildungen. Aus dieser profunden Kenntnis des medizinischen »Betriebs« heraus reflektiert er die Entwicklung des ärztlichen Wirkens, indem er z. B. von der Wortbedeutung der in der Medizin verwendeten Begriffe ausgeht (Be»hand«lung, Patient = Leidender) und deren heutiges Verständnis dagegensetzt.

 

Er beleuchtet verschiedene philosophische Ansätze oder nimmt auf literarische Werke Bezug. So macht er deutlich, dass durch die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen nicht mehr der Arzt Lenker des Behandlungsprozesses ist, sondern diese Rolle von einer hochprofessionalisierten Gesundheitsindustrie übernommen wird. Gesundheit bzw. Krankheit sind ein Wirtschaftsfaktor geworden. Dies sieht der Autor kritisch und fordert Kommunikation zwischen Ärzten und zwischen Arzt und Patient sowie eine ganzheitliche Sichtweise auf den Menschen ein.

 

Das Buch ist eine wissenschaftliche Abhandlung mit längerem Literaturverzeichnis und richtet sich dadurch meines Erachtens in erster Linie an Mediziner, die ihr Berufsethos und unsere heutige Gesundheitspolitik und -wirtschaft kritisch hinterfragen.

 

Für Patienten findet sich nur der Rat, »kritisch gegenüber den Angeboten und Versprechen der Medizin zu sein wie auch nach dem gesicherten Nutzen und den möglichen Schäden einer Behandlung zu fragen«. Mich (Mutter eines erwachsenen Kindes mit therapieresistenter Epilepsie) hatte der Titel angesprochen und ich hatte einen neuen Ansatz, einen anderen Blickwinkel erhofft, mit dem ich dieser unbegreiflichen Krankheit begegnen kann – das habe ich nicht gefunden.

 

Eva Flohrschütz-Nowak