FLIP & FLAP

Zwei Nervenzellen sind Programm

 

Flip&Flap, zwei Nervenzellen, sind Namensgeber eines Schulungsprogramms für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie und deren Eltern, welches an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck 2003 entwickelt wurde. Dieser Kurs wird momentan noch nicht flächendeckend in Deutschland angeboten, sondern - neben Lübeck - am SPZ des Klinikums Dritter Orden in München, im Norddeutschen Epilepsiezentrum in Raisdorf und am SPZ Potsdam des Klinikums Westbrandenburg. Neu dazugekommen ist ein Angebot in Würzburg: Prof. Juliane Spiegler, Oberärztin an der Kinderklinik und Leiterin der Neuro- und Sozialpädiatrie an der Universität Würzburg, hat Flip&Flap zwischen 2020 und 2023 federführend überarbeitet und veranstaltet das Programm nun auch in Unterfranken. Zusätzlich wurde eine Trainerfortbildung neu aufgelegt, die Teilnahme daran qualifiziert zur Durchführung der Patientenschulung.

©UKW / Margot Rössler

Wir haben Frau Prof. Spiegler einige Fragen zu Flip&Flap gestellt:

 

Wann wurde das Programm entwickelt, aus welchen Gründen und wie lange hat es gedauert?

Für alle chronischen Erkrankungen – wie auch die Epilepsie – ist das selbstständige Erkrankungsmanagement von großem Vorteil für die Betroffenen. Auch und gerade Kinder und Jugendliche (und ihre Familien) können erfolgreich an diese Selbstständigkeit herangeführt werden. Für den deutschsprachigen Raum fehlte hier ein standardisiertes Schulungsprogramm. In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität zu Lübeck wurde zwischen 2000-2003 ein Schulungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie und ihre Eltern erarbeitet, multizentrisch durchgeführt und begleitend evaluiert. Es wendet sich an weitgehend altersangemessen entwickelte, mit Medikamenten behandelte Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren. Schwerpunkte sind die altersadäquate Vermittlung physiologischer und medizinisch-therapeutischer Sachverhalte und individueller Bewältigungsstrategien.

 

Was sind für Sie persönlich die Vorteile bei Flip&Flap? Was gefällt Ihnen am besten?

Epileptische Anfälle im Kindes- und Jugendalter gehen häufig mit einem Bewusstseinsverlust einher. Der Anfall an sich ist für Betroffene daher häufig eine »Black Box«. Nach einem epileptischen Anfall finden sich Kinder oder Jugendliche im Krankenhaus wieder und bekommen von Eltern bzw. Ärzten plötzlich viele für sie zuvor selbstverständliche Dinge verboten oder dürfen diese nur unter Aufsicht durchführen (z. B. länger zu Hause alleine sein, in die Badewanne gehen). Dies ist gerade in der Phase der Loslösung vom Elternhaus schwierig zu akzeptieren – insbesondere, wenn man nicht wirklich versteht, warum alle plötzlich so besorgt sind. Die Schulung führt zu einem besseren gegenseitigen Verständnis. Die Kinder und Jugendlichen verstehen nachher häufig besser die Sichtweise ihrer Eltern, aber auch die Eltern lernen, die Einschränkungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren. Im Kurs werden von den Teilnehmern häufig Fragen gestellt und beantwortet, für die in einem Sprechstundentermin keine Zeit ist oder die man sich nicht zu fragen traut.

 

Was sind die aktuellen Pläne?

Wir hoffen, in den nächsten Jahren genügend Spenden einzuwerben, damit wir das grafische Material überarbeiten und modernisieren können. Das begleitende Comic wurde zwischen 2000-2003 entwickelt. Seitdem hat sich durch den Fortschritt und die Digitalisierung das Leben insbesondere von Jugendlichen deutlich verändert. Mobiles Internet, Apps oder Ähnliches waren damals noch nicht wirklich vorstellbar. Daher möchten wir gerne das Material professionell überarbeiten lassen. Da Flip&Flap über keine finanziellen Mittel verfügt, sind wir hierfür auf Spenden angewiesen.

 

Zusätzlich wollen wir gerne die Schulung für ältere Jugendliche mit dem bereits vorhandenen Transitionsmodul verbinden. Derzeit benötigt die Jugendlichenschulung 2 Tage und für das Transitionsmodul ist ein weiterer Tag notwendig. Da Jugendliche aufgrund ihrer eigenen engen zeitlichen Ressourcen nicht für eine 3-tägige Schulung zu begeistern sind, wollen wir prüfen, wie wir den Inhalt dieser 3 Tage »verschlanken« oder durch Online-Module ergänzen können.

 

Der Kurs findet als Blockschulung am Wochenende statt. Gibt es auch Überlegungen, diesen auf mehrere Nachmittage unter der Woche verteilt anzubieten?

Grundsätzlich kann die Flip&Flap-Schulung auch auf 4 halbe Tage aufgeteilt werden. Eine Epilepsie ist im Kindes- und Jugendalter aber keine so häufige Erkrankung, deswegen ist die Anreise für viele weit und eine Blockschulung z. B. am Wochenende wird von den Teilnehmern gegenüber einer Schulung in kürzeren Blöcken vorgezogen.

 

Was kostet die Trainerausbildung und wie lange dauert sie?

Die Trainerausbildung ist an die Schulungen des »Kompetenznetz Patientenschulung« (www.kompetenznetz-patientenschulung.de) angelehnt. Zunächst hospitieren Interessierte in einem Flip&Flap-Kurs, dann wird in einer Schulungsakademie die Basiskompetenz Patientenschulung erworben, anschließend werden in einem Aufbaukurs die Besonderheiten des Flip&Flap-Programms erlernt. Den Abschluss der Ausbildung bildet die Durchführung einer Schulung unter einer Supervision, danach ist man ausgebildeter Flip&Flap-Trainer. Die Kurse zum Erwerb der Basiskompetenz Patientenschulung und der Aufbaukurs kosten je ca. 350 €, die Hospitation 50 € und die Supervision 100 €.

 

Was wünschen Sie sich persönlich für »Ihr« Schulungsprogramm?

Zunächst hoffen wir, dass Flip&Flap vom Spitzenverband der Krankenkassen positiv begutachtet wird, damit die Finanzierung durch die Krankenkassen regelhaft sichergestellt ist. Und dass dadurch deutschlandweit die Durchführung des Epilepsieschulungsprogramms Flip&Flap attraktiv wird und Betroffene überall in ihrer Nähe Zugang zu einem Kurs finden. Wir wünschen uns, dass Kinder und Jugendliche mit Epilepsie genauso selbstverständlich bereits zu Beginn der Erkrankung eine Schulung erhalten, wie es z. B. für Asthma bereits in den Disease Management Programmen (DMP = strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen) üblich ist.

 

Interview zusammengefasst von

Doris Wittig-Moßner