Komplexbehandlung in Bad Neustadt

Bildquelle: Rhön-Klinikum Bad Neustadt

500 Jahre vor Christus sagte Hippokrates: »Der Pöbel glaubt, die Epilepsie sei eine Wirkung von Dämonen oder bösen Geistern, aber sie ist eine reine körperliche Krankheit und kann durch natürliche Arznei geheilt werden.«

 

Heute weiß die moderne Medizin, dass Anfälle nur eine klinische Erscheinung dieser komplexen Erkrankung sind. Wir sprechen bei Epilepsien inzwischen von »Systemerkrankungen«, bei denen häufig außerhalb des Nervensystems andere Organsysteme betroffen sind. Sie sind chronisch und beeinflussen den Lebensstil sowie die Lebensgeschichte eines betroffenen Menschen. Und es sind leider nicht nur medizinische, psychologische bzw. psychiatrische und somatische Begleiterscheinungen, sondern zugrunde liegen starke soziale und berufliche Auswirkungen und das immer noch bestehende Stigmata der Epilepsie.

 

Aus der Vielschichtigkeit der Erkrankung leitet sich der Bedarf für eine komplexe Behandlung ab, welche verschiedene sozialmedizinische Therapieansätze anbietet. Dabei behandeln wir nicht die Krankheit, sondern die Menschen in bestimmten Phasen ihres Lebens mit ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen.

 

Für die Diagnostik und Therapie der Epilepsie sind besondere fachliche Qualifikationen und spezielle Versorgungsstrukturen notwendig. Die Klinik für Neurologie am Rhön Klinikum Campus Bad Neustadt bietet überregional hierfür ein diagnostisches und therapeutisches Angebot, das auch eine sogenannte Epilepsie-Komplexbehandlung beinhaltet.

 

Diese spezielle Behandlung ermöglicht unter stationären Bedingungen nach entsprechender Indikation eine individuell ausgerichtete und hoch spezialisierte medikamentöse Behandlung sowie die Therapie von physischen oder mentalen Begleitstörungen für Menschen mit komplizierten Epilepsie-Verläufen. Dafür steht ein speziell qualifiziertes multidisziplinäres Team aus Epileptologen, Neurologen, Psychologen, Ergotherapeuten, Logopäden und Sozialarbeitern zur Verfügung.

 

Im Zentrum der Therapieziele steht der Erhalt einer höheren Lebensqualität nach den eigenen Vorstellungen des Patienten. Dieses Therapieziel steht in engem Zusammenhang mit der Anfallsfreiheit. Es gibt allerdings Situationen, in denen der Patient bereit ist, Anfälle in einem gewissen Maß zu akzeptieren, um andere Prioritäten oder Vorstellungen in Sachen Lebensqualität zu verwirklichen.

Bildquelle: Rhön-Klinikum Bad Neustadt

Deswegen legen wir großen Wert auf die Optimierung der medikamentösen Therapie sowie die Präzisierung des Anfalls und des Epilepsie-Syndroms sowie auf eine genaue Dokumentation und Diagnostik mittels Video-EEG-Aufzeichnungen und ggf. weiterer sachgerechter Bildgebung.

 

Wie bekannt werden viele Menschen mit Epilepsie anfallsfrei: ca. 90 % der Patienten mit einer genetisch generalisierten Epilepsie sowie 70 bis 80 % der Patienten mit einer fokalen Epilepsie. Deshalb ist dieses Therapieziel von großer Bedeutung.

 

Epileptische Anfälle machen Angst – Angst vor Verletzungen, Angst vor Kontrollverlust und negativen sozialen Reaktionen. Diese »Schwäche« beeinflusst das Selbstwertgefühl des Betroffenen. Eine anhaltende Anfallsaktivität kann das neuronale Netzwerk negativ verändern, was zu Auswirkung auf die Wahrnehmung, das Gedächtnis sowie die emotionale Steuerung führt – abhängig davon, an welcher Stelle der Hirnrinde das neuronale Netzwerk gestört ist. Akut kann es durch Anfälle zu kognitiven Beeinträchtigungen kommen, die Auswirkung auf die psychische Stabilität und das Selbstwertgefühl sowie zusätzliche soziale Effekte haben.

 

Deswegen ist es besonders wichtig, dass die Epilepsie als Systemerkrankung betrachtet und behandelt wird. In Kenntnis dessen erfolgt im Rahmen einer solchen Epilepsie-Komplexbehandlung eine umfassende neuropsychologische Leistungsdiagnostik, einschließlich der Überprüfung der Belastbarkeit im Alltag sowie Mitbeurteilung der Fahrtauglichkeit und der Erwerbsfähigkeit. Dazu gehören auch die Evaluation und Förderung von Alltagsfertigkeiten durch die Ergotherapie sowie Evaluation und Behandlung von motorischen Defiziten durch die Physiotherapie. Dieses erfolgt durch die Erstellung eines individuellen Förderungsprogramms.

 

Besonders wichtig ist, dass Patienten schon nach den ersten Anfällen an spezielle Behandlungszentren angebunden werden, um Störungen rechtzeitig zu erkennen, die nicht gleich offenkundig sind, aber im Verlauf der Erkrankung auftreten könnten. Auch Betroffene, die schnell anfallsfrei werden, haben häufig Schwierigkeiten mit der Verarbeitung des Stigmas der Epilepsie. Ein wichtiger Schritt dabei ist die Akzeptanz, die eigenen Stärken zu (er-)kennen und sich aktiv mit seiner Epilepsie als Erkrankung auseinanderzusetzen – eine wichtige Grundlage für die Stärkung des Selbstvertrauens. Deswegen wird ein großer Wert auf die Vermittlung von psychotherapeutischen Ansätzen gelegt sowie die Einleitung und Förderung individueller Kompensationsstrategien und Krankheitsverarbeitung.

 

Notwendig ist dazu eine spezifische individuelle Beratung zur Lebensführung und zur Arbeitssituation bezogen auf die eigene Epilepsieform sowie die individuellen Risiken. In diesem Rahmen erfolgt eine sozialmedizinische Beratung und Unterstützung durch unseren Sozialdienst im Zusammenhang mit beruflichen Problemen, der Klärung und Unterstützung bei sozialrechtlichen Ansprüchen (z. B. Schwerbehindertenrecht). Auch eine Vermittlung an die mit uns kooperierende Epilepsie-Beratungsstelle Unterfranken und die Epilepsie-Schulung MOSES spielen eine wichtige Rolle im gesamten Therapiekonzept.

 

Die neurologische Klinik am Campus Bad Neustadt bietet die Möglichkeit zu einer Komplexbehandlung für erwachsene Patienten ab dem 18. Lebensjahr. In der Regel handelt es sich um eine Aufenthaltsdauer zwischen 10 und 21 Tagen, allerdings mindestens sieben komplette Behandlungstage mit täglich drei Therapieeinheiten.

 

Dabei steht die Lebensqualität des Patienten immer im Mittelpunkt!

 

Irena Kirova

Bildquelle: Rhön-Klinikum Bad Neustadt

Kontakt:

Irena Kirova

Oberärztin

 

Klinik für Akutneurologie / Stroke Unit

RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt

Von-Guttenberg-Str. 11

97616 Bad Neustadt a. d. Saale

09771 90883100

 

irena.kirova@campus-nes.de 

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