Leni und Lorenz

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Ein Buch wird Wirklichkeit

Elisabeth Böhms Sohn erkrankt an einer Rolando-Epilepsie. Ein passendes Bilderbuch findet sie nicht. Deshalb startet sie ihr ganz persönliches Buchprojekt. Damit ihr Sohn seine eigene Geschichte in den Händen halten kann. Wir haben mit der Autorin über ihren Alltag mit Epilepsie, ihre Motivation und ihre Wünsche gesprochen.

 

Wann traten die Anfälle bei Ihrem Sohn zum ersten Mal auf? Wie sehen diese aus?

Die ersten Anfälle hatte er im Alter von knapp einem Jahr. Er setzte sich nachts im Bett auf und versuchte erste Wörter zu formulieren, konnte aber nicht, stotterte, zitterte. Danach weinte er stark. Seitdem er vier ist, treten die Anfälle auch tagsüber auf. Bis auf eine Ausnahme waren diese bisher immer fokal, er bleibt also bei Bewusstsein, kann aber nicht mehr sprechen und Mund sowie Arm zittern. Seine Anfälle treten episodenartig auf. Manchmal sind es zwei am Tag, manchmal hat er wochenlang gar keine Anfälle. Ich führe ein Anfallstagebuch und seit der Diagnose 2021 haben wir bisher 45 Anfälle bewusst miterlebt.

 

Wer stellte die Diagnose und wie läuft die Behandlung?

Die Diagnose „Rolando“ wurde von den Neuropädiatern unserer Kinderklinik gestellt. Im Laufe der Behandlung nahm unser Sohn vier verschiedene Antiepileptika ein, meist zwei davon kombiniert, dreimal täglich und in sehr hoher Dosis. Er war aber nie anfallsfrei und die Nebenwirkungen waren immens, sodass er aktuell ohne Medikamente ist. Diesen Schritt sind wir unter ärztlicher Begleitung gegangen, da unser Sohn ab einem gewissen Zeitpunkt mehr unter den Nebenwirkungen gelitten hat als unter den Anfällen selbst.

 

Wie wirkt sich die Erkrankung im Alltag aus?

Meistens ist unser Sohn nach den Anfällen den ganzen Tag sehr erschöpft und unkonzentriert. Manchmal machen sie ihm Angst und manchmal schämt er sich für sie. Es tut mir als Mutter sehr weh, dies mit anzusehen. Da die zwei Schwestern unseres Sohnes beide jünger sind als er, sind sie die Anfälle gewöhnt. Wenn aber der große Bruder wieder einmal ins Krankenhaus muss, sind beide sehr traurig und fragen unentwegt nach ihm.

 

Im Alltag schränkt die Krankheit unseren Sohn kaum ein, da wir ihm bis auf unbegleitetes Schwimmen alles erlauben. Er liebt zum Beispiel Reiten. Da er aber ein Notfallmedikament hat, stoßen wir bei Freizeitaktivitäten mit Fremdbetreuung oft auf Hindernisse. Das Personal kann meist weder mit Epilepsie an sich noch mit der Notfallmedikation viel anfangen und deshalb wurde unser Sohn bereits mehrmals ausgeschlossen, benachteiligt oder aber wir mussten Atteste vorlegen, damit er teilnehmen durfte. Dies ist für uns als Eltern von drei kleinen Kindern oft organisatorisch eine große Herausforderung und manchmal auch nicht nachvollziehbar. Ansonsten ist es oft mühselig, anderen die Erkrankung unseres Sohnes zu erklären, da Nichtbetroffene häufig nicht verstehen können, dass Epilepsie nicht gleich Epilepsie ist.

 

Was ist – für Sie als Eltern – die negativste Erfahrung?

Am schlimmsten ist für uns mitanzusehen, wenn unser Sohn leiden muss. Sei es seine Angst oder Scham bei und nach einem Anfall oder aber Schlafentzug und andere Herausforderungen in der Klinik.

 

Verbinden Sie mit der Erkrankung auch etwas Positives?

Mein Sohn würde jetzt ganz klar antworten: Der Schokoladenpudding im Krankenhaus, den es daheim nicht gibt. Ich als Mutter kann an der Krankheit selbst nichts Positives finden, wenngleich ich persönlich die Epileptologie sehr spannend finde. Den Zusammenhalt unter den Eltern betroffener Kinder finde ich jedoch extrem Kraft spendend. Außerdem merke ich, dass unser Sohn sehr reflektiert ist und bereits sehr viel über sich selbst und seinen Körper gelernt hat, was nicht erkrankte Kinder vielleicht erst ein paar Jahre später lernen. Natürlich wäre es mir dennoch lieber, wenn er gesund sein dürfte.

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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Kinderbuch für Ihren Sohn zu schreiben? Wie lief die Umsetzung?

Ich lege sehr viel Wert darauf, dass in den Büchern, die wir unseren Kindern vorlesen, Themen behandelt werden, welche sie aus ihrem echten Leben kennen, und ich bin überzeugt davon, dass auch komplexe, schwierige Themen in Kinderbüchern vorkommen dürfen. Deshalb habe ich natürlich Bücher zum Thema Epilepsie für meinen Sohn gekauft und vorgelesen. Speziell zur Rolando-Epilepsie konnte ich allerdings nur das Heftchen „Toto und Rolando“ vom Elternverband finden, jedoch leider kein klassisches Vorlesebuch für Kinder im Kindergartenalter.

 

Als dann eines Tages der Satz fiel: „Mama, die Kinder in den Büchern haben alle die Hinfall-Epilepsie und keiner hat meine!“, beschloss ich, selbst ein Buch zu schreiben. Ich wusste, dass eine gute Schulfreundin Illustratorin geworden war und habe sie sofort kontaktiert. Da ich ganz klare Vorstellungen hatte, waren Text und Bilder sehr rasch fertig.

 

Wo fanden Sie Unterstützung – auch in Sachen Finanzierung?

Ich stellte auch frühzeitig Kontakt zu Stiftungen und Verbänden wegen einer etwaigen Finanzierung her. Schluss-endlich wurden die Druckkosten des Buches nun von der Stiftung Michael übernommen. Zur Deckung der restlichen Ausgaben entschied ich mich für Crowdfunding. Die größte Herausforderung während des ganzen Prozesses war – neben der Frage der Finanzierung – stets die Motivation zu finden, weiterzumachen. Hier halfen mir einerseits meine Kinder, die die Geschichte von Leni und Lorenz immer wieder hören wollten und voller Vorfreude auf das Buch waren. Andererseits motivierten mich andere betroffene Eltern, die mir über Social Media schrieben, dass sie schon länger ein Vorlesebuch zum Thema Rolando-Epilepsie gesucht hatten.

 

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass das Buch viele Kinder erreicht, ganz egal, ob selbst erkrankt oder nicht. Und dass es dabei helfen darf, Vorurteile abzubauen und über das Thema Epilepsie bei Kindern aufzuklären. Für meinen Sohn wünsche ich mir, dass er jeden Tag ein Stück mehr lernt, mit seiner Erkrankung umzugehen und dass er sich in seinem Leben immer geliebt fühlt und nie auf seine Krankheit reduziert wird. Ansonsten wünsche ich mir für meine und alle anderen Kinder, dass sie glücklich und vor allem in Frieden aufwachsen dürfen.

 

Was möchten Sie anderen Eltern noch sagen?

Anderen betroffenen Familien möchte ich gerne mit auf den Weg geben, dass meiner Ansicht nach direkt nach der Diagnose alle Gefühle erlaubt sind. Egal, ob vielleicht Erleichterung darüber da ist, dass es „nur“ Epilepsie ist oder ob ganz viel Verzweiflung in einem aufkommt. Diese Gefühle mögen sich im Verlauf der Diagnostik vielleicht auch abwechseln. Schließlich verläuft der Weg nicht linear – da gibt es so manche Stolpersteine und Hürden: das Einstellen der Medikation, für das Kind belastende Untersuchungen, viele Ängste, die begleitet und aufgefangen werden müssen, viele gut gemeinte Ratschläge, die man nicht hören will.

 

Auch wenn manchmal noch Tränen fließen, haben wir als Familie mittlerweile einen Weg gefunden, mit der Erkrankung unseres Sohnes umzugehen, ihm ein – wo immer möglich – normales Aufwachsen zu ermöglichen und vor allem ihm stets das Gefühl zu geben, dass er nicht seine Krankheit ist, sondern ein wundervoller Mensch. Diesen Umgang mit der Rolando-Epilepsie wünsche ich von Herzen allen anderen betroffenen Familien, denn ich weiß, wie viel Kraft das an manchen Tagen kostet.

Elisabeth Böhm

Das Buch beschreibt die Geschichte von Leni und ihrem großen Bruder Lorenz. Die beiden sind beste Freunde und halten fest zusammen – bis eines Morgens plötzlich alles anders ist. Als Lorenz krank wird, droht die Welt der beiden Kinder ganz anders zu werden. Doch schnell wird klar: Die zwei Geschwister lassen sich von Lorenz‘ Erkrankung nicht entmutigen, sondern gehen auch diesen Weg gemeinsam.

 

„Leni und Lorenz“ ist eine zärtlich erzählte Mutmach-Geschichte über das Leben mit Rolando-Epilepsie für alle Kinder zwischen drei und sieben Jahren.

 

Instagram: @leniundlorenz

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Preis pro Buch: € 12,90 (zzgl. Versand)