Mein Traumjob in der Pflege

Jeannine Fasold und „ihr Reich“: die Station 13 für Menschen mit geistiger Behinderung im Krankenhaus Rummelsberg
© Uwe Niklas

Bereits als Jugendliche wusste ich, dass ich in die Pflege möchte. Meine Mutter ist Krankenschwester und ich war immer sehr neugierig auf das, was sie von ihrem Beruf erzählte.

 

Mit 16 verließ ich die Schule (meine zehn Jahre Schulpflicht waren voll), wurde aber im Pflegebereich nicht genommen. Der Grund: Mein Alter – ich war zu jung. Der Wunsch der Kliniken waren Bewerber, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten oder kurz davor waren.

 

Also lernte ich eine Tätigkeit im Büro und bekam drei Kinder (1996, 1998,1999). Mein erstgeborener Sohn kam als Frühchen in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt. Er war damals sechs Wochen auf der Frühgeborenen-Intensivstation und entwickelte sich nicht so, wie es Kinder eigentlich tun. Mit acht Monaten bekamen wir die Diagnose frühkindlicher Hirnschaden (Infantile Cerebralparese = ICP).

 

Es war nicht klar, welche Fortschritte er machen würde. Wer diese Kinder kennt, weiß, dass im Laufe der Entwicklung einige Klinikaufenthalte nötig sind.

 

Während dieser Zeit merkte ich, wie sehr der Wunsch, in die Pflege zu gehen, noch in mir keimte und mich einfach nicht losließ.

 

2010 stieg ich für sechs Monate ungelernt in die Altenpflege ein. 2011 absolvierte ich die einjährige Pflegefachhelfer-Ausbildung. Ich wollte erst einmal sehen, ob es noch mit dem Lernen klappen würde. Ob ich mit den ganzen jungen Schülern, die ja eigentlich meine Kinder hätten sein können, zurechtkäme. Das klappte aber so gut, dass ich 2012 die Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflege begann.

© Uwe Niklas

Arbeiten auf einer ganz besonderen Station

Auf der Station für Menschen mit geistiger Behinderung im Krankenhaus Rummelsberg durfte ich mein Examen absolvieren. Mir war klar, hier möchte ich bleiben. Außerdem hatte ich durch meinen Sohn bereits im Vorfeld viele Kontakte zu diesem Bereich und allem, was damit zusammenhängt.

 

Es ist eine besondere Station: Bei uns steht der Mensch mit seinen Fähigkeiten im Vordergrund. Die Mitarbeiter haben sich alle bewusst für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung entschieden. Wir arbeiten eng mit allen am Patienten beteiligten Berufsgruppen zusammen, stehen im ständigen Austausch.

 

Zur Pflege gibt es bei uns noch zwei Heilerziehungspfleger, die Betroffene betreuen, unterstützen, auf die Entlassung vorbereiten – sie da fördern, wo sie es benötigen.

 

Die Arbeit ist nicht genauso, wie man es von einer Station im Krankenhaus kennt. Wir achten sehr darauf, dass die Patienten Kontakte untereinander haben, dass sie eine Atmosphäre bekommen, die sie von zu Hause gewöhnt sind, dass sie eingebunden werden in die Grundpflege, Nahrungsaufnahme und alles, was zum täglichen Leben gehört.

 

Wenn Zeit und Raum ist, basteln oder spielen wir mit ihnen, da sie sich nur selten selbst beschäftigen können. Während ein Mensch ohne Defizite ein Buch, das Handy oder den Laptop mit in die Klinik nimmt und sich damit die Zeit vertreibt, haben unsere Patienten diese Möglichkeit nicht. Weil sie es oft aufgrund ihrer Behinderung nicht können.

 

Da wir eine Neurologie mit dem Schwerpunkt Epilepsie sind, nimmt das natürlich auch einen großen Teil unserer Arbeit ein: Anfälle beobachten, Dokumentieren, Nebenwirkungen beschreiben – häufige Rücksprache mit den Ärzten und eine gute Kommunikation mit den Angehörigen/Betreuern gehören dazu.

 

Das größte Problem ist der Faktor Zeit

Diejenigen, die zu uns kommen, sind oft schwer pflegebedürftig. Um dem Menschen wirklich so gerecht zu werden, wie er es benötigt, muss man ein gutes Zeitmanagement haben. Dann klappt das auch.

 

Ein weiterer Knackpunkt ist die Unterbringung in Zweibettzimmern. Viele Patienten leben in Einrichtungen. Dort haben sie die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Das können wir auf unserer Station nicht immer gewährleisten. Auch wenn wir noch so genau auf die Bedürfnisse achten und versuchen darauf einzugehen, sind wir eben ein Krankenhaus.

©Uwe Niklas

Gerade Menschen mit Behinderung haben unterschiedliche Toleranzschwellen. Der eine fühlt sich allein von der Stimme der Mitpatienten gestört, ein anderer mag keine Zuschauer beim Essen. Das sind unsere täglichen Herausforderungen, die diese Arbeit aber auch so spannend machen.

 

Toll ist es, wenn ich Betroffene mit einem guten Gefühl nach Hause entlassen kann. Und wenn wir die Epilepsie wieder ein bisschen besser machen konnten. Leider geht das nicht immer, es gibt eben auch schwere Formen, die nicht so einfach einstellbar sind.

 

Das Schönste ist die Kommunikation mit den Patienten – egal auf welcher Ebene sie passiert. Ein Mensch mit Behinderung zeigt dir unverblümt, was er möchte oder auch nicht, was er fühlt und denkt. Das ist so großartig und wir können so viel von ihnen lernen: „Ich mag Dich, Du hast mir heute die Haare gekämmt, bist Du jetzt meine Freundin?“

 

Anfälle sind ganz unterschiedlich

Viele Anfälle registriert man sofort, bei manchen muss man sich im Team gut austauschen und beobachten, um sie zu erkennen. Wieder andere, die so aussehen, sind gar keine. Einige Epilepsien sind schwieriger zu handhaben als andere. Es gibt schwer einstellbare Fälle, da ist das Ziel, den Attacken die „Wucht“ zu nehmen, während es bei leichteren Formen das Ziel ist, die Anfallshäufung zu minimieren.

 

Angst vor Anfällen habe ich keine, aber großen Respekt – gerade vor Sturzanfällen. Dieses Geräusch, wenn ein Mensch aus dem Stand ungebremst auf den Boden fällt, vergisst du nicht.

 

Einige praktische Tipps, wenn Anfälle auftreten: Bitte lasst die Menschen krampfen! Einfach Gegenstände aus dem Weg schaffen, die eine Gefahr im Anfall für ihn sein können. Eine kleine Unterlage unter dem Kopf ist auch gut, um Verletzungen zu vermeiden. Wenn sämtliche Gefahrenquellen aus dem Umfeld des Betroffenen entfernt sind, lasst ihn. Keine Versuche, ihn in Seitenlage zu bringen oder ins Bett zu legen etc. Sollte er auf einem Stuhl sitzen und einen starken Krampfanfall haben, lässt man ihn lieber zu Boden gleiten, anstatt ihn dort krampfhaft festzuhalten. Sicherlich gibt es weitere Empfehlungen, aber   diese sind mir jetzt so ganz spontan eingefallen.

 

Wünsche für die Zukunft

Für die Pflege wünsche ich mir mehr Würde für die Patienten und für uns mehr Personal, um jedem Einzelnen gerecht werden zu können; dass Menschen mit Behinderung im Krankenhaus und die damit verbundene Arbeit wahrgenommen werden; dass sie auch in politischen Diskussionen ein Thema sind; dass Menschen mit Behinderung im Krankenhaus eine Lobby bekommen.

 

Für unsere Station wünsche ich mir, dass wir weiterhin so ein gutes, starkes und motiviertes Team bleiben; dass wir auch zukünftig diesen Patienten die Möglichkeit geben können, sich bei uns und in diesem Setting behandeln zu lassen.

 

Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich nie den Mut, mein Lachen und die Liebe verliere zu dem, was ich tue.

©privat

Jeannine Fasold

 

Kontakt:

Krankenhaus Rummelsberg

Zentrum für Menschen mit Mehrfachbehinderung

Klinik für Neurologie (Station 13)

Rummelsberg 71

90592 Schwarzenbruck

Zentrales Belegungsmanagement:

Tel.: 09128 5042303

kru-zbm-khr(at)sana.de

sana.de/rummelsberg/medizin-pflege/der-sana-pflegeanspruch/pflege/pflege-funktionsbereiche

-> Stationsportrait – Station 13

Jeannine Fasold, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, arbeitet auf der Station 13 für Menschen mit geis-tiger Behinderung und Epilepsie im Krankenhaus Rummelsberg. Mit Herz und Seele ist die 48-Jährige ihrem Traumjob treu, den sie erst mit Anfang 40 für sich verwirklicht hat. Und weil sie ihren Beruf liebt und ihn auch für andere attraktiver machen möchte, berichtet sie auf Instagram und Facebook von ihrem Arbeitsalltag in der Pflege und greift dort u. a.  gesundheitspolitische Themen auf.

 

Facebook: Herzensschwester

Instagram: einfach.jean