Meine Schwester ist ein »Angel«

Ich heiße Hannes Pohl, bin 11 Jahre und gehe in die 6. Klasse. Meine Schwester Maja (16) hat das Angelman-Syndrom. Wir leben mit Papa Sven (45 Jahre, Ingenieur) und Mama Andrea (44 Jahre, Familienmanagerin) in Grabow, Mecklenburg-Vorpommern.

 

Wann hast du festgestellt, dass deine Schwester sich von anderen Kindern unterscheidet? Wie erklärst du ihnen die Erkrankung?

Dass meine Schwester das Angelman-Syndrom hat, habe ich nicht wirklich festgestellt. Ich bin so mit ihr aufgewachsen und kannte es nicht anders.

 

Einmal hat mich Mama mit meiner Schwester vom Kindergarten abgeholt. Ich glaube, ich war 5 Jahre oder so. Damals habe ich Maja mit in die Kindergartengruppe gebracht. Dort habe ich sie allen vorgestellt: »Achtung, alle einmal zuhören: Das ist meine Schwester Maja«. Alle haben mich erst mal spannend angeschaut. »Bei ihr läuft der Motor im Kopf nicht richtig. Sie ist trotzdem sehr nett und lacht viel. Aber Achtung: Manchmal zieht sie auch an den Haaren und kneift!«

 

Auch heute noch kommen manchmal Mitschüler auf mich zu und fragen, ob ich ihnen erklären könnte, was meine Schwester hat. Ich glaube, dass sie sich erst mal überlegen, ob sie mir die Frage überhaupt stellen dürfen, weil sie denken, dass es mich verletzen könnte. Aber ich finde es okay und auch wichtig, dass andere danach fragen. Auch in Vorträgen berichte ich in meiner Klasse, was das Angelman-Syndrom und der Verein sind.

 

Warum warst du bereit, dich bei der Geschwisterkampagne zu engagieren?

Ich mache bei der Kampagne mit, weil ich das Angelman-Syndrom bekannter machen möchte, damit sich vielleicht mehr Leute für den Verein und das Syndrom interessieren und die Forschung unterstützen.

 

Hast du näheren Kontakt zu weiteren Geschwisterkindern? Hilft dir das?

Ich habe Kontakt zu einem anderen Geschwisterkind, das in der Nähe von Hannover wohnt. Mehrfach im Jahr treffen wir uns mit den Eltern und den Geschwistern, die sich auch sehr gut verstehen. Mit ihr kann ich besser über Themen rund um das Angelman-Syndrom sprechen als mit anderen in meinem Alter. Auf den Jahres- und Regionaltreffen sehe ich auch weitere bekannte Geschwisterkinder. Wir tauschen uns aus und spielen gemeinsam.

 

Es gibt bestimmt einiges, was du dir anders vorstellst. Möchtest du davon erzählen?

Manchmal mache ich mir Gedanken darüber, wie es wäre, wenn Maja keine Behinderung hätte. Dort breche ich mit meinen Gedanken ab ...

 

Kannst du mit der Erkrankung deiner Schwester auch etwas Positives verbinden?

Maja hält einen immer auf trapp, ist meistens gut gelaunt und man kann mit ihr auch Filme schauen.

 

Es gib natürlich auch Vorteile. Durch ihren Schwerbehindertenausweis/Parkausweis dürfen wir immer in der ersten Reihe parken. In vielen weiteren Bereichen, z. B. Flughafen oder Warteschlangen, werden wir durch Maja »bevorzugt«.

 

Was wünschst du dir für die Zukunft: Für deine Schwester? Für dich persönlich?

Ich wünsche mir, dass das Angelman-Syndrom besser behandelt werden kann und dass Maja gesund bleibt. Ich hoffe auch, dass ich weiterhin meinen Hobbys nachgehen kann – unabhängig von Maja.

Gibt es etwas, was du anderen Kindern, die mit einem kranken Geschwisterteil leben, noch sagen möchtest?

Bei einem Bruder oder einer Schwester mit Behinderung gehört immer Optimismus dazu. Diesen musste auch ich selbst für mich entwickeln. Maja gehört für mich, wie alle, mit dazu. Ich hoffe, dass auch andere betroffene Geschwister lernen, mit der besonderen Situation gut umgehen zu können.

 

Interview zusammengefasst

von Doris Wittig-Moßner

Kontakt & Weitere Infos

Angelman e. V.


Raitz-von-Frentz-Str. 4

41352 Korschenbroich

02161 3046026

 

as-info(at)angelman.de

www.angelman.de

Facebook: Angelman e.V.

Instagram: angelman_verein_deutschland

Das Angelman-Syndrom

Das Angelman-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung in Folge einer angeborenen Veränderung auf dem Chromosom 15 – benannt nach Dr. Harry Angelman, einem englischen Kinderarzt mit dem Spezialgebiet Neurologie, der das Syndrom erstmals in einem 1965 veröffentlichten Artikel beschrieb. Es ist geprägt durch Entwicklungsverzögerungen, eingeschränkte Sprachfähigkeit, motorische Herausforderungen und ein auffallend fröhliches Wesen.

 

Der ehrenamtliche arbeitende Elternverband Angelman e. V. unterstützt betroffene Familien und setzt sich dafür ein, die Öffentlichkeit für diese Erkrankung zu sensibilisieren – momentan mit einer Geschwisterkampagne.

 

16 Geschwister von »Angels« unterstützen diese Kampagne und setzen ein starkes Zeichen, um mehr Aufmerksamkeit für das Syndrom zu schaffen.