Margret's Lese-Ecke

Ilse Achilles: "Was macht Ihr Sohn denn da?"

Geistige Behinderung und Sexualität
Piper Verlag
ISBN 3-492-03421-7  
24.80DM


Frau Achilles ist Mutter eines geistig behinderten Sohnes. Mit diesem Buch hat sie ein Thema aufgegriffen, das in der Öffentlichkeit immer noch ein Tabu ist.
Gleich im ersten Kaptitel schildert die Autorin eine Situation aus ihren persönlichen Erfahrungen: Im Schwimmbad macht der Bademeister sie auf Ihren Sohn aufmerksam: "Sie müssen besser auf Ihren Sohn aufpassen, der hat sich die Badehose `runtergezogen und fummelt an sich herum". Als Mutter eines geistig behinderten Sohnes wurde ich gleich hellhörig und war Frau Achilles sofort in Dankbarkeit verbunden. Sie hat sich in einer bewundernswerten Offenheit diesem Thema gewidmet und ist nicht im Schwimmbad vor Schreck oder Scham im wahrsten Sinne des Wortes untergetaucht .
In insgesamt 17 Kapiteln geht es um Pubertät, Aufklärung, Mißbrauch, Verhütung, Sterilisation, Betreuungsgesetz. Frau Achilles bringt zu jeder Thematik anschauliche Beispiele von sich und anderen Betroffenen, sie erzählt von Paaren in Wohnheimen, vom Leben in der Familie....
Im Vorwort lesen wir von Prof. Joachim Walter: "Die Problematik der Sexualität geistig Behinderter liegt im allgemeinen weit weniger in der Behinderung, sie liegt in den Ängsten und Unsicherheiten der Betreuer und den oft falschen pädagogischen Konsequenzen, die diese aus sexuellen Äußerungen und Wünschen geistig behinderter Menschen ziehen. Denn mit der Diagnose >geistig behindert< ist für viele die Vorstellung von lebenslanger Unreife, von Ehelosigkeit verbunden, keine oder allenfalls kindliche Sexualität und deshalb > Kinderfreundschaften< . Die sexualbiologische Entwicklung geistig behinderter Kinder und Jugendlicher verläuft jedoch bis auf wenige Ausnahmen altersgemäß und unabhängig von der Intelligenzminderung".
Um unseren Kinder auch in Ihrer Sexualentwicklung eine Stütze und keine Behinderung zu sein, wünsche ich diesem Buch das in jeder Hinsicht ein guter Rat-geber für Eltern und Fachkräfte ist, viele Leser.

 

Margret Meyer-Brauns, München

 

 

Charlotte Knees/ Marlies Winkelheide: "Ich bin nicht du - du bist nicht ich"

Aus dem Leben mit behinderten Geschwistern
Butzon & Bercker Verlag
ISBN 3-7666-0208-X  
26 DM


Beide Autorinnen haben viele Jahre lang Kinder und Jugendliche , die Geschwister von behinderten Kindern sind, zu Treffen eingeladen. Bei diesen Tagungen hatten sie die Möglichkeit Erfahrungen auszutauschen, Erlebnisse zu erzählen, Antworten auf Fragen zu finden, Wut, Trauer und Freude zu zulassen. Diese Kinder haben Briefe an ihre Geschwister, an ihre Eltern und an sich geschrieben. Das Ergebnis ist eine spannende und überaus interessante Lektüre. Wir lesen von immer wieder kehrenden Problemen, die Geschwisterkinder beschäftigen: Die Entstehung der Behinderung, das Erleben in der Öffentlichkeit, Schulsituationen, der eigene Freundeskreis, das Zeitbudget der Eltern.. .
Als Mutter eines gesunden und eines behinderten Sohnes waren mir viele geschilderte Situationen vertraut - und ebenso viele sollte ich überdenken. Die Stimmen dieser Kinder haben mich nachdenklich gestimmt und viele Alltagssituationen mit meinen beiden Kindern in Frage gestellt.
Frau Knees und Frau Winkelheide haben die Geschichten für andere betroffene Kinder gesammelt und veröffentlicht, doch ich möchte sie nicht zu letzt auch für Eltern, Betreuende, Therapeuten und Ärzte zur Pflichtlektüre machen.


Margret Meyer-Brauns, München