Sechs Jahre Gleichstellungsgesetz - oder behinderte Menschen werden salonfähig

Viele Jahre haben Behindertenverbände darum gekämpft, daß Menschen mit Behinderung nicht benachteiligt werden dürfen. Vor sechs Jahren war es dann so weit. Unser Grundgesetz wurde entsprechend geädert, seitdem ist im GG Artikel 3, Absatz 3 zu lesen: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Hört sich auch wirklich gut an, aber Menschen mit Handicap - und dazu gehören ja auch Epilepsiekranke - können ein Lied davon singen, daß wir von der Realisierung dieses Satzes noch weit entfernt sind.


Aber Achtung, es tut sich was. Ein kleiner Rückblick, damit auch klar wird, was sich bewegt. Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an die Gerichtsurteile, die von Gerichten in Frankfurt und Flensburg ergangen sind. Da haben nichtbehinderte Touristen auf Reisepreisminderung geklagt, weil in dem von ihnen gebuchten Hotel auch behinderte Gäste ihren Urlaub verbrachten. Nicht nur die Tatsache, daß es Menschen gibt (und nicht wenige!) die deshalb eine Klage anstreben ist grotesk, nein genauso unglaublich ist die Tatsache, daß die Kläger Recht bekommen haben. Ich stelle mir vor ich würde eine Klage wegen eines Reisemangels anstreben, weil mir der Anblick der schwabbelig übergewichtigen Touristen in Tangas meine Urlaubsfreuden trübt. Ich glaube kein bundesdeutsches Gericht würde mich ernst nehmen, aber ich in meinem Rollstuhl und gelegentlichen epileptischen Anfällen soll störend sein - da kann ich nur sagen echt lächerlich.


Aber jetzt kommt es, mal wieder haben zwei Spanienurlauber versucht eine Reisepreisminderung einzuklagen, weil sie im selben Hotel wie eine Gruppe behinderter Menschen ihren Urlaub verbrachten. Die Behinderten saßen bei den Mahlzeiten am Nebentisch und man glaubt es nicht, sie brauchten teilweise beim Essen Hilfe und gaben gelegentlich "unartikulierte Laute" von sich. Doch der Richter des Amtsgerichts Kleve entschied in seinem Urteil:

"Behinderte Menschen stellen keinen Reisemangel dar. Im Gegenteil, Nichtbehinderte müssten den Behinderten eine besondere Toleranz entgegenbringen."


Bravo Herr Richter, sie haben begriffen um was es uns geht.


Isabell Bildt