2004 – Jahr der sozialen Einschnitte

Das Jahr 2004 bringt neue einschneidende Veränderungen im Gesundheitswesen, in Renten- und Pflegeversicherung und im Steuerrecht. In der Öffentlichkeit wird von „Reformen“ berichtet. In den letzten Dezembertagen 2003 wurde von Entlastungen durch niedrigere Einkommensteuersätze berichtet. Zieht man Bilanz, was hat es nun dem einzelnen Bürger gebracht, wird es eine schwierige Berechnung. Die Steuerentlastung wird Besserverdienenden mehr absolute Entlastung bringen, als den Menschen mit niedrigen Einkommen. Es stellen sich verschiedene Fragen: Können die zusätzlichen Belastungen aufgefangen werden durch eine geringere Steuerbelastung? Was hat ein Rentner von einem niedrigerem Spitzensteuersatz? Epilepsiekranke werden durch unterschiedlichste Belastungen im Sozialbereich zusätzlich benachteiligt.

Wem tun 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal mehr weh? Wen treffen die zusätzlichen Belastungen im Gesundheitswesen und bei den Renten besonders hart?

Häufig denke ich, der Begriff „asozial“ wird in unserer Gesellschaft völlig falsch genutzt. Asozial ist, den Schwachen der Gesellschaft weitere Lasten zuzumuten. Über die Kürzung von Diäten wird nicht nachgedacht, viele große Unternehmen, die nachweislich Gewinne machen und trotzdem tausende Arbeitsplätze vernichten, das ist nicht nur unsozial. Wer so mit politischer und wirtschaftlicher Macht umgeht, ist meines Erachtens asozial.

Wir werden hier nur einige wesentliche Veränderungen nennen können, die Garantie der Vollständigkeit ist nahezu unmöglich.

Was hat sich konkret verändert?

  • Im Bereich der Pflegeversicherung werden die Leistungen für stationäre und ambulante Pflege angeglichen. Die Höhe des Pflegegeldes soll in der bisherigen Höhe erhalten bleiben. Die Veränderungen gehen zu Lasten der stationären Pflege, was im Einzelfall heißt, dass Angehörige mehr zuzahlen müssen.
  • Rentner sollen ab dem Jahr 2010 höhere Beiträge zahlen, ab 2010 = 3,2%, ab 2015 = 3,6%. Der Unterschied zu den normalen Beirägen wird als generativer Ausgleichsbeitragssatz bezeichnet.
  • In der Rentenpolitik wurde eine Nullrunde für Renten vom Bundestag beschlossen, außerdem soll die Rentenzahlung zum Monatsende umgestellt werden.
  • Ab 2004 ist für den Besuch beim Haus- und Facharzt jeweils eine Praxisgebühr von 10 Euro je Quartal fällig. Die Gebühr beim Facharzt entfällt nur, wenn aufgrund der gleichen Beschwerde vom Hausarzt überwiesen wird. Ab 2006 müssen die Arbeitnehmer zusätzlich 0,5% Beitrag für Krankengeld zahlen, auch der Zahnersatz soll ab 2005 nur noch eine Leistung der Kassen durch zusätzliche Beitragszahlung werden.
  • Die Zuzahlungen bei Arzneimitteln steigen: bis 50 Euro = 5 Euro Zuzahlung, bis 100 Euro = 10% des Preises, ab 100 Euro = 10 Euro Zuzahlung. Rezeptfreie Arzneimittel werden nicht mehr verordnet. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sind von Zuzahlungen befreit. Alle anderen Befreiungsscheine verlieren ab dem 01.01.2004 ihre Gültigkeit. Die Belastungsobergrenze für Zuzahlungen bei chronisch kranken Menschen beträgt 1 Prozent des Bruttoeinkommens.


Es ist wichtig, alle Quittungen und Belege aufzubewahren. Grundsätzlich gilt, dass kein Patient mehr als 2% seines Bruttoeinkommens für Zuzahlungen leisten muß (Arztbesuche, Medikamente, Krankenhauszuzahlungen etc.).Wer die Grenze vor Ablauf des Jahres erreicht, muß bei der Krankenkasse die Befreiung für den Rest des Jahres einreichen. Die Quittungen werden also als Nachweis für bereits geleistete Zahlung benötigt.

Außerdem kann, wer mehr als 3 % des Einkommens ausgibt, diese als außergewöhn-liche Belastungen im Lohnsteuerjahresausgleich (Steuererklärung), geltend machen. Dieses ist die persönliche Zumutbarkeitsgrenze im Steuerrecht.


  • In der zweiten Dezemberhälfte 2003 wurden im Vermittlungsausschuß (Bundestag und Bundesrat) noch zusätzliche Belastungen beraten, die durch den Bundestag be-schlossen wurden; so der gelockerte Kündigungsschutz, Kürzung der Kilometerpauschale für Arbeitnehmer, für Langzeitarbeitslose soll zukünftig jede Arbeit zumutbar sein.


Angesichts des umfangreichen Kataloges fällt es schwer, hier von Reformen zu sprechen, auch wenn Politiker dies gerne tun und damit von den negativen Folgen ablenken.

Während ich diesen Artikel schreibe, wird in den Nachrichten in Bayern über Bestrebungen, das Blindengeld zu kürzen, berichtet. Im Bereich der Pflegeversicherung schlägt Ulla Schmidt einen zusätzlichen Beitrag von Kinderlosen in Höhe von 2,50 Euro vor. Die Witwenrente soll bei Kinderlosen gekürzt werden. Das wird noch als Besserstellung der Familien mit Kindern dargestellt.

Die Einschätzung des Sozialverbandes VDK findet auch unsere Zustimmung. Die Veränderungen im Sozialbereich treffen insbesondere die Rentner, die Behinderten und chronisch Kranke hart. Damit sind auch Menschen mit Epilepsien in besonderer Weise betroffen – ob als Rentner, als Arbeitnehmer, als Familie mit Pfle-gefall in der Familie oder als Familie mit krankem Kind.

Günter Warncke, Augsburg