Neueste Hi-Tech-Möglichkeiten für die Epilepsiechirurgie

Die Kampagne „Gewitterleben“ läuft auf Hochtouren und soll dazu beitragen, das Wissen über Epilepsie und verbesserte Versorgungsmöglichkeiten der Patienten/Patientinnen mit Epilepsie zu verbreiten. Dabei geht es auch um die Arbeit hochspezialisierter Zentren für Diagnostik und Epilepsietherapie. Weitgehend unbekannt sind jedoch noch Fortschritte auf dem Gebiet der Hi-Tech-Diagnostik für Patienten mit schwer behandelbaren (pharmakoresistenten) fokalen Epilepsien. Hierfür stehen heute für nicht-invasive Patienten schonende Verfahren zur Verfügung, die zum Wohle der Patienten/-innen eingesetzt werden können. Der Einsatz dieser Verfahren setzt jedoch eine hohe Spezialisierung und ausreichende Resourcen voraus.

In dem nachfolgenden Beitrag wird kurz auf die neuen diagnostischen Möglichkeiten eingegangen.

Ziel der Epilepsiechirurgie ist es, die Anfälle des/der Patienten/in zu unterbinden unter Vermeidung von neurologischen/neuropsychologischen Ausfällen. Dies setzt voraus, dass der für die Anfälle des/der Patienten/in verantwortliche epileptische Herd entfernt werden kann. Hierzu ist es erforderlich, in einem ersten Schritt eine spezielle Lokalisationsdiagnostik des epileptogenen Gewebes durchzuführen und in einem zweiten Schritt festzustellen, ob die Lage des epileptogenen Gewebes in einer funktionell wichtigen Hirnregion (wie z.B. Sprachregion, motorische oder sensorische Region, etc.) liegt. In der Vergangenheit mussten hierzu häufig sogenannte invasive Ableitungen auf oder im Gehirn durchgeführt werden, um die Lokalisation des epileptogenen Gewebes und ihre Beziehung zu funktionell wichtigen Hirnregionen darzustellen.

In den letzten Jahren konnte durch Entwicklung neuer bildgebender und elektrophysiologischer Verfahren die nicht-invasive Diagnostik erheblich verbessert werden. Die Multikanalmagnetenzephalographie erlaubt kontaktlose und Patienten-schonende Untersuchungen durch Registrierung der Magnetfelder. Hierbei werden die Signale nicht durch die verschiedenen Leitfähigkeiten unterschiedlicher Gewebe, z.B. Schädelknochen, Hirnhaut, Nervenwasser, etc., beeinflusst. Hieraus leitet sich ein Vorteil gegenüber der EEG-Ableitung ab.

Multikanal-MEG-Registrierungen können zur Quellenlokalisation herangezogen werden. Das Ergebnis der Quellenlokalisation der fokalen epileptischen Aktivität kann dann zur Hirnanatomie in Beziehung gesetzt werden. Dies geschieht durch Übertragung der Daten in die Magnetresonanztomographie des Patienten. Die Kombination von Magnetoenzephalographie (MEG) und Magnetresonanztomographie (MRT) wird als „magnetic source imaging (MSI)“ bezeichnet. Mit Hilfe des MSI können invasive Registrierungen reduziert oder falls noch erforderlich, die Platzierung der Elektroden ex-akter gesteuert werden als bisher.

In der Vergangenheit nutzten Neurochirurgen vor allem intraoperative elektrophysiologische Verfahren, um Aufschluss über die Lokalisation von funktionell wichtigen Hirnarealen zu erhalten.

Eine andere Möglichkeit ist die Operation am wachen Patienten, bei der motorische oder sprachrelevante Kortexareale intraoperativ elektrisch stimuliert werden. Diese Operationen können allerdings nur an wenigen Zentren durchgeführt werden und verlangen eine besondere Mitarbeit und Motivation des Patienten.

In den letzten Jahren haben Verbesserungen in der Technik des „functional brain mapping“ dazu geführt, dass am individuellen Patienten funktionell wichtige Kortexareale (auch eloquente Areale genannt – dazu gehört im sprach-relevanten Hirnareal auch der sensomotorische Kortex) sicher und zuverlässig bestimmt und visualisiert werden können. Zu den verbreitesten Techniken des „functional brain mapping“ gehören die funktionelle Kernspintomographie (fMRI) und die Magnetoenzephalographie (MEG).

Die Neuronavigation, auch rahmenlose Stereotaxie genannt, ist ein modernes Verfahren, mit dem sich der Operateur im dreidimensionalen Raum des Operationsgebietes so orientieren kann, dass jeder Punkt im OP-Situs einem korrespondierenden Punkt im 3-D Raum eines Bilddatensatzes zugeordnet werden kann.

Das Prinzip der Neuronavigation ähnelt dem einer „Auto-Navigation“, hiermit können Instrumente im dreidimensionalen Raum des Kopfes nicht-invasiv verfolgt werden und die Ope-rationsplanung vorbereitet werden. Durch diese verbesserte Operationsplanung können riskante Strukturen geschont werden und ein idealer Zugang zu tiefliegenden Hirnregionen gefunden werden.

Dabei hilft die Ko-Registrierung mit funktionellen Daten aus, z.B. dem MEG und MR. Der kombinierte Einsatz von MEG und funktioneller Neuronavigation liefert die Möglichkeit zu verbesserten postoperativen Ergebnissen und funktionserhaltender Epilepsiechirurgie.

Diese Entwicklung hat zum routinemäßigen Einsatz der funktionellen Neuronavigation (Kombination von „functional brain mapping“ und rahmenloser Stereotaxie) geführt. Die funktio-nelle Neuronavigation kann bereits während der Operation durch eine intraoperative Magnetresonanztomographie ergänzt werden. Hierdurch wird bereits im OP das Ausmaß des Resektionsvolumens und seine Beziehung zum epileptischen Fokus bzw. funktionell wichtigen Hirnregionen dargestellt.

Am Kopfklinikum der Universität Erlangen-Nürnberg wurden bisher ca. 500 navigations-gestützte Operationen am Gehirn durchgeführt. Bei mehr als 500 Patienten erfolgte die Lokalisation fokaler epileptischer Aktivität mit Hilfe der Magnetoenzephalographie.

Die jetzt mögliche Kombination von Magnetenzephalographie mit Magnetresonanztomo-graphie, funktioneller Neuronavigation und intraoperativer Magnetresonanztomographie ist zwar bisher in Europa noch einzigartig, lässt jedoch hoffen, dass sich die patientenschonende nicht-invasive Diagnostik auch in der Routineversorgung einer größeren Patientenzahl eröffnet

O. Ganslandt , J. Romstöck , Ch. Nismky
Klinik für Neurochirurgie, Neurozentrum der Universität Erlangen-Nürnberg
H. Stefan
Neurologische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg