Zwischen Wellnesstempel und Trainingslager

- Bericht vom Sport-Workshop an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Ein herbstlicher Samstag in Köln, Ende Oktober. Die Jahnwiesen werden wie jedes Wochenende von Fußballern und Joggern bevölkert. Der FC Köln spielt dieses Wochenende auswärts, also bleiben die Fans zuhause oder kommen endlich dazu, selbst mal mit dem Nachwuchs gegen die Kugel zu treten.

Gruppe beim SportEigentlich nichts besonderes, wenn da nicht diese Gruppe wäre, die gut gelaunt ihre Runden um den Platz dreht. Der unbedarfte Zuschauer wundert sich vielleicht noch über die Kombination von Wanderstöcken und Sportbekleidung, und das noch alles auf der grünen Wiese und nicht in den Alpen. Aber Sportler wissen: Die machen Nordic Walking, die neue Trendsportart zur Förderung der allgemeinen Ausdauer.

Was alle nicht wissen: Die Gruppe ist etwas Besonderes, etwas sehr Besonderes, denn sie sind Teilnehmer am ersten Workshop "Sport und Epilepsie", der an diesem Wochenende an der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführt wird. Eine Veranstaltung der Interessenvertretung für Anfallskranke in Köln e.V. und dem Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Sporthochschule, soviel zum organisatorischen Hintergrund. Im Vordergrund dieses Berichts sollen aber die Teilnehmer des Workshops stehen, und wir müssen aufpassen, denn gerade hat sich die Gruppe geteilt. Die vordere Gruppe folgt Daniela, Studentin der Deutschen Sporthochschule und Helferin in diesem Workshop. Sie wird ihre Diplomarbeit über das Thema schreiben, deshalb ist sie hier.

In der hinteren Gruppe, die es etwas gemütlicher angehen lässt, findet sich Klaas, Diplom- Sportlehrer und für den Workshop verantwortlich. So langsam erhöht die Gruppe um Daniela vorne ihr Tempo und ist bald im Wald verschwunden. Aber das ist nicht wichtig, in der verbliebenen Gruppe hat man nicht den Ehrgeiz, ganz vorne mit dabei zu sein. Jeder soll nach seinen Möglichkeiten und Tempo belastet werden, keine Überlastung, aber auch keine Langeweile soll aufkommen. "Differenzieren" nennt der Fachmann dieses Prinzip.

Was wohl die Teilnehmer denken, nach 40 Minuten an der frischen Luft und körperlicher Ertüchtigung? Eigentlich waren sie eingeladen mit den Schlagwörtern "Wellness", "Wohlbefinden" und "Gesundheit". Und jetzt sind sie schon beinahe eine Stunde draußen unterwegs. Aber trotz und doch gerade wegen der körperlichen Belastung stellt sich ein gutes Gefühl bei allen ein. Und die Sicherheit, eine Kontrolle von außen über die Intensität der Belastung zu haben, lässt auch die Sorge um einen Anfall kleiner werden. Also kommt es doch zum Wohlbefinden, und gesund ist es allemal.

Im späteren Verlauf des Tages wird die Gruppe dann auch für ihre Mühen belohnt. Entspannungsübungen, leichtes Dehnen bei schöner Musik, so langsam verwandelt sich die Halle 1 der Sporthochschule in einen Wellnesstempel, so schnell verändern sich die Umstände. Die Decken werden herausgeholt, und die vielfältigen Anforderungen des Tages können noch einmal ganz in Ruhe wirken. Was haben wir nicht alles veranstaltet? Verschiedene Teile der Funktionsgymnastik, Übungen für den Rücken, das Becken und noch viele anderen Muskelgruppen. Eine Menge Spaß haben die Spiele gemacht. Zwar konnten alle nicht so wie in Kindertagen durch die Hallen sprinten, aber das war auch gar nicht das Ziel. Sondern ein Miteinander statt gegeneinander, die Freude an der eigenen Bewegung und an der Interaktion in der Gruppe stand im Vordergrund. Und mit einigen kleineren Regelerweiterungen lassen sich Wettbewerb und die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen gut miteinander vereinbaren.

Was gab es noch an diesem Wochenende? Wir haben Baseball gespielt, das Zirkeltraining kennen gelernt, mit Thera-Band als kleinsten Kraftstudio unsere Muskeln aufgebaut, haben uns viel an der frischen Luft bewegt, unser Gleichgewicht auf die Probe gestellt und manche haben sogar einige Turngeräte wie Taue und Bänke wieder für sich entdeckt. Im Vordergrund stand das Miteinander und damit verbunden viel Spaß, Freude aber auch Rücksichtnahme und Fairness. Und jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin hat auch für sich seine eigene Erkenntnis mit nach Hause genommen. Das Selbstvertrauen, dass doch mehr möglich ist als vorher gedacht. Den Spaß an der Bewegung, vielleicht etwas unbefreiter als vorher neue Bewegungsaufgaben anzugehen. Und die Gewissheit, dass Epilepsie und Sport zwei Dinge sind, die man miteinander vereinen kann. Diese Erfahrung ist dann vielleicht auch die Schönste und Wichtigste an diesem Wochenende.

Die Fußballer auf den Jahnwiesen haben davon nichts weiter mitbekommen. Wenn sie die Gruppe an diesem Wochenende überhaupt wahrgenommen haben, worauf ich nicht wetten würde. Vielleicht ziehen ja bald wieder die nächsten Teilnehmer ihre Runden. Wenn durch diesen Bericht der Puls leicht erhöht und die Beine etwas unruhig geworden sind, dann nichts wie los zum nächsten Telefon, Briefkasten oder Computer und schnell Interesse bekunden.

Klaas Brose
Diplom Sportlehrer Reha- und Behindertensport


Eine ständige Gruppe "Sport und Epilepsie " mit regelmäßigen Treffen unter der Leitung der Deutschen Sporthochschule - Institut für Rehabilitation und Behindertensport und der Interessenvereinigung für Anfallskranke in Köln e.V. in Kooperation mit dem Landesverband für Epilepsie-Selbsthilfe NRW e.V. wird ab Ende Januar 2005 in Köln eingerichtet.

Bei Interesse an der Teilnahme oder weiteren Informationen, wenden Sie sich bitte an:
IfA Köln
Sportgruppe
Postfach 10 18 53
50458 Köln
Tel.: 0221-91 15 42 57
Fax: 0221-4734875
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