Homöopathie bei Epilepsie: eine sinnvolle Ergänzung?

Foto: Dr. Kretzdorn und Dr. Kruse aus München, OA Dr. Bosch aus Fürth (v.l.)Diese Frage stellte die Referentin Frau Dr. med. Sigrid Kruse, Leiterin des Projekts Homöopathie in der Pädiatrie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München, in ihrem Vortrag an der Klinik für Kinder und Jugendliche (KfKJ) des Klinikums Fürth.
Frau Dr. Kruse war in Begleitung von Frau Dr. Karoline Kretzdorn nach Fürth gekommen, beide bepackt mit Informationsmaterial und Literatur für einen umfangreichen Büchertisch.
Das Epilepsieteam der EEG- und Anfallsambulanz hatte zum Elternabend am 30.11.06 eingeladen und es kamen interessierte Eltern sowie auch KinderärztInnen in großer Zahl.
Frau Dr. Kruses engagierter Vortragsweise war die Begeisterung für ihr Spezialgebiet anzumerken, mit dem sie sich schon viele Jahre verbunden fühlt.

 

Um für Sie, liebe Leserinnen und Leser die Antwort auf die Eingangsfrage vorwegzunehmen: Herr Dr. Bosch, der leitende Oberarzt der Anfallsambulanz, konnte sie am Ende des Vortrags und der anschließenden angeregten Diskussion, stellvertretend für die Zuhörerschaft, mit einem überzeugten „Ja“ beantworten.

 

Wenn Sie nun neugierig geworden sind, lassen Sie sich noch ein wenig zu Einblicken in das Gebiet der Homöopathie allgemein und in das Projekt am Dr. von Haunerschen Kinderspital insbesondere einladen.

 

Foto: Dr. Singer, Fürth im intensiven Gespräch mit Dr. Kruse, MünchenSchon als Kind hatte Frau Dr. Kruse mit homöopathischen Medikamenten in Form süßer Globuli Bekanntschaft gemacht, die ihr ihre Kinderärztin verabreichte. Während ihrer Ausbildung als Arzthelferin und später als Fachärztin für Kinderheilkunde begleitete sie die Homöopathie weiterhin.
Schließlich wurde Frau Dr. Kruse zur Leiterin des Homöopathieprojekts, das unter der Schirmherrschaft der Karl und Veronica Carstens-Stiftung seit 1995 an der Dr. von Haunerschen Kinderklinik seinen Anfang genommen hatte.
Das Projekt wurde und wird von Prof. Mathias Dorcsi (1923-2001) und Dr. Mira Dorcsi-Ulrich, den Begründern der Wiener Schule der Homöopathie, begleitet. Deren Ziel war und ist es, anhand von wissenschaftlichen Studien die Homöopathie in die Kinderheilkunde zu integrieren.
Durch die Initiative engagierter Eltern werden inzwischen Teile der Stellenfinanzierung auch von zwei Krankenkassen (AOK-Bayern und TK) sowie vom Verein Globulus e.V. übernommen.

 

Anhand eines historischen Rückblicks auf das Leben des Begründers der Homöopathie, des Mediziners, Chemikers und Pharmazeuten Dr. Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755–1843) erläuterte Frau Dr. Kruse die Entstehung dieser Therapieform.
Ihren Namen Homöopathie hatte Hahnemann aus dem griechischen hoimos = ähnlich und pathos = Leiden gebildet.

 

Es ist eine Reiz- und Regulationstherapie, die Arzneien als Einzelmittel einsetzt.
Ihre Verordnung orientiert sich an den sog. 3 Säulen der Homöopathie:

 

1. der Ähnlichkeitsregel
Wenn Substanzen pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Art bei einem gesunden Menschen Symptome hervorrufen, die einem Krankheitsbild gleichen, können sie bei einem Kranken diese Symptome heilen.
Als S. Hahnemann 1790 Chinarinde einnahm und so die Symptome einer Malariaerkrankung am eigenen Leib beobachten konnte, hatte der nicht nur ein wichtiges Mittel gegen Malaria gefunden, sondern auch den homöopathischen Lehrsatz „Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“ (das oft zitierte: “Similia similibus curentur“) entdeckt.

 

2. der Verknüpfung von Arzneimittelbild und Krankheitsbild
Auf der Suche nach der für den jeweiligen Patienten individuell passenden, möglichst seiner körperlichen und seelischen Befindlichkeit angemessenen Arznei, wird die familiäre und individuelle Vorgeschichte (= Anamnese) des Patienten ausführlich erhoben. Die Symptome z.B. eines Krampfanfalls werden mit Fragen zur Auslösung (seit wann?), zur Empfindung (wie?), zur Lokalisation und Ausstrahlung (wo? wohin?), zur Zeit (wann/wie lange?), zu den Umständen oder Modalitäten (besser/ schlechter wodurch?), zur Emotionalität (wie ist die Gefühlslage dabei?) genauestens beschrieben. Selbstverständlich gehört auch die körperliche Untersuchung zur Diagnose.

Aus der beeindruckend großen Menge von ca. 2000 Arzneimitteln gilt es dann, das in seiner Organwirkung genau auf die Symptomatik abgestimmte zu finden.
Für das Gebiet der Konvulsionen stehen insgesamt 323 Arzneien zur Verfügung, für Kinder mit Anfällen sind es immerhin noch 80.
Es versteht sich von selbst, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Medikament nur in fachkundigen Händen liegen kann.
Von Experimenten mit homöopathischen Arzneien zur Eigentherapie ist daher abzuraten.

 

3. der Potenzierung der Arzneien
Durch schrittweise Verdünnung und Verschüttelung einer Arznei wird erreicht, dass dem kranken Organismus ein ganz fein dosierter Reizanstoß gegeben werden kann und dennoch die Reizinformation erhalten bleibt.
Die Verdünnungsschritte werden in sog. Potenzen ausgedrückt (Dezimal- oder D-Potenz: 1:10 Verdünnung; Centesimal- oder C-Potenz: 1: 100 Verdünnung; LM- oder Q-Potenz: 1: 50 000 Verdünnung).
Homöopathische Konstitutionsmittel arbeiten mit Q-Potenzen. Die Suche nach dem richtigen Konstitutionsmittel ist mit der schwierigen Frage verbunden: „Was ist das für ein Mensch/für ein Kind?“ „Was unterscheidet dieses Kind ganz besonders in seiner Persönlichkeit von anderen?“ Sie werden eingesetzt, um die individuelle Entwicklung günstig zu beeinflussen.
Bei Kindern werden homöopathische Medikamente meist in Form der sog. Globuli verabreicht. Dies sind kleine weiße Kügelchen aus Saccharose, die auf ihrer Oberfläche die Arzneimittelinformation tragen. Kinder nehmen diese süße Medizin meist gerne ein.

 

Am von Haunerschen Kinderspital hat sich die kombinierte Vorgehensweise bei der Behandlung von Krankheiten inzwischen etabliert.
Niemand möchte dort mehr die heilende Wirkung der nebenwirkungsfreien und aus natürlichen Substanzen hergestellten homöopathischen Medikamente missen. Sie werden jeweils zusätzlich zu den schulmedizinisch verordneten Medikamenten verabreicht: um deren Wirkung zu unterstützen, deren Verträglichkeit zu erhöhen und Heilungsprozesse spezifisch zu fördern.

 

Homöopathiebegleitete Behandlungen finden am von Haunerschen Kinderspital in allen Klinikabteilungen statt: auf der Früh- und Neugeborenenstation, auf der Station für krebskranke Kinder, in der Kinderchirurgie usw., also im gesamten stationären und ambulanten Bereich.
Auch in der neuropädiatrischen Abteilung werden die homöopathischen Medikamente in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Neuropädiater zusätzlich angewandt.
Niemals darf eine bestehende Therapie mit Antiepileptika abgesetzt werden.
Die Anfallsmedikamente der Schulmedizin sollen zusammen mit den homöopathischen Arzneien die Verminderung von Anfällen, bis hin zur Anfallsfreiheit herbeiführen.

 

Am Ende ihres Vortrags schilderte Frau Dr. Kruse die Fallgeschichte des zweijährigen Leo.
Dieser bot das dramatische Krankheitsbild einer fokalen Epilepsie mit bis zu neun sekundär generalisierten Krampfanfällen pro Tag. Im Status epileptikus bedurfte er einer intensiv-medizinischen Behandlung.
In dieser Situation wurde Frau Dr. Kruse von dem behandelnden Oberarzt hinzugezogen. In kollegialer Zusammenarbeit konnte seit August 2006, Anfallsfreiheit erreicht werden. Leos Eltern können sich inzwischen wieder über seine gute Gesamtentwicklung freuen.

 

Foto:das Publikum folgte sehr zahlreich der Einladung des EEG-Teams Fürth zum Elternabend „Homöopathie“ am 30.11.06Während der lebhaften Diskussion stellte sich Frau Dr. Kruse geduldig allen Fragen und widmete sich auch im Anschluss noch den individuellen Anliegen von Eltern.
Das Epilepsieteam der Fürther Klinik für Kinder und Jugendliche möchte Frau Dr. Kruse dafür auch an dieser Stelle nochmals herzlich Danke sagen.

 

Das Schlusswort gebührt den von Epilepsie betroffenen Eltern und Kindern:
Ein Elternpaar berichtete von seiner epilepsiekranken Tochter, die wegen ihrer schweren Behinderung nicht selbst aktiv an ihrer homöopathisch begleiteten Behandlung mitwirken kann. Erst nachdem zu der bestehenden antiepileptischen Therapie, ein homöopathisches Konstitutionsmittel gefunden werden konnte, das die Anfallskrankheit als zur Persönlichkeit des Mädchens zugehörig anerkannte, besserte sich ihr Befinden.


Ruth Wagner (Dipl.-Psych. an der KfKJ, Fürth)

 

Kontakt zum EEG-Team der Klinik f. Kinder und Jugendliche Fürth:
Ambulanz f. anfallskanke Kinder
Jakob-Henle-Str. 1
90766 Fürth
Tel. EEG-Ambulanz: 0911 – 7580 3027

 

Kontakt zu Frau Dr. Kruse, Dr. von Haunersches Kinderspital/München per E-Mail: Öffnet ein Fenster zum Versenden einer E-Mailsigrid.kruse(at)med.uni-muenchen.de

 

Weitere Infos über der Verein GLObulus e.V. unter Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.globulus.org