Depressionen bei Epilepsie

„Nach jedem Anfall traue ich mir über Wochen nichts mehr zu":

 

Über einhundert Interessierte folgten der Einladung der EpilepsieBeratung in München, die im November 2008 ein Symposion zum Thema "Epilepsie und Depression" ausrichtete.

Obwohl die Depressionen die häufigste Form einer psychiatrischen Zusatzerkrankung bei Menschen mit Epilepsie darstellen, werden sie häufig nicht erkannt und oft erst spät sowie unzureichend behandelt. Hierfür gibt es verschiedene Gründe:

 

  • Depressionen werden vom Arzt spät oder gar nicht erkannt, weil sie sich in ihrer Form von klassischen Depressionen unterscheiden.
  • Patienten stellen psychiatrische Symptome oft nicht in den Vordergrund aus Angst, hierdurch noch stärker stigmatisiert zu werden.
  • Behandelnde Ärzte fragen oft nicht gezielt nach depressiven Symptomen, weil der Schwerpunkt der Behandlung auf der neurologischen Grunderkrankung liegt.
  • Sowohl Patienten als auch Ärzte halten Symptome einer Depression für eine normale Folge einer chronischen Epilepsie.
  • Ärzte sorgen sich bei Einsatz von Antidepressiva vor anfallsfördernden Nebenwirkungen.

 

Da die depressiven Störungen sowohl als komorbide Erkrankungen (zusätzlich vorliegend) sowie als Folge der antiepileptischen Medikation als auch in Form einer Reaktion auf die vielfältigen psychosozialen Veränderungen vorliegen können, gestaltet sich die Differentialdiagnose oftmals sehr schwierig.

Multikausale Ursachen der Depression

 

Demzufolge sollte auch die Therapie der Depressionen den verschiedenen Einflussfaktoren gerecht werden. Vor jeder Behandlung müssen die vielfältigen depressiven Symptome sorgfältig erhoben werden. Zu Ihnen zählen zum Beispiel melancholische Verstimmungen, Mangel an Energie, Gereiztheit, diffuse Schmerzzustände, unruhiger Schlaf, Ängste aber auch Zustände feierlicher Gehobenheit. Nach der genauen Überprüfung der Antiepileptika, einer zusätzlichen Einleitung von Antidepressiva oder der Vagusnervstimulation stellt die psychotherapeutische Behandlung der Beschwerden einen wichtigen Baustein dar. Durch wissenschaftlich begründete Verfahren können hier mit Hilfe der Verhaltenstherapie insbesondere die vielschichtigen psychosozialen Probleme, die sich durch die Erkrankung ergeben, behandelt werden.

Bei Frau S. einer 61jährigen Hausfrau, die seit vielen Jahren unter therapieresistenten Anfällen ohne Vorwarnzeichen litt, führte die Erkrankung zu einem verstärkten sozialen Rückzug und einer Reduktion angenehmer Erfahrungen und Erfolgserlebnissen. Die depressiven Stimmungseinbrüche von Frau S. waren vor dem Hintergrund der Erkrankung sehr gut nachvollziehbar. Im Rahmen der Verhaltenstherapie wurde zunächst versucht eine Alltagsstrukturierung aufzubauen sowie Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte zu reaktivieren. Im nächsten Schritt wurde Vermeidungsverhalten (z. B. nicht mehr Einkaufen gehen) abgebaut, indem Frau S. in Rollenspielen übte, über ihre Erkrankung zu sprechen und Andere besser hierüber zu informieren. Ebenfalls wichtig war eine Veränderung der selbstabwertenden Gedanken („Ich fühle mich schuldig an dieser Erkrankung!“). Durch die genannten Therapieschritte gelang es Frau S. zunehmend, die depressive Stimmung zu verbessern sowie die Erkrankung eher akzeptieren und Unterstützung einfordern zu können.

Zusammenfassend zeigt die Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema, dass ein großer Handlungsbedarf besteht und Depressionen bei Menschen mit Epilepsie stärker in den Behandlungsmittelpunkt gerückt werden sollten. Auch Angehörige sollten Patienten ermutigen, Hilfe aufzusuchen und gemeinsam die depressiven Veränderungen als Krankheitsfolge und nicht etwa als mangelnde Anstrengungsbereitschaft verstehen.

Dr. Susanne Jürgensmeyer, München