Themenabend Schule

Von links: Dr. Markus Wolff, Wolfgang Pusch, Cornelia Springmann, Jörg Meyer und Dr. Karl Theodor Kleinschmidt

Die SHG F.A.K.T. (Familien Anfallskranker Kinder Tübingen) und der Förderverein Kinder-Epilepsieambulanz Tübingen haben am 22. September 2011 zu einem Themenabend „Epilepsie und Schule“ eingeladen. In den Räumen der AOK trafen sich 72 interessierte Zuhörer, um sich von Dr. Markus Wolff (Neuropädiater), Cornelia Springmann (Kinderkrankenschwester und Epilepsie-Beraterin), Jörg Meyer (Lehrer an der staatlichen Schule für Kranke) - alle drei am Universitätsklinikum Tübingen - und Wolfgang Pusch (Schulrat aus Biberach) über rechtliche, medizinische und vor allem praktische Aspekte informieren zu lassen und individuelle Probleme zu diskutieren. Moderiert wurde der Abend von Dr. Karl Theodor Kleinknecht, Mitglied im Förderverein Kinder-Epilepsie-Ambulanz, der selbst einen Sohn mit Epilepsie hat.

Dr. Wolff gab zunächst eine kurze Einführung zum Thema Epilepsie bei Kindern - er wies darauf hin, dass die Tatsache, dass ein Kind epileptische Anfälle habe, nicht automatisch den Besuch einer Förderschule nach sich ziehe. Die Schulwahl solle sich an den Fähigkeiten des Kindes orientieren und nicht an den Vorbehalten der Lehrer gegenüber der Erkrankung. Gute Aufklärung sei das A und O für alle Beteiligten. Die psychosozialen Folgen durch mögliche Vorbehalte, Ängste, Unwissenheit und Vorurteile seien für die Kinder oft wesentlich schwerwiegender als die Anfälle selbst.

Frau Springmann berichtete über die praktischen Erfahrungen, die sie bei der Betreuung der Familien nach der Diagnose gemacht hat. Sie rät zu individueller Information der Lehrer über die spezielle Epilepsieform des Schülers. Individuell sollte auch die Aufklärung der Mitschüler und anderen Eltern erfolgen. Falls notwendig, sei eine Unterweisung in der Anwendung der Notfallmedikamente durchzuführen, wobei Frau Springmann bei Schulkindern von der rektalen Gabe abrät, denn es gäbe Alternativ-Präparate, die in den Mund oder über die Nase gegeben werden könnten.

Lehrer Jörg Meyer wies auf die immer wiederkehrende Frage nach der rechtlichen Absicherung für Lehrkräfte bei der Medikamentengabe hin. Mit der (schriftlichen) Ermächtigung der Eltern und der erforderlichen Instruktion seien die Lehrer verpflichtet, verordnete Medikamente zu verabreichen oder an die Einnahme zu erinnern: „In Notsituationen falsch zu handeln ist besser als nicht zu handeln!“ Bei Beeinträchtigungen des Kindes im Unterricht durch die Erkrankung könne im Einzelfall ein Nachteilsausgleich gewährt werden, der individuell festgelegt werde. Dazu sei ein ärztliches Attest notwendig. Zusätzlich verwies Herr Meyer auf die Internetseite der Schule für Kranke: www.klinikschule-tübingen.de. Dort sind die Unterlagen der letzten Fortbildung „Chronisch kranke Kinder im Unterricht“ erhältlich. Auch bietet das Schulamt Tübingen eine Fachberatung zu diesem Thema an.

Schulrat Wolfgang Pusch wies darauf hin, dass es bei Schülern mit Epilepsie an Regelschulen eine gewisse Dunkelziffer gäbe, da nicht alle Eltern die Schule informierten. Zusätzliche Unterstützung im Schulalltag für Kinder und Lehrer, z. B. durch Sonderpädagogen, erfordere aber eine Offenlegung der Erkrankung. Eine Informationspflicht für die Eltern gäbe es allerdings nicht. Ein schriftliches Protokoll der Vereinbarungen zwischen Schule und Eltern bzgl. der Anfallsform, der Medikamentengabe, der Informationsweitergabe an andere Lehrer, Eltern, Mitschüler etc. hält Schulrat Pusch für sehr sinnvoll, auch als Absicherung für die Lehrer. Dieses Protokoll solle immer wieder erneuert werden, wenn sich etwas verändere (Lehrerwechsel. Änderung der Anfallssituation etc.).

Im Anschluss an die Vorträge stellten sich die Referenten den Fragen des Publikums und erläuterten z. B. das Vorgehen bei der Beantragung des Nachteilsausgleichs, die Frage der Einzelbetreuung im Schwimmunterricht und ganz individuelle Themen, wie Entwicklungsverzögerungen, neu auftretende Anfälle in der Pubertät, etc.

Frau Springmann machte den Anwesenden das Angebot, bei Bedarf in die Schule zu kommen und über Epilepsie zu informieren. Dr. Kleinknecht beschloss den Abend und wünschte den Teilnehmern eine gute Heimfahrt.

Gaby Niederwieser, SHG F.A.K.T.

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