Eltern-Sorgen

Der Fragebogen zu elterlichen Sorgen bei Epilepsien im Kindes- und Jugendalter – Ergebnisse einer Pilotstudie

Wenn ein Kind an Epilepsie erkrankt, kommen auf die ganze Familie eine Reihe von möglichen Belastungen und Herausforderungen zu. Insbesondere Kinder, die von schweren und häufigen Anfällen betroffen sind, stellen große Ansprüche an die seelischen und körperlichen Kräfte der Eltern, besonders der Mütter. Wissenschaftliche Studien zeigen zum Beispiel, dass Eltern eines an Epilepsie erkrankten Kindes über einen hohen Stresslevel berichten und dass Mütter von Kindern mit Epilepsie ein erhebliches Risiko haben, an einer klinischen Depression zu erkranken.

Aber auch wenn Kinder einer gut behandelbaren Form der Epilepsie erkrankt sind, berichten Eltern über erhebliche Belastungen. Dies zeigte sich im Rahmen der Entwicklung der Epilepsieschulung FLIP & FLAP.

Diese Schulung, die in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Campus Lübeck entwickelt wurde, richtet sich an weitgehend altersentsprechend (da erste Lese- und Schreibfertigkeiten erforderlich sind) entwickelte Kinder und Jugendliche mit Epilepsie und deren Eltern.

 Epilepsieschulung FLIP&FLAP

Inhalte der Schulungen für Kinder und Jugendliche

Modul 1: Anleitung zur selbständigen Medikamenteneinnahme

Modul 2: Was ist Epilepsie?

Modul 3: Anfallsarten und Auslöser

Modul 4: Klinische Untersuchungsmethoden

Modul 5: Wie erkläre ich anderen meine Epilepsie?

Modul 6: Wie reagiere ich auf Hänseleien? (aggressive Ausgrenzungen)

Modul 7: Epilepsie und Freizeit

Inhalte der Schulungen für Eltern

Modul 1: Grundlagen der Epilepsie

Modul 2: Grundlagen und Arzt-Patient-Verhältnis in der Epilepsiebehandlung

Modul 3: Wie erlebe ich die Epilepsie meines Kindes?

Modul 4: Wie gehe ich außerhalb meiner Familie mit der Krankheit meines Kindes um?

Modul 5: Wie kann ich mein Kind bei der selbständigen Medikamenteneinnahme unterstützen

 


Befragungen von Müttern und Vätern bei der Entwicklung der Schulung ergaben, dass der Hauptbelastungsfaktor für die meisten Eltern nicht im alltäglichen Management der Erkrankung lag, sondern in innerpsychischen Faktoren wie erhöhter Ängstlichkeit, Sorgen um die Ausgrenzung und Stigmatisierung sowie um die Zukunft des Kindes. Außerdem berichteten die Eltern über Unsicherheiten bei Erziehungsfragen, z. B. Unsicherheit, inwieweit das Kind im Alltag kontrolliert werden muss oder selbständig sein kann. Diese Sorgen bestanden weitgehend unabhängig von der Schwere der Erkrankung und gingen auch nach erreichter Anfallsfreiheit nur sehr langsam zurück.

Viele Eltern hatten außerdem den Eindruck, dass von ärztlicher und pflegerischer Seite die emotionale Belastung unterschätzt wird, die es mit sich bringt, ein Kind mit einer - auch mit einer medikamentös behandelbaren - Epilepsie zu haben. Anscheinend besteht bei Kindern mit relativ gut behandelbarer Epilepsie eine gewisse Diskrepanz zwischen der medizinischen Schwere der Erkrankung und der emotionalen Belastung der Eltern. Während im Kontext der ärztlichen Sichtweise der in den meisten Fällen günstige Verlauf und die relativ gute Behandelbarkeit der Epilepsie des Kindes im Vordergrund stehen, wird häufig unterschätzt, wie traumatisch die Erfahrung des Anfallsgeschehen für die Eltern ist und wie groß die emotionalen Verunsicherungen sein können.

Die emotionale Belastung und Verunsicherung kann sich negativ auf das Krankheitsmanagement auswirken. So kann die befürchtete Stigmatisierung des Kindes unter Umständen dazu führen, dass die Krankheit nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern sogar dem Kind gegenüber verheimlicht wird; und die traumatisierende Erfahrung des Anfallserlebens führt bei vielen Eltern zur Überbehütung und dazu, das Selbstständigkeitspotenzial ihrer Kinder zu unterschätzen.

Auf der Grundlage dieser Befragungen bei der Entwicklung von FLIP & FLAP und der Auswertung von Erfahrungen von Eltern im Rahmen eines früheren Forschungsprojektes zu Belastungen von Eltern mit chronisch-kranken Kindern wurde für die Evaluation (= wissenschaftlichen Bewertung) der Epilepsieschulung FLIP & FLAP ein Fragebogen entwickelt, der die elterlichen Sorgen bei Epilepsien im Kindes- und Jugendalter erfassen sollte. Die Fragen beziehen sich auf Sorgen über das Anfallsgeschehen, die Entwicklung und soziale Inklusion des Kindes.

Der „Fragebogen zu elterlichen Sorgen bei Epilepsie im Kindes- und Jugendalter“ hat 13 Fragen, die in 2 Skalen zusammengefasst werden:

  1. Sorgen über die Erkrankung und Behandlung (5 Fragen)und
  2. Sorgen über die Entwicklung des Kindes (8 Fragen).

 

 Fragebogen zu elterlichen Sorgen bei Epilepsie im Kindes- und Jugendalter

Wie oft machen Sie sich wegen der Epilepsie Ihres Kindes Sorgen ...

nie

selten

manch-mal

oft

immer

... dass Ihr Kind seelisch belastet ist? 



... um die Schulleistungen?






... dass andere Kinder es ausschließen?






... dass Ihr Kind bei einem Anfall ernsthaft zu Schaden kommen könnte?






... dass Ihr Kind die Medikamente richtig einnimmt?







Die Evaluation wurde als multizentrische kontrollierte Längsschnittstudie durchgeführt. 153 Eltern (77 Interventions-, 76 Kontrollgruppe) beantworteten den Fragebogen; zur Erfassung der Änderungssensitivität wurden die Daten der Nachbefragung der Interventionsgruppe (72) nach 6 Monaten ausgewertet.

Ein größeres Ausmaß an elterlichen Sorgen ging mit einer ausgeprägteren depressiven Symptomatik, ausgeprägteren Aufmerksamkeitsstörungen und geringeren Lebensqualität beim erkrankten Kind einher sowie mit einer höheren allgemeinen familiären Belastung.

Außerdem konnte in der Evaluationsstudie gezeigt werden, dass Eltern, die an der FLIP & FLAP-Schulung teilgenommen hatten, sich 6 Monate nach der Schulung weniger Sorgen machten als vor der Schulung und weniger Sorgen als die Kontrollgruppe, die nicht an der Schulung teilgenommen hatte.

Aus den Ergebnissen können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:

  • Der „Fragebogen zu elterlichen Sorgen bei Epilepsie im Kindes- und Jugendalter“ hat sich als zuverlässig und sensitiv für die Messung von Therapieveränderungen gezeigt und kann für den Einsatz in weiteren Studien empfohlen werden.
  • Die Teilnahme an Schulungsmaßnahmen wie der Epilepsieschulung FLIP & FLAP kann die emotionale Belastung von Eltern reduzieren und damit günstigere Voraussetzungen für einen angemessenen Umgang mit der Epilepsie ihres Kindes schaffen.


E. Müller-Godeffroy, U. Thyen

Kontakt:

Informationen zum Fragebogen zu elterlichen Sorgen bei Epilepsie im Kindes- und Jugendalter:
Esther Müller-Godeffroy
Universität zu Lübeck, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Esther.Mueller-Godeffroy(at)uksh.de

Informationen zur Epilepsieschulung FLIP & FLAP:
Sabine Jantzen
Englischviertelstr.39
8032 Zürich
Schweiz
Sabine.Jantzen(at)hotmail.com
www.epilepsieschulung.de