Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl

Sandra Roth
Verlag Kiepenheuer & Witsch
1. Auflage April 2013
272 Seiten
ISBN-Nr. 978-3462045666
€ 18,99 Gebundene Ausgabe

Im 9. Monat schwanger erfahren die Autorin Sandra Roth und ihr Mann von der Gefäßmissbildung ihrer Tochter, die das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt (Vena Galeni-Malformation). Die Ärzte können nicht vorhersagen, welche Konsequenzen dies für Lottas Entwicklung haben wird. „Lotta ist eine Wundertüte“, sagt der Arzt. „Man weiß nie, was drin ist“.

Herausgerissen aus der bisher „normalen“ Welt müssen sich beide im Laufe von Lottas Entwicklung mit ihrem geplatzten Lebenstraum und den vielen daraus entstehenden Fragen auseinandersetzen: Wie lebe ich mit einem behinderten Kind? Wie reagieren Freunde, Nachbarn, Kollegen? Was macht das Leben lebenswert? Wie wird Lottas Zukunft aussehen? Was bedeutet Inklusion?

Authentisch und mit viel Humor, offen und ehrlich schildert Sandra Roth Lottas erste drei Jahre, die mit spastischer Cerebralparese, der Entdeckung einer Sehbehinderung und dem Auftreten einer Epilepsie mit unzähligen Grand mal-Anfällen viele schlechte Nachrichten bereithalten - aber auch unglaubliche Glücksmomente mit einer Lotta, die lernt zu stehen, zu tasten und zu lächeln. Lotta Wundertüte eben.

Wir erleben ein Kind, das mit 2 Jahren nichts von dem kann, was der Pflegedienst in seinen Formularen ankreuzen will, nicht alleine sitzen, nicht krabbeln, nicht robben, nicht greifen. Lotta kann „nur“ schaukeln, tasten, die Albträume ihres zwei Jahre älteren Bruders verjagen, wenn sie bei ihm schläft, richtig gut zuhören und Geheimnisse für sich behalten oder wunderschön lächeln und liebhaben. So viele Dinge, die wir oft für selbstverständlich halten und die doch so wichtig sind im Leben.

Und wir lernen, dass Eltern behinderter Kinder nichts Besonderes sind, nichts Besonderes sein wollen, keinen Heiligenschein tragen, die lachen, weinen, schreien, wütend sind und Witze über ihr Leben machen, auch mal schlechte :-) - ganz normal eben wie alle anderen auch.

Ein Buch, das Mut macht, nie die Hoffnung im Leben zu verlieren, das jeder lesen sollte, für den die Begriffe Pränataldiagnostik und Inklusion nicht nur Schlagworte bleiben wollen, das Verständnis und Verstehen füreinander weckt.

Ich hoffe nur, Sandra Roth lässt uns mit einem weiteren Band an Lottas Leben teilhaben und erzählt uns, ob der Antrag auf einen Integrationshelfer im Kindergarten schließlich Erfolg hat, ob Lotta ihr perlendes Lachen wiederfindet, das nach dem Auftreten der Epilepsie verschwindet und ob ihr Bruder Ben, der auch gerne einen Rollstuhl hätte, weil man dann nicht selber laufen muss, nun lieber einen Hund oder noch ein Geschwisterchen bekommt.

Fazit: Uneingeschränkt empfehlenswert!

DorisWittig-Moßner, Nürnberg

 

 

Wir sind unser Gehirn: Wie wir denken, leiden und leben

Dick Swaab
Droemer Verlag, München
1. Auflage Oktober 2011
512 Seiten
ISBN-Nr. 978-3426275689
€ 22,99 gebundene Ausgabe
ISBN-Nr. 978-3426785133
€ 12,99 Taschenbuch (November 2013)

„Die Geschichte eines jeden Menschen ist die Geschichte seines Gehirns. Sie beginnt prägend im Mutterleib und setzt sich fort in Kindheit und Pubertät bis ins hohe Alter“. Diese Aussage steht im Klappentext des oben genannten Buches und wird untermauert durch eine Fülle von wissenschaftlichen Informationen. Diese sind auf 500 Seiten in 22 Kapiteln, die größtenteils auch für interessierte Nichtmediziner verständlich geschrieben sind, verteilt.

Das weit umfassende Informationsspektrum beschäftigt sich u. a. mit den einzelnen Entwicklungsphasen des Gehirns, dem Bewusstsein, dem Gedächtnis, dem freien Willen und Moralverhalten sowie Problematiken wie Alzheimer, Autismus, Schizophrenie und Suchtmittel. Auch so interessante und vielschichtige Themen wie Aggression, Neurotheologie (Gehirn und Religion), Geist und Seele sowie der Tod und die Evolution werden ausführlich behandelt. Im anschließenden Glossar werden Kurzerklärungen gegeben, z. B. zu Alzheimer-Cafés, über Hirnscans, Geschwind-Syndrom, locked-in-Syndrom, Neuronen, Psychosen, Synapsen, Wachkoma und Xenotransplantation.

Der Autor, der 1944 geborene Dirk Swaab, gilt als einer der führenden Hirnforscher. Er war Professor für Neurobiologie an der Universität Amsterdam und 30 Jahre lang Direktor des Niederländischen Instituts für Hirnforschung. Für seine Arbeiten erhielt Dirk Swaab zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Neben seinen wissenschaftlichen Publikationen schreibt er für Zeitungen und Zeitschriften.

„Wir sind unser Gehirn“ ist nicht nur ein populäres Standardwerk, es ist außerdem spannend zu lesen. Es legt dar, welch entscheidende Bedeutung das Gehirn in allen Lebensphasen für unser Verhalten hat.

Resümee: faszinierend und absolut empfehlenswert!

Christa Bellanova, Nürnberg

 

 

Drachen, Doppelgänger und Dämonen: Über Menschen mit Halluzinationen

Oliver Sacks
Rowohlt
1. Auflage März 2013
352 Seiten
ISBN: 978-3498064204
€ 22,95 Gebundene Ausgabe
ISBN: 978-3499629723
EUR 9,99 Taschenbuch (Juni 2014)

Oliver Sacks, Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Columbia University, hat schon zahlreiche Bücher über Menschen mit neurologischen Problemen geschrieben. Immer wieder schafft er es, die Welt der Betroffenen einfühlsam und nachvollziehbar darzustellen. Sein neues Buch, das im Englischen schlicht „Hallucinations" heißt und in der deutschen Version etwas reißerischer „Drachen, Doppelgänger und Dämonen“, beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Krankheitsbildern, die mit Halluzinationen einhergehen, aber auch damit, wie durch Reizentzug oder Drogen Halluzinationen erzeugt werden können.
Dabei schlägt Sacks den Bogen von frühen Berichten bis in die heutige Zeit. Ein Kapitel hat er komplett dem Thema Halluzinationen bei Epilepsie gewidmet, in dem er neben eigenen Patienten auch auf die Epilepsie des Schriftstellers Dostojewski und der Johanna von Orleans eingeht. Er schildert außerkörperliche Erfahrungen, religiöse Ekstase, visuelle, auditive, sensorische, z. T. sehr komplexe Halluzinationen, über die seine Patienten und die seiner Kollegen berichtet haben. Dabei stellt er immer wieder den Bezug zu den Krankheitsbildern, den körperlichen Besonderheiten wie z. B. einem Tumor im Temporallappen her.
Sprachlich ist das Buch an manchen Stellen nur mit medizinischen Kenntnissen oder Google lesbar, auch die vielen, wie üblich bei Sacks ziemlich langen Fußnoten, hemmen etwas den Lesefluss.
Nichtsdestotrotz ist es ein spannender, interessanter Ausflug in die Welt der Halluzinationen und durchaus lesenswert, für diejenigen, die sich für Neurologie interessieren.

Susanne Fey, Wuppertal