(Un-)Regelmäßige Medikamenteneinnahme

Was kann man tun, um seine Medikamente nicht zu vergessen und was sollte man tun, wenn man sie mal vergessen hat

Wer nie über einen längeren Zeitraum Medikamente einnehmen musste, weiß nicht, wie schwierig es ist, regelmäßig an die Einnahme zu denken und Einnahmefehler zu vermeiden. Deshalb verwundert es nicht, dass „Non-Compliance“ oder „Non-Adhärenz“, worunter im Folgenden die unregelmäßige Einnahme der Medikamente verstanden werden soll, ein häufiges Problem bei allen chronischen Krankheiten und auch bei Epilepsie ist. In der Literatur wird berichtet, dass ca. 30  bis 50 % der Epilepsie-Patienten zumindest gelegentlich ihre Medikamente unregelmäßig einnehmen.

Im Unterschied zu anderen Krankheiten kann „Non-Compliance“ bei Epilepsie gravierende Konsequenzen haben, wenn nämlich nach längerer Anfallsfreiheit dadurch wieder ein Anfall „durchbricht“ (engl. „breakthrough seizure“) und dann z. B. für einige Zeit das Auto stehen bleiben muss. Wie auch eine aktuell erschienene Studie aus Norwegen* zeigt, sind solche prinzipiell vermeidbaren Anfälle wahrscheinlich häufiger als gedacht: Bei fast 40 % von 282 Epilepsie-Patienten, die wegen Anfällen notfallmäßig in eine Klinik aufgenommen wurden, war eine unregelmäßige Einnahme ihrer Medikamente anhand der Antiepileptika-Konzentrationen im Blut nachweisbar. Bemerkenswert war auch, dass 44 % der Patienten mit nachgewiesener unregelmäßiger Einnahme glaubten, dass sie ihre Antiepileptika regelmäßig eingenommen hätten. Offensichtlich war ihnen entgangen, dass sie die Einnahme der Antiepileptika vergessen hatten.

Ergebnisse einer Befragung von Epilepsie-Patienten zur Einnahmesicherheit

In einer kürzlich abgeschlossenen Studie, die in Kooperation mit der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz und drei Epilepsie-Schwerpunktpraxen sowie mit finanzieller Unterstützung durch die Firma Desitin Arzneimittel GmbH durchgeführt wurde, hatten wir insgesamt 227 Epilepsie-Patienten gefragt, wie sie ihre Antiepileptika einnehmen. Insbesondere wollten wir wissen, wie sie sich davor schützen, die Einnahme nicht zu vergessen und was sie tun, wenn sie bemerken, dass sie eine Einnahme vergessen haben. Ferner wurden sie danach gefragt, was aus ihrer Sicht die regelmäßige Medikamenten-Einnahme erschwert.

Was tun Patienten, um die Einnahme ihrer Medikamente nicht zu vergessen?

Die meisten Patienten (65 %) nahmen die Antiepileptika immer zu festen Uhrzeiten ein und 46 % immer bei bestimmten Tätigkeiten/Gewohnheiten, z. B. Frühstück, Abendbrot (Doppelnennungen waren möglich). Fast 70 % der Patienten aus den Epilepsie-Schwerpunktpraxen benutzten Erinnerungsstützen, am häufigsten Tablettenboxen, oder andere Hilfsmittel. Bei den Patienten aus den Apotheken waren es hingegen nur 46 %, was darauf hindeutet, dass die Patienten in den Epilepsie-Schwerpunktpraxen gezielt zu Einnahmehilfen beraten wurden.

Was tun Patienten, wenn sie bemerken, dass sie die Einnahme der Medikamente vergessen haben?

Wenn Patienten bemerkten, dass sie eine Dosis vergessen hatten, nahmen 45 % die vergessene Dosis nicht nachträglich ein. Auffallend war, dass dies bei 71 % der älteren Patienten (> 60 Jahre) der Fall war. Möglicherweise bestehen insbesondere bei älteren Menschen Ängste, dass die nachträgliche Einnahme der vergessenen Antiepileptika-Dosis Nebenwirkungen verursachen könnte.

Was sind Hindernisse für eine regelmäßige Einnahme der Medikamente?

Als Hindernisse für eine regelmäßige Einnahme wurden am häufigsten „unterschiedliche Sorten von Tabletten“ (21 %), unangenehme Einnahme (15 %), Teilen der Tabletten (12 %) und Angst vor Nebenwirkungen (11 %) genannt. In der Gruppe der Patienten mit drei oder mehr Antiepileptika (n=27) wurde jedoch die Einnahme einer Mittagsdosis mit 44 % mit Abstand am häufigsten genannt. Im Zusammenhang mit der Angst vor Nebenwirkungen ist anzumerken, dass die weitaus meisten der Befragten die Verträglichkeit der Antiepileptika als sehr gut (43 %) oder gut (48 %) beurteilten.

Insgesamt hat die Befragung gezeigt, dass bei vielen Patienten Wissenslücken und Verordnungshemmnisse bestehen, die für die Einnahmesicherheit von Antiepileptika relevant sind.

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Was kann/sollte man tun, um die Sicherheit der Medikamenteneinnahme zu verbessern?

  • Es gibt eine Reihe von einfachen Verhaltensregeln und technischen Hilfsmitteln, z. B. Tablettenboxen, elektronische Wecker, Handy-Apps, etc., mit denen man selbst die Zuverlässigkeit seiner Medikamenteneinnahme verbessern kann. Viele der Befragten berichteten auch, dass sie manchmal unsicher seien, ob sie ihre Tabletten bereits eingenommen hätten. Hier kann insbesondere eine Tablettenbox hilfreich sein, da man mit einem kurzen Blick in die Box erkennen kann, ob man die entsprechende Dosis zu sich genommen hat.
  • Wenn man bemerkt hat, dass die Medikamenteneinnahme vergessen wurde, ist es in der Regel besser, die vergessene Medikamentendosis unverzüglich nachzunehmen, als diese wegzulassen. So kann der Anfallsschutz rasch wieder auf den erforderlichen Stand gebracht werden. Ängste, dass die nachträgliche Einnahme der vergessenen Antiepileptika-Dosis Nebenwirkungen verursachen könnte, sind zumeist unbegründet. Ist man sich unsicher, empfiehlt sich ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt.
  • Falls Hindernisse für eine zuverlässige Medikamenteneinnahme im Zusammenhang mit dem Therapieregime bestehen, ist im Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu klären, ob die Verordnung vereinfacht werden kann, z. B. durch Umstellung von drei Tagesdosen auf zwei Tagesdosen (Wegfall der Mittagsdosis), auf ein Retard-Präparat oder vielleicht ein Wechsel auf eine Monotherapie.
  • Falls Nebenwirkungen bemerkt oder vermutet werden, sollten diese mit dem Arzt besprochen werden. In Abhängigkeit davon, ob z. B. die Nebenwirkungen nur zu bestimmten Zeiten auftreten, könnte bereits eine Umverteilung der Tagesdosis oder die Umstellung auf ein Retard-Präparat hilfreich sein.


Wer kann beraten, wenn man Fragen zur Einnahmesicherheit hat?


Eine gezielte Beratung ist nützlich, um Schwierigkeiten mit der regelmäßigen Einnahme von Antiepileptika zu reduzieren und das Einnahmeverhalten zu optimieren. Primärer Ansprechpartner zu Fragen der Einnahmesicherheit ist der behandelnde Arzt, aber auch der Apotheker kann weiterhelfen, wenn z. B. eine Beratung zu Tablettenboxen gewünscht wird.

Dr. Ulrich Spechta und Prof. Dr. Theodor W. Mayb

a Epilepsie-Zentrum Bethel, Klinik Mara, Rehabilitationsklinik und Abt. für junge Erwachsene, Bielefeld
b Epilepsie-Zentrum Bethel, Gesellschaft für Epilepsieforschung e.V., Bielefeld