Wenn Medikamente an ihre Grenzen kommen

Die transkutane Vagusnervstimulation als alternative Therapiemöglichkeit bei pharmakoresistenten Epilepsien – Hintergründe und ein besonderer Fall


Bei der Behandlung epileptischer Anfälle spielen Medikamente zweifelsfrei die wichtigste Rolle. Als Therapieziel sollen sie es den Betroffenen ermöglichen, anfallsfrei zu leben – ein Ziel, das jedoch leider nur bei rund zwei Dritteln der Menschen mit Epilepsie gelingt. Wenn alle Versuche scheitern, mit einer medikamentösen Einstellung Anfallsfreiheit zu erzielen, bedeutet das für die Personen einen erheblichen Leidensdruck. An einen geregelten Alltag ist aufgrund der Anfälle kaum zu denken. Hier müssen andere Therapieoptionen geprüft werden – zum Beispiel die Möglichkeit einer Vagusnervstimulation. Die transkutane Vagusnervstimulation (t-VNS®) mit dem CE-geprüften Medizinprodukt NEMOS® ist eine innovative, nicht medikamentöse Therapieoption, die ohne einen operativen Eingriff auskommt und mit der bei vielen Patienten zumindest eine weitere Anfallsreduktion erreicht werden kann. Für eine junge Patientin der Uniklinik Bonn mit einer pharmakoresistenten Epilepsie hat sich diese Behandlung als eine große Chance erwiesen, sie wurde unter der t-VNS®-Therapie sogar anfallsfrei.

Rund ein Drittel der Epilepsien gelten als pharmakoresistent

Als optimale Behandlung epileptischer Anfälle gilt nach wie vor eine medikamentöse Monotherapie mit einem für die jeweilige Epilepsieform geeigneten Wirkstoff der ersten Wahl, etwa Levetiracetam, Lamotrigin oder Valproat. Mit der Ersteinstellung wird bei ca. 50 % der Patienten Anfallsfreiheit erzielt. Weitere rund 20 % erreichen dieses Therapieziel durch einen alternativen Wirkstoff oder eine medikamentöse Kombinationstherapie, d. h. die Einnahme von mindestens zwei Präparaten. Etwa 30 % der Epilepsie-Patienten können mit Medikamenten nicht ausreichend therapiert werden. Sie sind durch ihre Erkrankung stark eingeschränkt. Die ständige Ungewissheit, wann der nächste Anfall bevorsteht, bedeutet eine gravierende Einschränkung der Lebensqualität. Hinzu kommt die soziale Stigmatisierung, die mit dem Anfallsleiden einhergeht. Nicht wenige Betroffene verlieren dadurch ihren Lebensmut, leiden unter Depressionen oder Angststörungen. Ärzte bezeichnen die Epilepsien, bei denen mit Medikamenten keine Anfallsfreiheit erzielt werden kann, als „pharmakoresistent“.

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Auch eine 20-jährige Patientin, die bei Dr. von Wrede, geschäftsführende Oberärztin an der Klinik für Epileptologie an der Universität in Bonn, in Behandlung ist, leidet an einer pharmakoresistenten Epilepsie. Seit ihrem 11. Lebensjahr hatte sie generalisierte epileptische Anfälle, die medikamentös behandelt wurden. Gemäß allgemeiner Empfehlungen wurde zunächst versucht, sie mit dem Wirkstoff Lamotrigin als Monotherapie zu behandeln. Als dies keine ausreichende Wirkung hatte, kamen Kombinationstherapien zum Einsatz. Zuletzt war sie auf eine Dreifachkombination von Lacosamid, Pregabalin und Levetiracetam eingestellt. Doch auch die medikamentöse Dreifachtherapie konnte letztlich nicht verhindern, dass sie noch rund einmal pro Monat einen epileptischen Anfall erlitt. Es handelte sich um fokale sowie fokal eingeleitete sekundär generalisierte Anfälle. Begleitend litt die junge Frau an einer Angststörung, wegen der sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befand.

 

 

Eine mögliche Alternative bei pharmakoresistenten Epilepsien: die transkutane Vagusnervstimulation mit NEMOS®

Die transkutane Vagusnervstimulation als nebenwirkungsarme Therapieoption

Die transkutane Vagusnervstimulation ist eine nebenwirkungsarme Behandlungsoption, mit der Krampfanfälle reduziert werden können. Der Nervus vagus, der 10. Hirnnerv, verläuft im menschlichen Körper vom Gehirn bis hin zu den Bauchorganen. Wird er durch elektrische Impulse erregt, leitet er diese in das Gehirn weiter, sodass Krampfanfälle unterbunden werden können. Lange war die Vagusnervstimulation nur mittels eines operativen Eingriffs, der Implantation eines Stimulator-Geräts im Brustbereich sowie einer Elektrode im Hals möglich. Dies änderte sich mit der Markteinführung von NEMOS® im Jahr 2012. Das Gerät kommt ohne Implantation aus, da es den Vagusnerv nicht im Hals stimuliert, sondern die elektrischen Impulse an einen Ast des Nervs überträgt, der im Bereich der Ohrmuschel unter der Haut verläuft – den Ramus auricularis. Diese Reizweiterleitung funktioniert von außen durch die Haut: Die entsprechende Elektrode wird dafür einfach in das Ohr eingesetzt und wie ein Ohrhörer getragen. Die Ohrelektrode ist über ein Kabel mit einer Stimulationseinheit von der Größe eines Smartphones verbunden, welche die elektrischen Impulse sendet.

Die transkutane Vagusnervstimulation wird ergänzend zu den verordneten Medikamenten eingesetzt, und kann immer dann eine Behandlungsoption darstellen, wenn Versuche einer rein medikamentösen Therapie nicht ausreichen, um die epileptischen Anfälle ausreichend zu kontrollieren.

Auch die junge Frau, deren Anfallssituation trotz vieler Therapieversuche mit Antiepileptika in Mono- und in Kombinationstherapie mit zuletzt medikamentöser Dreifachtherapie unbefriedigend war und deren Epilepsie somit als pharmakoresistent bezeichnet wird, begann schließlich eine Therapie mit NEMOS®. Nach problemloser Einweisung in die Anwendung des Geräts konnte die Patientin dieses sofort selbständig bedienen.


Die t-VNS®-Therapie ist durch ihre diskrete Anwendungsform eine alltagstaugliche Therapiemöglichkeit, die den Patienten viel Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit ermöglicht. Die Stärke der elektrischen Impulse zur Stimulation des Vagusnervs wird durch die Anwender selbst an der Stimulationseinheit reguliert. Die Stimulation ist richtig eingestellt, wenn sie nicht schmerzhaft ist, jedoch ein Kribbeln oder Pulsieren im Ohr zu spüren ist.

Die empfohlene Stimulationsdauer beträgt insgesamt vier Stunden pro Tag im Wachzustand. Die vierstündige Stimulation kann dabei entweder am Stück oder über den Tag verteilt erfolgen. Bei der Verteilung der Anwendung über den Tag ist zu beachten, dass eine minimale Stimulationsphase von jeweils einer Stunde nicht unterschritten wird. Alle Stimulationsphasen werden automatisch auf dem Gerät aufgezeichnet, sodass die Patienten immer genau im Blick haben, wie lange sie schon stimuliert haben und wie viel Zeit noch fehlt, um das Tagesziel von vier Stunden zu erreichen.

Im Gespräch mit der Patientin sowie beim zusätzlichen Auslesen des Geräts wurde deutlich, dass sie die Anwendung problemlos durchführen und die täglich vierstündige Stimulationszeit einhalten konnte. Zu Beginn der Therapie bemerkte sie Missempfindungen im Bereich der Ohrmuschel, die jedoch im weiteren Verlauf wieder abklangen. Es traten keine weiteren Nebenwirkungen auf, die Therapie wurde gut vertragen.

Für wen ist die transkutane Vagusnervstimulation geeignet?

Die t-VNS®-Therapie ist für Personen geeignet, die von pharmakoresistenten Epilepsien betroffen sind. Die Entscheidung dafür sollte immer in Absprache mit dem behandelnden Neurologen erfolgen. Betroffene, die erstmals mithilfe von NEMOS® behandelt werden, können das Gerät zunächst gegen eine monatliche Gebühr von 100 Euro für die Dauer von sechs Monaten testen. Zeigt die Therapie während dieser Zeit nicht die gewünschte Wirkung, kann das Gerät wieder zurückgegeben werden, wobei die Kosten bis auf einen Grundbetrag in Höhe von 399 Euro zurückerstattet werden. Für Epilepsie-Patienten ist es wichtig zu wissen, dass die transkutane Vagusnervstimulation eine prophylaktische Langzeittherapie zur Vorbeugung epileptischer Anfälle darstellt und sich die volle Wirksamkeit meist erst nach mehreren Wochen oder sogar Monaten konsequenter täglicher Anwendung entwickelt.

Für die 20-jährige Epilepsie-Patientin stellte der Beginn ihrer Therapie mit NEMOS® einen Wendepunkt in ihrer Erkrankung dar. Als sie nach zwölfmonatiger Anwendungsdauer zur Kontrolle vorstellig wurde, hatte sie, mit Ausnahme eines einmaligen Ereignisses sechs Wochen nach Therapiebeginn, keine weiteren Anfälle mehr erlitten, war also seitdem anfallsfrei.

NEMOS® war für sie die entscheidende Therapieform, die ihr nach 9 Jahren medikamentöser Behandlung letztlich zu Anfallsfreiheit verholfen hat und damit ihr Leben mit der Erkrankung deutlich erleichtern konnte. Durch die nachweislich anhaltende Anfallsfreiheit unter fortgesetzter t-VNS®-Therapie konnte die Patientin ein großes Stück Lebensqualität und Freiheit zurückgewinnen und sich sogar den Traum erfüllen, den Mofaführerschein zu machen. Auch die Angststörung, die sich als Begleiterkrankung der Epilepsie manifestiert hatte, besserte sich deutlich.


Die t-VNS®-Therapie bietet bei pharmakoresistenten Epilepsien im allgemeinen eine Chance auf eine weitere Anfallsreduktion, in Einzelfällen kann darüber hinaus Anfallsfreiheit erreicht werden, wie der besondere Fallbericht veranschaulicht.

NEMOS® wird vom Erlanger Medizin-technikunternehmen cerbomed produziert und gemeinsam mit dem Hamburger Arzneimittelhersteller DESITIN, einem der führenden deutschen Unternehmen mit Arzneimitteln zur Behandlung von Epilepsien, vertrieben. Es ergänzt dessen Kompetenz auf diesem Gebiet um eine weitere wichtige Komponente mit einer zusätzlichen Therapieoption bei pharmakoresistenten Epilepsien.

Dr. Carola Schumacher,
Desitin Arzneimittel GmbH

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