„Zum Glück gibt es die 13“

Station für Menschen mit Epilepsie und geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus Rummelsberg

Entstehungsgeschichte der Station 13

„Essensuhr“ der Station 13 - wie andere Dinge auch den speziellen Bedürfnissen der hier aufgenommen Patienten angepasst

Nachdem im Krankenhaus Rummelsberg seit Jahrzehnten bereits eine orthopädische Station für Patienten mit Zerebralparese vorhanden war, begann im Jahr 2007 schrittweise die Weiterentwicklung zur „Interdisziplinären Station für Menschen mit Mehrfachbehinderung“. Im Oktober 2009 eröffnete auf der Station 13 zunächst der Teilbereich für Patienten mit Epilepsie und geistiger oder mehrfacher Behinderung mit 4 Betten. Aufgrund der starken Nachfrage und der langen Wartezeiten wurde die Bettenzahl sukzessive auf mittlerweile 9 Betten erhöht. Auf der „13“ betreuen im Umgang mit behinderten Menschen erfahrenes Pflegepersonal, Ärzte, Heilerziehungspfleger und Therapeuten die Patienten. Zudem unterstützen Logopäden, Psychologen und der Sozialdienst die Arbeit. Meist leiden die Patienten unter schwer behandelbarer Epilepsie in Kombination mit weiteren Therapieproblemen, wie Verhaltensstörungen oder orthopädischen Fragestellungen. Gerade bei zusätzlichen orthopädischen Problemen besteht eine enge Kooperation mit der Abteilung für Neuroorthopädie des Krankenhauses Rummelsberg, die ebenfalls auf der Station 13 beheimatet ist. Konnten 2009 rund 50 Patienten behandelt werden, profitierten 2016 bereits 150 Menschen mit Epilepsie und Behinderung von dieser einmaligen Kombination.

 

Warum ist eine Epilepsiestation mit dem Schwerpunkt der geistigen Behinderung in Zeiten der Inklusion sinnvoll?

 

Bis zu 26 % der Menschen mit geistiger Behinderung haben wiederholte epileptische Anfälle, das heißt die Epilepsie tritt hier bis zu vierzigmal häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Die Epilepsie ist somit eine der häufigsten Begleit-erkrankungen bei geistiger Behinderung. Neben epileptischen Anfällen können aber auch andere Bewegungsstörungen, psychogene Anfälle oder herausforderndes Verhalten auftreten. Diese können durchaus mit epileptischen Ereignissen verwechselt werden.

 

Deshalb gibt es bei Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung immer wieder diagnostische Schwierigkeiten und es bedarf mehr Zeit zur Diagnosefindung. Auf Stationen ohne Expertise im Umgang mit Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung und ohne entsprechende Personalressourcen kommt es schneller zu Konfliktsituationen und auch eher zu herausforderndem Verhalten seitens der Patienten, so dass der stationäre Aufenthalt unter Umständen vorzeitig abgebrochen werden muss.

 

Ein Beispiel: Ein junger Patient mit schwerer Intelligenzminderung wurde wiederholt nach Status epilepticus notfallmäßig in das Krankenhaus Rummelsberg eingeliefert. Die Hirnstromkurve (EEG) zeigte epilepsietypische Veränderungen, so dass alles für die Epilepsiediagnose sprach. Der Patient benötigte während des Aufenthaltes viel Zuwendung, tolerierte die Monitorüberwachung schlecht und fiel auf der Normalstation immer wieder durch vermehrtes Schreien und selbstverletzendes Verhalten auf.

Regelmäßige Visiten stehen natürlich auch auf der „13“ auf dem Plan

Im Rahmen einer geplanten Aufnahme auf Station 13 konnte dann durch Verhaltensbeobachtungen und Video-Aufzeichnungen geklärt werden, dass die als epileptischer Status beschriebenen Ereignisse psychogenen Anfällen entsprachen. Diese traten in der Einrichtung des Patienten immer dann auf, wenn für den Patienten unangenehme Situationen geschahen - zum Beispiel der Transport in die Förderstätte. Aufgrund dieser Erkenntnisse konnte die Einrichtung geschult werden, mit diesen Ereignissen umzugehen und die Zahl der Notaufnahmen in das Krankenhaus Rummelsberg reduzierte sich beträchtlich. Auch vereinfachte sich die Epilepsiemedikation.

 

Zur Vorbereitung des stationären Aufenthaltes findet meist eine Vorstellung in der von der DGfE (Deutschen Gesellschaft für Epilepsie) zertifizierten Epilepsieambulanz statt. Sollte die Diagnose ambulant nicht gesichert werden, können weitere apparative Untersuchungen - wie das Langzeit-EEG und Anfallsbeobachtungen - auf Station sinnvoll werden. Der Vorteil des Langzeit-EEGs (LZ-EEG) ist die Chance, einzelne Anfälle aufzuzeichnen und besonders im Schlaf ein nahezu störungsfreies EEG abzuleiten. LZ-EEGs werden nicht von allen Patienten gut toleriert, sind aber in einem auf die Patienten abgestimmten stationären Umfeld (spezielle apparative und personelle Ausstattung für Menschen mit geistiger Behinderung) häufig möglich. Neben einer ruhigen Atmosphäre und Einfühlungsvermögen durch geschultes Personal unterstützt bei sprachkompetenten Patienten der Einsatz leichter Sprache das Erklären der Untersuchungen. Eine Bildgebung mittels MRT, die gegebenenfalls auch in Kurznarkose durchgeführt werden kann, liefert wichtige Hinweise auf komplexe Fehlbildungen und kann unter Umständen die Vermutung einer perinatalen Hypoxie („frühkindlicher Hirnschaden“) widerlegen. Die Computertomographie spielt wegen der schlechteren Auflösung und der Strahlenbelastung eine untergeordnete Rolle und ist in der Regel der Notfalldiagnostik vorbehalten.

Eine genaue EEG-Befundung trägt zur Sicherung der Diagnose bei

Wie sieht die Behandlung bei Menschen mit Epilepsie und Mehrfachbehinderung aus?

Wie bei Patienten ohne Behinderung werden nicht-medikamentöse Maßnahmen zum Verhindern von epileptischen Anfällen empfohlen. Hierzu zählen zum Beispiel eine gleichmäßige Tagesstruktur, gleich bleibende Bezugspersonen, ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus sowie die Vermeidung nachvollziehbarer Auslöser für Anfälle. Dies wird bereits auf der Station praktiziert. Die Gabe von Medikamenten gegen epileptische Anfälle (Antikonvulsiva) bleibt für viele Patienten dennoch notwendig. Die genaue Kenntnis des Epilepsiesyndroms ist im Einzelfall für den Therapieerfolg und die Patientensicherheit wichtig.

 

Oberstes Ziel der antikonvulsiven medikamentösen Therapie ist prinzipiell die Anfallsfreiheit. Häufig ist es aber aufgrund der therapieschwierigen Epilepsie notwendig, andere Schwerpunkte in der Behandlung zu definieren. Am besten geschieht diese Definition in enger Abstimmung mit den Patienten (wenn möglich) und den Betreuern. Hauptziele können dann zum Beispiel eine Reduktion der Anfallsfrequenz, der Anfallsschwere oder der Anfallsdauer sein. Aber auch das Vermeiden von Verletzungen oder die Reduktion beziehungsweise das Vermeiden von Nebenwirkungen (wie Sedierung oder Verhaltensstörungen) können in den Vordergrund rücken. Dies erfolgt stets in gemeinsamer Absprache mit den Betreuern.

Weil geistig behinderte Patienten häufig nicht über unerwünschte Wirkungen berichten können, sind hier auch die Beobachtungen durch die Mitarbeiter der Station enorm wichtig. Hinter Antriebs-losigkeit, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, vermehrtem Erbrechen oder aggressivem Verhalten können sich typische Nebenwirkungen von Antikonvulsiva verbergen. Eine weitere Information bezüglich möglicher Überdosierungen können beispielsweise die Medikamentenspiegel liefern.

 

Im Fokus der medikamentös/ärztlichen Bemühungen bei der Epilepsietherapie sollten daher immer auch der jeweilige Allgemeinzustand und die individuelle Lebensqualität stehen. Dies gilt nicht weniger für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung und sollte niemals außer Acht gelassen werden. Gegebenenfalls führt eine Vereinfachung einer Kombinationstherapie zu einer dramatischen Verbesserung des Allgemeinzustandes. Eine Möglichkeit wäre z. B. das Absetzen eines nicht wirksamen Medikamentes oder die Dosisreduktion eines überdosierten Antikonvulsivums.

 

Fazit

Bezieht man bei Menschen mit Beeinträchtigung deren individuelle Fähigkeiten und Anforderungen mit in die Behandlung ein, können Diagnostik und Therapie erfolgreicher umgesetzt werden.

Dr. Frank Kerling, Rummelsberg

 

Kontakt:

 

Neurologische Klinik

Krankenhaus Rummelsberg

Dr. Frank Kerling

Leiter Abteilung konservative Epileptologie

Rummelsberg 71

90592 Schwarzenbruck bei Nürnberg

Tel.: 09128 5043162

frank.kerling(at)sana.de

www.krankenhaus-rummelsberg.de/leistungsspektrum/fachabteilungen/klinik-fuer-neurologie.html

 

 

 

Bilder – Quelle: KKH Rummelsberg