Guter Schlaf ist wichtig!

Guter Schlaf ist wichtig – für jedermann!
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Hilfsmittel und Intensivpflege bei schwer behandelbaren Epilepsien

 

Mein Sohn Tristan kam am 30. August 2002 als gesundes Kind zur Welt. Er war in seiner Entwicklung normal und besuchte den Regelkindergarten bereits im Alter von 2,5 Jahren. Tagsüber und nachts war er bereits trocken und brauchte keine Windel mehr. Nach ca. einem Jahr Kita erklärten mir die Erzieher, dass Tristan im Regelkitaalltag nicht mitkäme. Er ziehe sich zurück, spreche nicht und nehme an Angeboten nicht teil. Zu dieser Zeit wurden wir dann bereits von der Frühförderstelle betreut. Tristan hatte Ergotherapie und Physiotherapie, wo er laut Physiotherapeutin bereits ein „nasales Blitzzucken“ zeigen würde.

 

Tristan besuchte ab ca. 3,5 Jahren die SVE der G-Schule (= Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung). Mit 4 Jahren fiel er dort ohne ersichtlichen Grund um; das war rückblickend wohl sein erster Anfall. Daraufhin zeigte er immer wieder Serien von Anfällen, wobei ihm der Kopf auf die Brust fiel, so als ob er nicken würde. Schließlich wurde im Frühdiagnosezentrum der Uni-Klinik Würzburg die Diagnose Epilepsie gestellt und Tristan medikamentös eingestellt. Anfangs war die Diagnose für uns als Eltern eine Befreiung, denn wir dachten, dass eine Epilepsie gut behandelbar sei. Dass Tristan zu den wenigen Prozent der Betroffenen gehört, die als nicht einstellbar gelten, hätten wir uns nicht träumen lassen.

 

In den letzten 15 Jahren hat Tristan jede Anfallsform gezeigt, die es gibt. Seit ca. 8 Jahren haben wir Grand mal-Anfälle, tonische Anfälle, Nickanfälle. Er hat tagsüber und nachts zwischen 3 und 5 schwere Anfälle. Seit der Diagnose Epilepsie besucht Tristan das Zentrum für Körperbehinderte – mittlerweile in der Berufsschulstufe.

 

Inzwischen wissen wir auch, dass er einen Gendefekt hat und ich auch. Es ist nicht klar, ob dieser Defekt für sein Krankheitsbild verantwortlich ist. Seit 2018 haben wir die Diagnose Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS).

 

Tristan bekommt vier verschiedene Medikamente, hat einen Vagus-Nerv-Stimu-lator und macht die Ketogene Diät seit 2018.

Intensivpflege hat uns eine neue Lebensqualität geschenkt

Ärztlich angebunden sind wir an die Fachklinik Bethel, die sich seit 2018 dafür stark gemacht hat, dass wir aufgrund der Anfallssituation eine nächtliche Intensivpflege bekommen.

 

Bis dahin hatten wir mit einem Babyphone gearbeitet, ich schlief immer im direkt angrenzenden Zimmer mit offenen Türen. An Schlaf war für über 10 Jahre nicht zu denken. Anfangs hatten wir es auch mit dem Epicare-Gerät probiert (= Alarmgerät, bei dem ein Sensor unter der Matratze befestigt wird und tonisch-klonische Anfälle registriert). Dabei gab es damals jedoch sehr viele Fehlalarme, da Tristan ein sehr unruhiger Schläfer war.

 

Durch die nächtliche Intensivpflege gewannen wir extrem an Lebensqualität. Ich traute mich zu schlafen, denn ich wusste, dass eine Intensivschwester bereitstand, um Tristan zu versorgen. Der Intensivdienst hatte zu Anfang ein Babyphone mit Bildschirm – dieses ist jedoch nicht sehr sensibel und man muss tatsächlich durchgängig auf den kleinen Bildschirm schauen. Die Qualität war gut, aber die „stillen“ Anfälle konnte man leicht überhören, wenn man nicht ständig konzentriert das übertragene Bild beobachtete. Zusätzlich hatten wir noch ein herkömmliches Babyphone ohne Kamera, da diese Modelle sehr viel empfindlicher sind. So konnten die Pflegekräfte bei Geräuschen auf den Bildschirm sehen und dann eingreifen oder auch nicht.

 

Mit dem Lockdown im März 2020 stellte die Krankenkasse die Leistung ein. Begründung der Krankenkasse: Tristan habe nicht jeden Tag einen lebensbedrohlichen Zustand. Das ist nicht korrekt, denn Tristan hat laut Bethel sehr wohl eine erhöhte SUDEP-Gefahr (Sudden Unexpected Death in Epilepsy = plötzlich auftretender unerwarteter Tod bei Epilepsie).

 

Von April bis Dezember 2020 machte ich die Nachtversorgung wieder alleine und gönnte mir ab und zu eine ruhige Nacht, indem ich mir „Pflege“ einkaufte durch die Kombinationsleistungen des Pflegegelds. So konnte ich ca. fünf Nächte im Monat abdecken.

Manchmal bleibt nur der Weg vor Gericht, um seine Rechte durchzusetzen
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Klageverfahren gegen die Krankenkasse erfolgreich

Nachdem auch das Widerspruchsverfahren bei der Krankenkasse zur weiteren Kostenübernahme der Intensivpflege erfolglos war, klagte ich vor dem Sozialgericht, um die für Tristan und mich notwendige nächtliche Intensivverordnung wieder zu bekommen. Das war wahnsinnig anstrengend, zermürbend und menschlich eine Katastrophe. Ich habe durchgehalten – gemeinsam mit dem VDK – und im November entschied das Gericht endlich zu unseren Gunsten und so ist die häusliche Krankenpflege seit Dezember 2020 wieder gesichert – wohlgemerkt für das Jahr 2020! Es könnte passieren, dass die Krankenkasse in diesem Jahr wieder den gleichen Weg geht, denn eine Verordnung ist immer nur für ein Jahr gültig. Allerdings hat die Richterin bereits angemerkt, dass sie in 2021 nicht wieder über die gleiche Sache entscheiden möchte …

 

Weitere Hilfsmittel im Praxistest

Da Tristan im August letzten Jahres 18 Jahre alt wurde, kam das Thema gesetzliche Betreuung auf uns zu. Dazu kam der Amtsarzt zu uns nach Hause. Er und meine Facebook-Gruppe „Pflegender Angehöriger“ brachten mich auf die Idee, Tristans Parameter nachts durch einen Pulsoximeter zu überwachen – ein Messgerät, welches die Sauerstoffsättigung im Blut misst. Wenn diese in einen kritischen Bereich käme, würde ich eventuell nachts durch den Alarmton geweckt werden. Das werde ich nun auch, denn Tristans Sättigung ist stundenweise sehr schlecht. Allerdings hat Tristan auch Anfälle, bei denen alle Parameter im korrekten Bereich sind. Also auch keine sichere Variante, um beruhigt schlafen zu können.

 

Daraufhin haben wir das NightWatch-Alarmgerät getestet. Vier Wochen durften wir es kostenlos nutzen. Die Idee dahinter ist für uns eigentlich passend. Hier sind Bewegung und Puls die Parameter, um einen Alarm auszulösen. Der Betroffene trägt nachts ein Armband am Oberarm und dieses sendet Daten an die Basisstation und löst dann einen lauten Alarm aus, wenn etwas nicht passt. Leider hatten wir zu viele Fehlalarme oder keinen Alarm beim Anfall. Ich würde dem Gerät aber nochmals eine Chance geben, denn die Firma gab mir den Tipp, das Band stattdessen am Fuß zu befestigen. Allerdings hatte ich das Gerät da bereits zurückgeschickt. Ich glaube, NightWatch könnte für viele Menschen mit Epilepsie ein gutes Hilfsmittel sein.

Letztendlich hatte ich den Einfall, eine WLAN-Kamera zu installieren zusammen mit dem Pulsoximeter. Jetzt wird ein gestochen scharfes Bild und sehr guter Ton aufs Tablet oder Smartphone übertragen. Wenn Bewegungen stattfinden, gibt es ein Signal und man kann sich auf dem Bildschirm ansehen, ob etwas Ungewöhnliches passiert oder nicht. Ich fühle mich nun einigermaßen sicher, denn ich muss nicht bei meinem Kind schlafen und werde trotzdem bei Geräuschen wach. Tiefschlaf ist somit für mich zwar nicht möglich, wenn die Intensivpflege nicht verfügbar ist, aber ich fühle mich jederzeit sicher und bereit, Tristan zu hören und zu sehen, um bei Bedarf eingreifen zu können.

Tipps & Tricks

Mein Tipp ist tatsächlich, Hilfsmittel auszuprobieren. Das ist z. B. bei NightWatch kein Problem. Bei Epicare wird das sicherlich auch möglich sein. Es kommt auf die Anfälle der Kinder an, welches Hilfsmittel passend ist und womit man sich sicher fühlt.

 

Letztendlich würde ich bei stationären Aufenthalten vorab die Sozialarbeiter ins Boot holen und darum bitten, in der Zeit des Aufenthalts so viele Hilfsmittel wie möglich zu testen. Denn die Fachkliniken können dann auch gleich eine Verordnung ausschreiben – das geht schneller als über den Kinderarzt.

 

Die Investition in eine WLAN-Kamera würde ich auf jeden Fall empfehlen, denn auch tagsüber ist sie ein hilfreicher Begleiter, wenn man das Kind wegen Hausarbeit oder Ähnlichem kurz alleine lassen muss. Dann mach ich mein Handy an und kann relativ stressfrei in die Waschküche oder in den Keller. Außerdem lassen sich Videos aufnehmen – so kann ich Ärzten oder auch der Krankenkasse zeigen, wie die Anfälle aktuell aussehen.

Überwachung per Smartwatch – auch das kann eine Möglichkeit sein
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Mit einem einfachen Pulsoximeter kann man tagsüber während eines Anfalls die Parameter überprüfen. Ist bei den Anfällen meines Kindes der Puls immer sehr hoch? Fällt die Sättigung ab? Dann wäre ein solches Pulsoximeter eine gute Möglichkeit. Die WLAN-Kamera habe ich für wirklich wenig Geld selbst gekauft (unter € 50,-), jedes Babyphone ist teurer. Das Pulsoximeter hat der Arzt verordnet. Ich habe sogar eine einfache Smartwatch ausprobiert, die Tristan auch heute noch tagsüber trägt. Hier kann ich den Puls überwachen und habe auch gleich die Zeit im Blick, damit ich ggf. rechtzeitig ein Notfallmedikament geben kann.

 

Mein Rat an alle: Guter Schlaf ist wichtig!

Kinder mit einer schweren Epilepsie müssen nachts intensiv überwacht werden. Das Leben mit Epilepsie bedeutet für alle Beteiligten eine stressige Ausnahmesituation – gerade in lebensbedrohlichen Situationen. Ich appelliere an alle Eltern, sich selbst nicht zu überfordern, denn wir müssen hellwach sein. Dazu brauchen wir ausreichend tiefen Schlaf. Ich habe das vernachlässigt und bin viele Jahre über meine Grenzen gegangen. Und ich wurde auch nicht gut beraten. Alle Ideen kamen immer von mir selbst. Schlaf ist die natürliche Quelle, um Energie zu tanken. Wenn diese dauerhaft wegfällt, bekommen wir pflegenden Angehörigen gesundheitliche Probleme, die wir uns nicht erlauben können.

Gleichzeitig haben sowohl Ihr Kind als auch Sie selbst ein Recht auf Privatsphäre. Deswegen ist es auch keine Option, dauerhaft zusammen in einem Zimmer zu schlafen. Probieren Sie alle Varianten aus und finden Sie für sich und Ihren Fall die passende Überwachung für die Nacht.


Ute Fuchs