Vitamin B6 und Levetiracetam

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Erfolgreiche Unterdrückung von Verhaltensstörungen

Levetiracetam (LEV) ist eines der am häufigsten verschriebenen Medikamente gegen epileptische Anfälle mit einem günstigen Verträglichkeitsprofil. Allerdings treten neuropsychiatrische Nebenwirkungen bei gut 40 % der Patienten unter LEV auf mit negativem Einfluss auf die Lebensqualität für den Patienten und auch sein Umfeld (Familie, Schule, Freundeskreis), was die Patientenadhärenz und Anfallskontrolle reduzieren kann.

 

Niedriges Pyridoxin (Vitamin B6) wurde mit neuropsychiatrischen Störungen in Verbindung gebracht, anekdotische Berichte legten eine Vitamin-B6-Behandlung nahe, so dass dieser Zusammenhang auch für LEV diskutiert wurde und so Vitamin B6 probeweise bei neuropsychiatrischen Nebenwirkungen unter LEV eingesetzt wurde mit positiven Fallberichten in der Literatur.

 

In einem systematischen Review wurden die bislang publizierten Daten zur Frage der Vitamin-B6-Behandlung bei neuropsychiatrischen Nebenwirkungen unter LEV analysiert. 12 von 29 Publikationen wurden in die Auswertung einbezogen, 2 Fallberichte und 4 retrospektive Fallserien mit kleiner Patientenzahl < 10 Probanden, die zu LEV Vitamin B6 erhielten. 5 retrospektive Studien mit Patientenzahlen > 10, außerdem eine prospektive Studie mit 50 Kindern im Alter zwischen 6 und 16 Jahren. Die Vitamin-B6-Dosis schwankte zwischen 50 und 400 mg/Tag.

 

Mit Ausnahme der prospektiven Studie wurden die neuropsychiatrischen Befunde qualitativ erfasst, in der prospektiven Studie wurden die standardisierten Children‘s Depression-Fragebögen eingesetzt. Eine Metaanalyse der größeren retrospektiven Studien ergab, dass 97 von 134 Teilnehmern (72,1 %) von einer Vitamin-B6-Substitution profitierten, der positive Effekt trat zwischen Tag 9 und Woche 2 ein.

 

In der randomisierten Studie erhielten die Probanden entweder Vitamin B6 zur LEV-Dosis (7 mg/kg/Tag, bis maximal 350 mg/Tag, n = 25) oder LEV allein (n = 25). 80 % der Kinder ohne Vitamin B6 zeigten neuropsychiatrische Symptome, 75 % der Fälle in der LEV + Vitamin-B6-Gruppe. In der LEV-Gruppe ohne Vitamin B6 setzten während des 12-monatigen Follow-up 76 % der Patienten LEV wegen Nebenwirkungen ab; in der LEV + Vitamin-B6-Gruppe bildeten sich die neuropsychiatrischen Nebenwirkungen in den meisten Fällen nach 9 Tagen zurück, es brachen nur 8 % der Patienten im 12-monatigen Follow up die LEV-Behandlung ab. Der Unterschied ist hoch signifikant zugunsten der Kombinationsbehandlung LEV + Vitamin B6.

 

Die Kombinationsbehandlung wurde ohne Nebenwirkungen gut vertragen. Unerwünschte Wirkungen der Vitamin-B6-Behandlung in Form von Verhaltensstörungen wurden nur in einer retrospektiven Beobachtungsstudie berichtet (4/42 Probanden). Gerade die randomisierte Studie, wenngleich mit kleiner Patientenzahl, belegt den positiven Effekt von Vitamin B6 auf neuropsychiatrische Nebenwirkungen unter LEV.

 

Ein Behandlungsversuch kann in jedem Fall durchgeführt werden, da keine Nebenwirkungen zu erwarten sind. Nach meiner eigenen Erfahrung hält dieser protektive Effekt über einen langen Zeitraum.

 

Schlussfolgerung

Vitamin B6 ist in einer Tagesdosis zwischen 7 mg/kg und 450 mg/Tag sehr effektiv, LEV-assoziierte neuropsychiatrische Nebenwirkungen positiv zu beeinflussen bzw. zu unterdrücken. Nebenwirkungen der Vitamin-B6-Supplementierung, wie z. B. eine periphere Polyneuropathie, sind nicht zu erwarten.

 

Ein Therapieversuch bei neuropsychiatrischen Nebenwirkungen einer LEV-Behandlung lohnt immer, bevor LEV deswegen abgesetzt wird.

 

Gerd Kurlemann

 

Kontakt:

Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kurlemann

Arzt für Kinder- und Jugendmedizin,

Neuropädiatrie und pädiatrische

Epileptologie

gerdkurlemann@gmail.com

 

Ausgewählte Literatur

Marino et al. Pyridoxine add-on treatment for the control of behavioral adverse effects induced by Levetiracetam in children: A case-control prospective study. Ann Pharmacother 2018; 52:645-649

 

Romoli et al. Pyridoxine supplementation for levetiracetam-related neuropsychiatric adverse events: A systematic review. Epilepsy Behav. 2020 Feb;103(Pt A):106861. doi: 10.1016/j.yebeh.2019.106861.