Überwachungsgeräte bei Kindern und Jugendlichen

Bildquelle: www.pixaay.com @Myléne

Die Sicht der Familien


Viele Eltern fürchten bei einem ersten Anfall um das Leben ihres Kindes. Auch wenn einzelne Anfälle typischerweise zunächst gerade im Kindesalter nicht lebensgefährlich sind, so gibt es doch ein erhöhtes Risiko für Menschen mit Epilepsie zu versterben. Wenn Kinder mit Epilepsie sterben, dann oft an ihren Grunderkrankungen oder beispielsweise an Lungenentzündungen. Anfallsbezogene Risiken bestehen in Unfällen und konvulsivem Status epilepticus.

 

Zusätzlich existiert das Phänomen des plötzlichen Todesfalls bei Epilepsien (SUDEP = sudden unexpected death in epilepsy). Die Veröffentlichungen zu diesem Thema haben in den letzten Jahren zugenommen und es gibt eine Diskussion um die »wahre« Zahl der davon Betroffenen im Kindes- und Jugendalter. Bis vor wenigen Jahren wurde davon ausgegangen, dass Kinder deutlich seltener betroffen sind und SUDEP in diesem Alter praktisch keine Rolle spielt. Neuere Daten zeigen jedoch eine ähnliche Häufigkeit wie im Erwachsenenalter. Auch wenn keine Daten dazu existieren, dass beispielsweise Wearables das Risiko eines SUDEP signifikant reduzieren können, so liegt dies zumindest nahe. Aussagekräftige Studien hierzu sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, da man dazu sehr viele Patienten über einen langen Zeitraum beobachten muss.

 

Die meisten Daten zu den Überwachungsgeräten stammen aus Studien in Epilepsiezentren und wurden an Erwachsenen erhoben. Wir wollten die Alltagspraktikabilität und den Einsatz bei Kindern und Jugendlichen im häuslichen Umfeld in den Mittelpunkt stellen und haben daher zusammen mit dem e.b.e. epilepsie bundes-elternverband e. v. eine Online-Umfrage initiiert (Laufzeit: 1.3.2023 bis 16.4.2023).

 

Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass es sich bereits aufgrund der Art der Verbreitung der Umfrage nicht um allgemeingültige Daten zu Epilepsien handelt. Ferner basieren alle Daten auf den Einschätzungen der Befragten. Dies schränkt die Objektivierbarkeit ein, spiegelt aber den Alltag der Anfallsüberwachung wider.

 

Insgesamt lagen 194 Datensätze vor, davon 153 verwertbare Datensätze von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Das Alter lag im Mittel bei 8,74 Jahren (4,74 J., Spannbreite 0-17,11 J.), das Gewicht betrug im Mittewert 32,1 kg (17,0 kg; Spannbreite 9-90 kg). Bei 102 Kindern und Jugendlichen wurde die Mobilität durch die Eltern als »nicht eingeschränkt« eingeordnet, bei 51 bestand eine Einschränkung. Bei 129 Betroffenen wurde ein Gerät zur Anfallsüberwachung eingesetzt. Erfreulicherweise nahmen auch 24 Eltern an der Befragung teil, die keine Überwachungsgeräte im Einsatz hatten, so dass eine Vergleichsgruppe zur Verfügung stand. Für uns erstaunlich war, dass es keine Unterschiede im Vergleich der Gruppen mit und ohne Überwachung gab.

 

Auch die Annahme, dass beim Vorliegen von generalisiert tonisch-klonischen Anfällen oder typischerweise schwerer verlaufenden Epilepsien häufiger eine Überwachung erfolgt, ließ sich nicht bestätigen. Auch die Verteilung in den jeweiligen Altersgruppen lässt kein klares Bild erkennen. Tendenziell werden Geräte zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut (»Pulsoxymeter«), die VitaGuard©-Monitore und Babyphone eher bei jüngeren Kindern im Vorschul- und Grundschulalter eingesetzt. Eine klare Zuordnung ist aber auch hier nicht möglich – dies gilt auch für die Frage, ob überhaupt ein Überwachungsgerät zum Einsatz kommt.

 

Für den Verzicht auf eine Überwachung wurden verschiedene Gründe angegeben. Am häufigsten wurde Co-Sleeping benannt, d. h. die Kinder schlafen im Bett der Eltern. Weitere seitens der Eltern benannte Gründe waren eine sehr niedrige Anfallsfrequenz oder Anfallsfreiheit, Unzuverlässigkeit der Geräte bzw. Fehlermeldungen, fehlende Informationen über die verschiedenen Geräte oder die Überwachung an sich und das zu junge Alter (»zu klein für so was«). Zweimal wurde auch bemerkt, dass eine Überwachung ärztlicherseits für nicht notwendig erachtet wurde.

 

Bei der Auswertung der Daten konnten wir eine sehr große Vielfalt der eingesetzten Geräte feststellen. Nur zwei Geräte – NightWatch© und VitaGuard© 3100/310 – wurden mehr als 10-mal benannt, hinzu kommen die verschiedenen Modelle der EpiCare©-Reihe mit insg. 16 Nennungen – die häufigsten finden sich in Tabelle 1:

 

 

N

NightWatch©

39

VitaGuard© 3100/VitaGuard© 310

18

Babyphone

7

Epicare 3000©

7

EpiCare©

5

Epicare free©

4

Embrace©

3

Tabelle 1: Eingesetzte Überwachungsgeräte (häufigste Nennungen)

 

Die Kostenübernahme durch Krankenkassen scheint immerhin bei vielen Geräten mit »offizieller« Zulassung zu gelingen. Wir haben bei unserer Umfrage allerdings nicht erhoben, mit wie viel Mühen bzw. Widersprüchen die Kostenübernahme erreicht wurde. Andererseits wurde auch nicht abgefragt, ob überhaupt ein Kostenübernahmeantrag gestellt wurde.

 

Kern unserer Befragung war das Urteil der Familien, was die Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und die generelle Eignung für eine Anfallsüberwachung angeht. Interessant hierbei ist, dass die reinen Schulnoten nicht unbedingt mit dem Einsatz korrelieren. Mehrere Geräte wurden nicht mehr benutzt, da zu häufig Fehlalarme auftraten und/oder Anfälle nicht erkannt wurden, wenngleich die durchschnittliche Bewertung der Geräte gar nicht so schlecht ausfiel – siehe Tabelle 2.

 

 

 

NightWatch©

(n=39)

EpiCare©

(n=16)

VG3100

VG310

(n=18)

 

Babyphone

(n=7)

Benutzerfreundlichkeit

MW 1,82

(SD  0,87)

(Noten von 1-5)

 

MW 3,08

(SD  1,64)

(Noten von 1-5)

 

MW 2,17

(SD  1,12)

(Noten von 1-5)

 

MW 1,71

(SD  0,70)

(Noten von 1-3)

 

Zuverlässigkeit

MW 2,67

(SD  1,21)
(Noten von 1-6)

 

MW 3,23

(SD  1,67)
(Noten von 1-6)

 

MW 2,06

(SD ± 0,97)

(Noten von 1-4)

MW 2,86

(SD  1,55)
(Noten von 1-5)

 

Eignung für
Anfallsüberwachung

MW 2,41

(SD 1,15)

(Noten von 1-6)

 

MW 3,38

(SD 1,82)

(Noten von 1-6)

 

MW 2,39

(SD 1,30)

(Noten von 1-6)

 

MW 4,14

(SD 1,36)

(Noten von 1-5)

 

Noch in
Nutzung

Ja=30 (76,9%)

Nein=9 (23,1%)

Ja=9 (56,3%)

Nein=7 (43,7%)

Ja=16 (88,9%)

Nein=2 (11,1%)

Ja=3 (42,9%)

Nein=3 (42,9%)

Keine Angabe=1

 

Wenn nein,

warum nicht

Fehlalarme/nicht erkannt (n=5),

Anfallssituation besser (n=2)

Fehlalarme/nicht erkannt (n=5),

Alter des Kindes, umständliche Handhabung bei wechselnden Übernachtungen bei getrennt lebenden Eltern (je n=1)

Macht sich immer die Sensoren ab (n=1)

Kind älter geworden (n=1), nicht

zufriedenstellend/nicht zuverlässig (je n=1)


Tabelle 2: Beurteilung der Anfallsüberwachungsgeräte durch die Eltern (Schulnoten). Bei den Gründen für die Beendigung der Nutzung werden die häufigsten aufgeführten Gründe benannt (VG=VitaGuard©, MW=Mittelwert, SD=Standardabweichung)

Fazit für die Praxis

  • Es kann auch anhand der vorliegenden Daten keine eindeutige und einheitliche Empfehlung in Bezug auf eine (nächtliche) »ideale« Überwachung bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsien gegeben werden.
  • Die verschiedenen Geräte kommen praktisch in allen Altersstufen und bei den verschiedenen Anfallsformen und Epilepsiesyndromen zum Einsatz, ohne dass sich aufgrund der uns vorliegenden Daten eine klare Empfehlung ableiten lässt.
  • Es handelt sich, wie auch bei der generellen Entscheidung ob überhaupt eine Überwachung erfolgt, um ein persönliches Vorgehen.
  • Die vorliegenden Daten können diese individuelle Entscheidung unterstützen. 

Peter Borusiak

© privat

Kontakt:

Prof. Dr. med. Peter Borusiak
LVR-Klinik Bonn
Kinderneurologisches Zentrum

Waldenburger Ring 46

53119 Bonn

0228 6683111

peter.borusiak(at)lvr.de

Original-Artikel mit Quellen/Literatur:

Borusiak, P., Bast, T., Haberlandt, E. et al. Epilepsieüberwachungsgeräte bei Kindern und Jugendlichen; erschienen Clinical Epileptology (2023); DOI 10.1007/s10309-023-00630-z

https://doi.org/10.1007/s10309-023-00630-z