Protokoll des Vortrags zum

Sozialhilfe-, Erb- u. Steuerrecht vom 20.07.02

Landesverband Epilepsie Bayern e.V., Schloss Hirschberg, Altmühltal

Anläßlich der Tagung des LV Epilepsie Bayern e.V. informierten die RAe Jürgen Greß und Dr. Thomas Fritz über wichtige rechtliche Grundlagen bei der Absicherung und Finanzierung des Lebensunterhalts und der Betreuung behinderter Kinder auch nach dem Tod der Eltern.

RA Greß zur Frage, wer die Werkstattkosten bzw. die Kosten der Heimunterbringung von behinderten Familienangehörigen trägt:
Der behinderte Familienangehörige trägt aus seinem Vermögen zu den Kosten der Heimunterbringung bei, wenn dies mehr als € 2.301,00 beträgt. Ansonsten muss der zuständige Sozialhilfeträger für die Kosten aufkommen.

Lebt er in der eigenen Familie und ist tagsüber in einer Werkstatt untergebracht, braucht der behinderte Mensch nicht aus seinem Vermögen zu den Werkstattkosten beizutragen. Hat er ein Einkommen, das den zweifachen Regelsatz der Sozialhilfe übersteigt, so muss es für die Werkstattkosten eingesetzt werden.

Eltern werden pauschal mit € 26,- für die Unterbringung ihrer erwachsenen Kinder im Heim zur Kasse gebeten, unabhängig von ihrer Vermögenslage, im Gegensatz zur früheren Regelung, die eine Offenlegung der finanziellen Verhältnisse der Eltern erforderte und danach den Elternbeitrag berechnete. Zu Werkstattkosten werden Eltern nicht herangezogen.

Man kann auch eine Befreiung vom Eigenanteil von € 26,- für die Heimunterbringung beantragen, dafür ist aber eine Offenlegung der finanziellen Verhältnisse der Eltern erforderlich. Sinnvoll ist dieser Antrag für Eltern von Kindern im Alter von 18-27 Jahre, wenn vorher auch kein Eigenanteil gezahlt werden musste.

Sind die Kinder älter als 27 Jahre, so wird beim Antrag auf Befreiung die zivilrechtliche Leistungsfähigkeit der Eltern geprüft.

RA Greß zur Pflegeversicherung:
Eltern, die ihr Kind nur am Wochenende zuhause betreuen, haben einen Anspruch auf anteiliges Pflegegeld für den pflegenden Angehörigen. Bei der Feststellung der Pflegestufe sind 21 Punkte maßgeblich für den Zeitaufwand, nicht unbedingt die tatsächliche Zeit, die der Angehörige mit der Pflege des Pflegebedürftigen verbringt. Auskunft über diese Punkte erteilt z.B. die Lebenshilfe.

Man sollte die Einstufung durch den medizinischen Dienst möglichst vorbereiten. Optimal ist ein über 2-3 Wochen geführtes Pflegetagebuch, in dem man den gesamten Aufwand minutiös dokumentiert hat, und das man demMitarbeiter des medizinischen Dienstes vorlegen kann. Das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz wurde entwickelt für Pflegebedürftige, die einen besonders hohen Bedarf an allgemeiner Betreuung und Beaufsichtigung haben. Das Gesetz soll eine Ergänzung zum Pflegeversicherungsgesetz sein und trat am 1.1.2002 in Kraft.

Pflegebedürftige erhalten danach maximal € 460,- im Jahr zu ihren bisherigen Leistungen aus der Pflegeversicherung hinzu.

RA Greß zum Betreuungsrecht:
Bis zur Erreichung der Volljährigkeit sind die Eltern die gesetzlichen Vertreter ihrer behinderten Kinder.

Nach dem 18. Geburtstag kann auf Antrag vom Vormundschaftsgericht ein Betreuer bestellt werden, der die rechtlichen Angelegenheiten des jungen Erwachsenen in den Bereichen regelt, die das Gericht festgelegt hat. Diese sind im Betreuungsausweis aufgeführt. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, solch einen Antrag zu stellen, man sollte sich dann aber im Klaren darüber sein, dass andere Personen, z.B. Heimleiter oder Ärzte, darauf bestehen könnten, dass eine Betreuung beantragt wird.

Der Betreuer hat Anspruch auf eine pauschale Aufwandsentschädigung von € 312,-/ Jahr, die er beim Vormundschaftsgericht beantragen muss. Sind beide Elternteile als Betreuer ihres Kindes bestellt, so steht jedem der beiden diese Aufwandsentschädigung zu.

RA Greß zur Erbschaftssteuer:
Für die Erbschaftssteuer gibt es Freibeträge, die zur Zeit bei 307.000,- € für Ehegatten, 205.000,- € für Kinder und 51.200,- € für Eltern und Großeltern liegen. Übersteigt die Erbschaft diese Freibeträge, so sind, je nach Höhe des Erbes, zwischen 7 und 30 % Steuern zu entrichten.

Der Freibetrag für fremde Personen, die nicht direkt mit dem Erblasser verwandt sind, sogenannter Erben dritter Ordnung, beträgt 5.200,- € , die Steuer liegt bei 17 bis 50%. Gemeinnützige Vereine sind von der Erbschaftssteuer befreit.

RA Dr. Fritz über das behindertengerechte Testament:
Viele Eltern von behinderten Kindern machen sich große Sorgen darüber, wer sich nach ihrem Tod um ihre behinderten Kinder kümmert und wie sie finanziell abgesichert werden können.

Über die Sozialhilfe wird nur die Grundversorgung wie z.B. die Heimkosten abgedeckt. Die Sozialhilfe zahlt jedoch erst dann, wenn die behinderte Person ihr eigenes Vermögen, also auch geerbtes Vermögen, nahezu vollständig verbraucht hat. Bei Heimkosten von mehreren Tausend € /Monat ist damit ein ererbtes Vermögen in kürzester Zeit aufgebraucht.

Mit dem sogenannten behindertengerechten Testament kann der behinderten Person jedoch über die spezielle rechtliche Konstruktion der Vor- und Nacherbschaft Vermögen zugewandt werden, auf das der Staat keinen Zugriff hat.

Die behinderte Person selbst kann aus ihrem ererbten Vermögen, z. B. einem Wertpapierdepot, lebenslang Erträge ziehen, die für ihre persönlichen Bedürfnisse (teurer Zahnersatz, Reittherapie, Musikunterricht, Reisen etc.) zusätzlich zu den Leistungen der Sozialhilfe verwendet werden können.

Nach dem Tod des Behinderten erben das Vermögen beispielsweise seine Geschwister oder eine Behinderteneinrichtung.

Weiter muss ein Testamentsvollstrecker als Verwalter des Erbes eingesetzt werden, der darüber wacht, dass das Testament entsprechend dem Willen der verstorbenen Eltern ausgeführt wird. Schließlich können die Eltern eine Person ihres Vertrauens vorschlagen, die sich nach ihrem Tod um den behinderten Familienangehörigen kümmern soll.

Das sogenannte behindertengerechte Testament ist die weitaus wirksamste und aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung sicherste Methode zur Versorgung von behinderten Familienangehörigen und zum Schutz des Familienvermögens vor dem Zugriff des Staates.

Aufgrund der sehr komplizierten Regelungen eines solchen Testamentes sollten sich interessierte Eltern auf jeden Fall von einem im Behinderten- und Erbrecht erfahrenen Rechtsanwalt beraten lassen.

Susanne Fey, Wuppertal