Jugendliche mit einer chronischen Erkrankung
– zeitnaher Therapieerfolg nötig!
Kranke Jugendliche in der Pubertät zu betreuen, ist keine leichte Sache – erst recht nicht, wenn diese an einer chronischen Erkrankung wie z. B. Asthma, Diabetes oder Epilepsie leiden.
Neben den seelischen Umwälzungen in dieser schwierigen Lebensphase, in der Mädchen häufig zickig und Jungen eher aggressiv reagieren oder sich ins sprichwörtliche „Schneckenhaus“ zurückziehen, macht der Körper große Veränderungen durch.
Da chronische Krankheiten bei Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten stark auf dem Vormarsch sind und die Pubertät eine besonders kritische Zeit ist, in der viele Krankheit schlecht bzw. schlechter einstellbar sind, bringt das eine große Herausforderung für den Praxisalltag vieler Ärzte mit sich.
Doch wie geht man mit diesen jungen Patienten um, die ablehnend sein können, aber viel Unterstützung brauchen? Wie kann man sie bei der Therapie halten? Dazu gibt ein Artikel von Ursula Armstrong aus der Ärztezeitung vom August 2010 gute Ratschläge und Hilfestellung:
«Wer Jugendliche in seiner Praxis betreut, sollte sich darauf einstellen, rät Dr. Wolf-Rüdiger Horn aus Gernsbach, Sprecher der Kommission Jugendmedizin der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. Auch minderjährige Jugendliche kommen oft allein in die Praxis. Das muss respektiert werden. Zur Einführung ist es jedoch sinnvoll, wenn sie von einem Elternteil begleitet werden. Aber man sollte immer das Gespräch ohne Eltern anbieten. Vieles, vor allem Risikoverhalten, ist dann leichter zuzugeben und zu besprechen. Auch bei ausführlichen körperlichen Untersuchungen sollten Eltern besser nicht dabei sein, denn Pubertäre haben ein ausgeprägtes Schamgefühl.
Grundregel bei Anwesenheit eines Elternteils ist: "Nie über, sondern nur mit dem Jugendlichen sprechen", so der Wuppertaler Jugendmediziner Professor Stefan Wirth. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber gerade bei verstockten, aggressiven oder zickigen jungen Patienten kann es schneller gehen, wenn man die Eltern fragt. Doch auch bei schwierigen Halbwüchsigen sind Vertrauen und gegenseitiger Respekt die Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit.
Mehr als bei Kindern und Erwachsenen gilt es bei Jugendlichen zu versuchen, ihre Sicht auf die Welt und die Motive für ihr Verhalten zu verstehen. Die Entwicklung von Autonomie und Eigenverantwortung müssen unterstützt werden. Wichtig ist dazu, den Lebenskontext der Patienten kennenzulernen.
Horn hält eine psychosoziale Anamnese für sinnvoll. Dazu werden Fragen zu den Bereichen Zuhause, Schule und Beruf, Essgewohnheiten, Freizeit, psychoaktive Substanzen, Sexualität, Depressivität und Suizidalität sowie Sicherheit/Gewalt gestellt. Und daraus entwickelt sich dann in der Regel ein Dialog über diese Themen, über Träume, Wünsche und auch über Risikoverhalten.
Riskante Verhaltensweisen wie Rauchen, Trinken und Drogenkonsum sind normal in diesem Alter. Chronisch kranke Jugendliche wollen genauso „tough“ sein wie die anderen in ihrer Clique. Ein erhobener Zeigefinger bringt dann gar nichts. Ganz sachlich über die Erfahrungen zu sprechen ist viel sinnvoller -, um dann einen Deal zu machen, schlägt Wirth vor. Zum Beispiel: "Zwei Bier sind OK, mehr sind ein Problem, wie du ja selbst gemerkt hast", so der ärztliche Leiter des Zentrums für Jugendmedizin am Helios-Klinikum in Wuppertal.
Behandlungsverträge sind gerade bei Jugendlichen wichtig. Sie müssen an der Erarbeitung der Behandlungsschritte beteiligt werden. Es habe sich bewährt, verhaltensbezogene Etappenziele festzulegen, ist Stachows Erfahrung. Diese werden schneller erreicht als somatische Ziele. "Es ist oft besser, der Jugendliche wählt selbst eine - unter medizinischen Gesichtspunkten suboptimale - Therapie aus, die er einhält, als dass ihm eine optimale Therapie oktroyiert wird, die er dann nicht befolgt".
Therapieverträge sollten stets nur eine kurze Zeitspanne, höchstens ein paar Wochen, umfassen, denn, so Wirth: "Jugendliche können nicht in Zeit denken. Man muss mit dem Moment arbeiten." Auch bei der Aufklärung über die Krankheit bringt es nicht viel, vor Spätfolgen in ein paar Jahren zu warnen. 20-Jährige sind für 15-Jährige uralt.
Die Verträge sollten dann für beide Seiten dokumentiert werden. Es kann sein, dass die Eltern einbezogen werden müssen, denn die müssen die Deals zwischen Arzt und jugendlichem Patienten ja unterstützen.»
Gerne weisen wir an dieser Stelle nochmals auf die Ende letzten Jahres neu aufgelegte und aktualisierte epiKurier-Sonderausgabe für Jugendliche Epilepsie & jung? Erwachsen werden? Ganz normal! hin, die auf 28 Seiten viele der für dieses Alter wichtigen Themen wie Pubertät, Sexualität, Freizeit, Sport, Führerschein, Schule, Ausbildung, Wehr- und Zivildienst, finanzielle Hilfen, Versicherungen etc. behandelt. Daneben enthält die Sonderausgabe interessante Links, Adressen von Beratungsstellen sowie Selbsthilfe-Organisationen.
Im Internet steht diese Sonderausgabe zur Verfügung, die Printversion gibt es kostenlos beim LV Epilepsie Bayern e.V. (infomaterial(at)epilepsiebayern.de) oder beim e.b.e. epilepsie bundes-elternverband e.V. (kontakt(at)epilepsie-elternverband.de) – Adressen siehe Impressum.