Hauptsache weiblich

Weibliche Geschlechtshormone scheinen auch den Verlauf einer Epilepsie zu beeinflussen. Das zeigt unter anderem das Phänomen der zyklusabhängigen Anfälle, das gehäufte Auftreten von Zyklusstörungen oder die Wechselwirkungen von Verhütungsmittel wie Anti-Baby-Pille, Hormonstäbchen oder -pflaster mit einigen Antiepileptika. Auch hormonelle Schwankungen während der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren können die Anfallshäufigkeit beeinflussen. Die genauen Zusammenhänge sind noch nicht vollständig geklärt, aber es ist bekannt, dass bei der Behandlung von Frauen mit Epilepsie die hormonellen Wechselwirkungen beachtet werden müssen.

Fruchtbarkeit

Bei Frauen mit Epilepsie werden häufiger Veränderungen wie z. B. ausbleibende Regelblutung (Amenorrhoe), Zyklen ohne Eisprung (anovulatorische Zyklen) oder Zysten an den Eierstöcken (PCO = Polyzystisches Ovarialsyndrom) beobachtet als in der Allgemeinbevölkerung. Diese Phänomene verursachen neben psychosozialen Faktoren eine verminderte Empfängnisfähigkeit der Frau.

Verhütung

Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte bei der Behandlung immer auch an die Wechselwirkungen zwischen Antiepileptika und Verhütungsmitteln gedacht werden. So senken enzyminduzierende Mittel wie Carbamazepin, Eslicarbazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Primidon und Topiramat (Tagesdosis > 200 mg) den Blutspiegel der Verhütungsmittel (besonders, wenn diese nur Gestagene enthalten) und damit deren Wirksamkeit. Empfohlen wird daher die Einnahme eines einphasigen Verhütungsmittels ohne Einnahmepause und mit mind. 50 µg Ethinylöstradiol. Zusätzliche Verhütungsmethoden wie Spirale (Intrauterinpessar) oder Kondome steigern die Sicherheit noch. Bei der Einnahme von Lamotrigin ist zu beachten, dass Ethinylöstradiolhaltige Verhütungsmittel den Lamotrigin-Spiegel um bis zu 50 % senken können. Bei klassischen „Pillen“ sinkt also der Lamotrigin-Spiegel während der 21-tägigen Einnahme, um in der 7-tägigen Pause wieder anzusteigen. Daher sollte entweder die Lamotrigindosis an den Zyklus angepasst oder das Verhütungsmittel ohne Unterbrechung eingenommen werden.

Bei Intrauterinpessaren (Spiralen) ist bisher kein Einfluss auf die Antiepileptika festgestellt worden, auch nicht bei hormonhaltigen Spiralen in Kombination mit Lamotrogin. Für die Pille danach gibt es noch keine Daten über Wechselwirkungen mit enzyminduzierenden Antiepileptika.

Schwangerschaft

Frauen mit Epilepsie können ohne größere Schwierigkeiten Kinder bekommen. In den meisten Fällen verläuft eine Schwangerschaft auch unter antiepileptischer Therapie und trotz einiger Anfälle problemlos. Kinder von Müttern oder Vätern mit Epilepsie haben nur ein geringfügig erhöhtes Risiko selber eine Epilepsie zu entwickeln. Nur etwa 3-5 % der Kinder bekommen später einmal Anfälle, mehr als 95 % entwickeln keine Epilepsie. Bei „normalen“ Eltern liegt das Risiko, dass ihr Kind Epilepsie bekommt, bei 1 %.

Vor einer Schwangerschaft sollte eine Patientin mit Epilepsie sich ausführlich mit ihrem Neurologen besprechen. Das Schwangerschaftsregister EURAP (www.eurap.de) bietet dem Arzt die Möglichkeit, sich über die Risiken für Fehlbildungen unter der derzeitigen Therapie seiner Patientin zu informieren und gegebenenfalls die Therapie zu optimieren. Sinnvoll ist eine möglichst niedrig dosierte Monotherapie und, wenn möglich, die Vermeidung von Valproinsäure, die die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbildung beim Kind erhöht. Der Medikamentenspiegel sollte im Tagesverlauf nicht allzu sehr schwanken: Also lieber dreimal täglich nehmen oder Retard-Präparate einsetzen. Grand mal-Anfälle sind möglichst zu vermeiden. Da das Fehlbildungsrisiko bei Kindern epilepsiekranker Mütter leicht erhöht ist und bestimmte Antiepileptika den Folsäurespiegel erniedrigen, wird empfohlen, schon einige Wochen vor der Empfängnis eine Folsäureprophylaxe einzuleiten (5 mg täglich). Fehlbildungen entstehen nämlich sehr früh in der Entwicklung des Kindes, oft schon in den ersten sechs Wochen, bevor die Frau überhaupt merkt, dass sie schwanger ist.

Die Auswertung der Daten von ca. 4.000 Schwangerschaften aus 42 Ländern ergab für die vier am häufigsten benutzten Antiepileptika bezüglich des Fehlbildungsrisikos folgendes Bild:

Es zeigte sich, dass mit dem in Deutschland am häufigsten verschriebenen Wirkstoff Lamotrigin bei einer Dosierung von unter 300 Milligramm täglich die geringste Rate an Fehlbildungen auftrat. Mit 2 % liegt diese Rate allerdings noch im Spektrum gesunder Frauen ohne Medikament, genauso wie Carbamazepin in einer Dosierung von weniger als 400 Milligramm und einer Fehlbildungsrate von 3,4 %. Deutlich höher fiel sie unter Phenobarbital und Valproinsäure aus, wo bei niedriger Dosierung 5,4 bzw. 5,6 % Fehlbildungen beobachtet wurden. Dies liegt laut englischem Schwangerschaftsregister etwa 1 % über der Rate von epilepsiekranken Schwangeren ohne Medikamenteneinnahme, bei denen die unbehandelten Krampfanfälle zu Problemen führen können. Zudem fanden die Wissenschaftler bei allen vier Medikamenten in höheren Dosierungen mehr Fehlbildungen, besonders bei dem Wirkstoff Valproinsäure. Die Auswertung zählte alle Fehlbildungen, die bis zu einem Jahr nach der Geburt beobachtet werden konnten, einschließlich solcher Fälle, die zu einem Schwangerschaftsabbruch führten.
(Zitat aus: http://news.doccheck.com/de/article/205404-schwanger-mit-epilepsie/)

Auf gar keinen Fall sollte eine werdende Mutter ihre Medikation ohne Rücksprache mit dem Neurologen verändern. Durch Stoffwechselveränderungen während der Schwangerschaft kann es zu Änderungen der Medikamentenspiegel im Blut kommen, daher ist eine regelmäßige Kontrolle wichtig. Insbesondere für Lamotrigin, Oxcarbazepin, Levetiracetam und Topiramat sollte vor Beginn der Schwangerschaft der Blutspiegel bestimmt werden, um einen Referenzwert für die geplante Schwangerschaft zu haben. Regelmäßige Messungen während der Schwangerschaft können damit verglichen und eventuelle Anpassungen der Dosis vorgenommen werden.

Die Anfallssituation während der Schwangerschaft bleibt in den meisten Fällen konstant. Bei einigen Frauen kommt es zu einer Abnahme, bei anderen zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz. Treten mehr Anfälle oder andere Anfallsformen im Verlauf der Schwangerschaft auf, ist es ratsam, mit dem Neurologen Rücksprache zu halten. Einzelne, kleinere Anfälle scheinen Mutter und Kind nicht zu schaden, anders sieht es bei Anfallsserien, Grand mal-Anfällen und Stürzen im Anfall aus. Es sollte vorher festgelegt werden, nach welchen Anfällen eine gynäkologische Kontrolle notwendig ist.

Genauso wichtig wie die neurologische Betreuung ist die gynäkologische Überwachung der Schwangerschaft. In der 12., 20. und 32. Schwangerschaftswoche empfiehlt es sich, eine Ultraschallfeindiagnostik beim Spezialisten  zu machen. Damit können Fehlbildungen frühzeitig festgestellt werden und die Familie kann sich entsprechend beraten lassen, ob ein Abbruch aus medizinischer Indikation vertretbar ist. Aber auch wenn ein Abbruch nicht in Frage kommt, ist es für die Versorgung des Kindes nach der Geburt vorteilhaft zu wissen, welche Probleme auftreten können.

Eine spontane Geburt ist in der Regel möglich, nur in Ausnahmefällen ist ein Kaiserschnitt notwendig. Natürlich sollten auch während der Geburt die Medikamente weitergenommen werden. Das Geburtsgewicht der Kinder und die Apgar-Werte liegen etwas niedriger als bei der Allgemeinbevölkerung.

Nach der Geburt braucht die junge Mutter Unterstützung, damit z. B. Schlafentzug durch nächtliches Stillen oder Wickeln keine Anfälle auslöst. Auch bei der Betreuung des Kindes zuhause wird geraten, je nach Anfallssituation Vorsichtsmaßnahmen zu treffen wie z. B. auf dem Boden wickeln, Pflegeutensilien auf jeder Etage des Hauses, Kinderwagen mit automatischer Bremse, Baden des Kindes zu zweit etc. (Tipps und Hinweise dazu gibt es beim Bundesverband chronisch kranker und behinderter Eltern - siehe Artikel "Eltern mit Behinderungen")

Stillen ist möglich. Auch wenn die Medikamente in geringen Mengen in die Muttermilch übergehen, wurde bisher keine negative Auswirkung auf das Kind beobachtet. Nur bei Zonisamid, Benzodiazepinen und Ethosuximid wird empfohlen, zuzufüttern. Bei Primidon wird vom Stillen abgeraten

Wechseljahre

Frauen mit Epilepsie kommen statistisch gesehen früher in die Wechseljahre als andere. Die schwankenden Hormonspiegel können die Anfallsfrequenz beeinflussen. Im Verlauf der Menopause steigen die Östrogenwerte an und es können vermehrt Anfälle auftreten, was durch einen prokonvulsiven (anfallsfördernden) Effekt des Östrogens erklärt wird, da auch bei Hormonersatztherapien eine dosisabhängige Zunahme der Anfälle beobachtet wird. Sind die Östrogenwerte nach Beendigung der Menopause stabil niedrig, kann es zu einer Abnahme der Anfallsfrequenz kommen.

Fazit: Die Behandlung von Frauen mit Epilepsie sollte immer unter Berücksichtigung der jeweiligen hormonellen Situation erfolgen. Eine Schwangerschaft sollte gut vorbereitet und geplant werden.

Susanne Fey
Wuppertal
Quelle: Pirker S. Frauen mit Epilepsie Klin. Neurophysiol. 2012;43: 138-143