Sag ich’s oder sag ich’s nicht?

Autoren-Lesung in Ulm

Mehr Aufklärung über Epilepsie, mehr Informationen am Arbeitsplatz, mehr Öffentlichkeitsarbeit, aber vor allem: Mehr Arbeitgeber, die jungen epilepsiekranken Menschen eine Chance geben. Das war das Fazit einer Lesung im voll besetzten Familienzentrum Neu-Ulm, zu der FZ-Leiterin Juliane Ott und Julia Höhe vom Ulmer/Neu-Ulmer Treffpunkt für junge Menschen mit Epilepsie eingeladen hatten.

Vier Treffpunkt-Mitglieder lasen dort aus ihrem Buch: „Sag ich’s oder sag ich’s nicht“ und zeigten eindrücklich auf, wie schwer sie es haben, eine Arbeitsstelle zu finden. Trotz abgeschlossener Ausbildung, trotz Arbeitsfähigkeit und unbedingtem Arbeitswillen.

Zum Beispiel:
Julia Höhe aus Neu-Ulm - seit mehr als drei Jahren schreibt die junge Kauffrau für Bürokommunikation, die schon lange anfallsfrei ist, Bewerbungen. Hilfe zu suchen bei der Arbeitsagentur hat sie aufgegeben, und der Integrationsfachdienst (IFD) vermittelte ihr zwar weiterbildende Maßnahmen, aber keinen Job: „Mir kommt es so vor, als ob Menschen mit Handicap ganz bewusst aus der Gesellschaft rausgehalten werden!“

Auch Elke Reinhold aus Ulm, gelernte Bürofachkraft, sucht seit Jahren eine Arbeit. Sie drückt ihre Ängste und Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben in Gedichten aus.

Claudia D. aus Einsingen dagegen hat einen Teilzeitjob in einem Möbelgeschäft gefunden.

Und Agatha S., Bürokauffrau aus Biberach, die zuvor in verschiedenen Läden jobbte, bekam in einer Sozialeinrichtung kürzlich eine unbefristete Stelle. „Da hast du aber Glück gehabt!“, sagte einer der jungen Besucher, der mit seiner Selbsthilfegruppe extra aus Memmingen angefahren kam.

Glück allein aber reicht nicht. „Wir müssen uns mehr um chronisch kranke Menschen kümmern“, betonte die Neu-Ulmer Stadträtin und Bürgermeisterin Christa Wanke. Doch wie könnte das konkret aussehen? Auf die direkte Ansprache von Arbeitsgebern, auf persönliche Kontakte zu Vertretern der Industrie- und Handelskammern käme es an, meinte ein Besucher. Karin Mohr, Leiterin der Sozialabteilung „Ältere, Behinderte und Integration“ der Stadt Ulm, sah das eher skeptisch. Sie berichtete von einem Projekt, das vor knapp zwei Jahren zur beruflichen Eingliederung chronisch kranker Menschen eingerichtet wurde: „Aber es finden sich keine Arbeitgeber für sie!“ Armes, reiches Deutschland.

Susanne Rudolph,
Ulmer/Neu-Ulmer Treffpunkt für junge Menschen mit Epilepsie