Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin

Susanne Fey und Prof. Hamer „in der Warteschleife“ vor der Anhörung ...

Öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss zum Thema Reform des AMNOG

Die medikamentöse Versorgung von Epilepsie-Patienten in Deutschland ist nach Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes, kurz AMNOG, nicht einfacher geworden. Nachdem zwei Medikamente bei der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aus rein formalen Gründen keinen Zusatznutzen bescheinigt bekamen, haben die betroffenen Firmen die Präparate vom Markt genommen - was angesichts des von der Schiedsstelle vorgeschlagenen Erstattungsbetrages von ca. 0,60 € pro Tagesdosis auch nachvollziehbar ist. In anderen Ländern sieht die Lage besser aus, hier erzielen die Arzneimittel Preise von 3-4 € pro Tagesdosis, so dass der Hersteller keine Veranlassung hat, die Medikamente zurückzuziehen. So können sie dort ganz normal verordnet und im Gesundheitssystem abgerechnet werden.

Das war die Ausgangssituation, die die Selbsthilfeverbände Epilepsie in Deutschland bewogen hat, im Mai 2015 eine Petition beim Deutschen Bundestag zur Änderung des AMNOG einzureichen. Trotz des kurzfristigen Starts der Petition, des allgemeinen Poststreiks und der Pfingstferien haben wir rund 36.000 Stimmen sammeln können. Eigentlich zu wenig, um eine persönliche Anhörung im Petitionsausschuss zu erreichen (das Quorum hierfür beträgt eigentlich 50.000 Stimmen), aber das Thema war den Abgeordneten doch so wichtig, dass wir dennoch eine Einladung bekamen.

Und am 11.04.2016 war es soweit, wir konnten unser Anliegen beim Petitionsausschuss in Berlin vortragen – natürlich ein außergewöhnliches Ereignis für Normalbürger wie mich, die ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen und ihren Abgeordneten ansonsten höchstens einmal bei einer Veranstaltung sehen. Je näher der Termin kam, desto unruhiger und aufgeregter wurde ich. Meine Umwelt meisterte den emotionalen Ausnahmezustand mit Bravour und hörte mir immer wieder zu, wenn es nötig war. Gemeinsam mit Doris Wittig-Moßner, meiner „besseren Epilepsie-Hälfte“, verfasste ich eine vier Seiten lange Ansprache für die Parlamentarier, die ich zu Beginn der Sitzung vorlesen wollte. Prof. Hajo Hamer von der Universitätsklinik Erlangen war einverstanden, mich als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) zu begleiten und bei medizinischen Fragestellungen zu unterstützen.

 

Am Morgen der Anhörung trafen nicht nur Prof. Hamer und ich im Paul-Löbe-Haus ein, sondern auch mehr als 30 Unterstützer aus ganz Deutschland, die uns von der Tribüne aus mental beistanden. An diesem Tag wurden insgesamt drei Petitionen in der von der Vorsitzenden Kersten Steinke geleiteten 57. Ausschuss-Sitzung behandelt, neben unserem Anliegen auch noch die Themen Kinderkrankenpflege und E-Zigaretten.

... und hier in Aktion

Nach dem Kinderkrankenpflege-Thema waren wir an der Reihe, als Vertreterin des Ministeriums für Gesundheit (BMG) stellte sich Staatssekretärin Annette Widman-Mauz den Fragen der Ausschuss-Mitglieder. Meine vier Seiten Ansprache waren auf einmal Nebensache und so hielt ich die Einführung in das Thema AMNOG und Epilepsie quasi „frei Schnauze“. Auch wenn ich mir vorher einige Sitzungen in der Mediathek des Bundestags angesehen hatte, war es doch etwas ganz anderes, in diesem ausgesprochen ritualisierten Prozedere selbst eingebunden zu sein. Die Fragen der Abgeordneten richteten sich zum Glück öfter an die Staatsekretärin als an Prof. Hamer und mich.

Günter Baumann von der CDU eröffnete die Fragerunde, Martina Stamm-Fibich (SPD), Birgit Wöllert (Die Linke) und Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) folgten. Wir versuchten, die speziellen Anforderungen der Epilepsietherapie eindringlich und bildhaft darzustellen, sprachen die Probleme bei Verhandlungen mit dem MDK zu Einzelfallentscheidungen an und wiesen auf die Unzulänglichkeit des AMNOG in Bezug auf chronische Erkrankungen mit individualisierter Therapie hin. Wir forderten das BMG erneut auf, die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit maßgeschneiderte Therapien, wie sie bei Epilepsien notwendig sind, auch im System des AMNOGs abgebildet und bewertet werden können und somit für die Patienten zur Verfügung stehen. Sollte das BMG eine andere akzeptable Lösung für das Problem finden, wäre uns das natürlich auch recht.

Unsere große Hoffnung ist, dass wir in den Köpfen der Parlamentarier etwas bewegt haben. Ob unsere Petition Erfolg hat und sich für Epilepsie-Patienten etwas ändert, muss sich noch zeigen - die parlamentarischen Mühlen mahlen langsam und so wird eine Entscheidung bestimmt noch Wochen oder Monate auf sich warten lassen. Aber, sobald wir etwas wissen, werden wir es hier, auf unseren Internetseiten, bei Facebook und über unseren Newsletter bekanntgeben. Das ist auf jeden Fall sicher!

Eine kurze Zusammenfassung der Sitzung ist im Textarchiv des Bundestags zu finden:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw15-pa-petitionen-epilepsie/418096

Die gesamte Sitzung mit allen drei Petitionen kann in der Mediathek des Bundestages angeschaut werden, wer nur den Epilepsie-Teil sehen möchte, kann diesen extra ansteuern:
http://www.bundestag.de/mediathek?action=search&contentArea=details&offsetStart=12&id=6725433&instance=m187&categorie=Ausschusssitzungen&mask=search&lang=de

Susanne Fey, Wuppertal

 

 

Bilder - Quelle: privat