Mein Weg mit Epilepsie

In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und uns zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen. Hier die Geschichte von Hans Georg Elblein, geb. 31.03.1957, berufstätig als Industriefachhelfer.

 

Diagnose

Meine Geburt war schwierig, ich bekam eine Nottaufe und ein halbes Jahr später den ersten epileptischen Anfall, bei dem ich ca. 14 Stunden bewusstlos war. Im Krankenhaus wurde dann die Diagnose „Cerebrales Anfallsleiden“ gestellt mit psychomotorischen Anfällen, die fokal beginnen und zu einem Grand mal werden. Durchschnittlich bekam ich ca. 12 Anfälle im Monat, welche sich bei Vollmond verstärkten und wesentlich mehr wurden. Im Krankenhaus erzählte man meinen Eltern damals gar nichts über die Erkrankung, es wurden nur Tabletten bzw. Säfte verordnet, das war alles.

 

Ab November 1967 übernahm meine Epilepsie-Behandlung der Erwachsenen-Neurologe Dr. Gerstacker, einen Neuro-pädiater gab es damals bei uns noch nicht, der mich auf Mylepsinum® (Wirkstoff: Primidon) einstellte. Er schaffte es, dass meine Anfälle immer weniger wurden und ich schließlich nicht mehr als einen Anfall pro Jahr hatte, also fast anfallsfrei war – ihm habe ich sehr viel zu verdanken.

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Kindergarten/Schule


Bis zur Einschulung war ich in keinem Kindergarten, meine Aufnahme wurde immer mit der Begründung der bestehenden Epilepsie abgelehnt, obwohl ich in den letzten 2-3 Jahren vor der Schule wenige Anfälle hatte.

 

Im September 1964 kam ich in die örtliche Grundschule, damals noch Volksschule genannt. Das erste Jahr bei Herrn Sch. drehte ich gleich eine „Ehrenrunde“. Die Anfälle wurden wieder mehr. Danach bekam ich mit Frau K. eine sehr verständnisvolle Lehrerin für die (wiederholte) 1. und anschließend auch die 2. Klasse. Bei ihr kam ich sehr gut mit und die Anfälle hielten sich in Grenzen.

 

In der 3. Klasse ein weiterer Wechsel, jetzt hatte ich den Rektor der Schule als Klassenlehrer. Von da an stieg die Anzahl meiner Anfälle erneut an, ich wurde so richtig gemobbt und gehänselt – sehr oft wenn und weil er nicht im Klassenzimmer war. Zwei andere Lehrkräfte rieten meiner Mutter zu einem Schul-wechsel, deshalb ging ich ab dem 2. Halbjahr der 3. Klasse in die Förder-schule, wo ich wieder auf eine sehr einfühlsame Lehrerin traf. Ab der 4. Klasse mit einem weiteren aufgeschlossenen Lehrer Herrn St. ließ das Mobbing sehr nach. Nach der 7. Klasse übersprang ich die 8. und in der Abschlussklasse kam dann Herr Sch., streng aber auch sehr gerecht. Bei Problemen hatte er immer ein offenes Ohr für uns.

 

Rückblickend kann ich sagen, dass sehr viel meiner Leistungsfähigkeit vom Verständnis und Einfühlungsvermögen der jeweiligen Lehrkraft abhing … ich glaube, diese Tatsache hat sich seit damals nicht geändert.

Ausbildung/Beruf

Nach dem Schulende war ich erst einmal arbeitslos. Die Chefs der Firmen sagten mir immer wieder ab. Begründung: Epileptische Anfälle könnten den Mitarbeitern und Kunden nicht zugemutet werden, außerdem sei die Arbeit an den Maschinen zu gefährlich.

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Von September 1973 bis Ende Juli 1974 machte ich dann bei der IHK einen Berufsfindungslehrgang (Maurer, Metallverarbeitung und Schreiner), war danach aber wieder ohne Arbeit. Ab November 1974 bis Juli 1976 besuchte ich das Berufsbildungswerk Altdorf-Rummelsberg, wohnte im angeschlossenen Internat, dem Wichernhaus in Altdorf, und machte eine Ausbildung zum Industriefachhelfer. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Hatte ich vorher behütet und betreut bei meinen Eltern gelebt, lernte ich jetzt selbstständig zu werden und meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich habe das als sehr schöne Zeit in Erinnerung und bedauere nur, dass ich nicht vorher bereits die Ablösung von zu Hause schaffte. Die Anfälle hielten sich trotz allem während der ganzen Zeit in Grenzen (1-2x pro Jahr).

 

Anfang Mai 1977 fand ich endlich eine Arbeitsstelle (Plexiglas-Verarbeitung und -Zuschnitt, Lager sowie Kundenberatung). Allerdings löste sich die Firma nach 20 Jahren im Juni 1998 auf und so war ich wieder auf Arbeitssuche. Es folgte eine Trainingsmaßnahme für Schwerbehinderte auf der Euroschule von der Arbeitsagentur aus und ich absolvierte einige Praktika, die aber zu keiner Festeinstellung führten.

 

Durch das Integrationsamt in Nürnberg bekam ich Mitte August 2000 ein Praktikum für drei Wochen bei der Firma LWF Lang GmbH (Maschinenbau) in Feucht, das ich erfolgreich bestand. Ab September 2000 wurde ich als Industriefachhelfer eingestellt und arbeite dort immer noch. Meine Epilepsie war hier überhaupt kein Hindernis, denn mein neuer Arbeitgeber hatte schon sehr positive Erfahrungen mit einem anderen betroffenen Arbeitnehmer gemacht.

 

Größte Einschränkung durch die Erkrankung?

Da ich mit der Erkrankung groß geworden bin, habe ich immer alles so akzeptiert, wie es war.

 

Negativstes Erlebnis in Bezug auf meine Epilepsie?

Mit ungefähr 26 Jahren lerne ich bei der Offenen Behindertenarbeit (OBA) Nürnberg eine Frau kennen und lieben. Nach längerer Gemeinsamkeit fragte ich sie, ob sie sich vorstellen könne, eine feste Beziehung mit mir einzugehen. Sie selbst hatte keine Erkrankung und ich bekam zur Antwort, sie könne mit jedem anderen Behinderten zusammenleben, nur nicht mit einem Epileptiker. Mir zog es richtig die Füße weg. Das hat mich schwer mitgenommen und es dauerte einige Zeit, bis ich darüber hinwegkam.

 

Verbinden Sie mit der Erkrankung auch etwas Positives?

Über viele Jahre, seit 1985, besuchte ich die Interessengemeinschaft Anfallskranker Roth-Schwabach, die von Renate Windisch geleitet wird – wir stehen bis heute noch in herzlicher und freundschaftlicher Verbindung. Dadurch bekam ich Kontakt zu anderen Betroffenen, aber auch wichtige Informationen zu Behandlung und Adressen von Ärzten. So z. B. auch vom Neurologen Dr. Faust und dessen Nachfolger Dr. Hauck, wo ich heute noch in Behandlung bin. Seit ca. 25 Jahren bin ich jetzt anfallsfrei und sehr froh darüber und dankbar dafür!

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Positivstes Erlebnis in Bezug auf Ihre Epilepsie?

Das sind eindeutig meine Reisen, die ich trotz der Bedenken von Verwandten und Bekannten machte und die mich rund um die Welt führten: Bali, Florida, die Westküste der USA, Kreta, eine Seereise um Europa, Hongkong, Thailand – um nur einige meiner schönen Ziele zu nennen.

 

Und was haben Sie für die Zukunft geplant?

Eigentlich hatte ich vor, mit 60 in Rente zu gehen und habe daher einen Rentenberater der Deutschen Rentenversicherung aufgesucht. Fazit: Wenn Du einen Termin dort hast, gehst Du bildlich gesehen besoffen rein, aber nüchtern kommst Du wieder raus …

 

Aber das ist eine andere Geschichte …

 

Hans Georg Elblein, Nürnberg