Tuberöse Sklerose – selten & komplex

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Diese seltene Erkrankung, die häufig bereits im Kindesalter auftritt, kann viele Organe, darunter auch das Gehirn, betreffen und somit Verursacher von epileptischen Anfällen sein.

Die Tuberöse Sklerose ist eine seltene Erbkrankheit, bei der Gewebswucherungen und -fehlbildungen in fast allen Organen wie z. B. dem Gehirn, der Niere, dem Herz, der Haut, aber auch der Lunge, den Verdauungsorganen, Knochen oder Zähnen auftreten können. Sie wird deshalb auch die „Krankheit mit vielen Gesichtern“ oder medizinisch „Tuberöse Sklerose-Komplex“ (TSC, aus dem Englischen „Tuberous Sclerosis Complex“) genannt. Die Beschwerden, die mit der Tuberösen Sklerose einhergehen, können von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Zu den häufigsten Symptomen gehören epileptische Anfälle und Störungen der geistigen Entwicklung.

Die Tuberöse Sklerose tritt oft bereits im Kindesalter zum ersten Mal in Erscheinung. Schätzungen zufolge leiden 7.145 Menschen in Deutschland daran. Genaue Angaben über die Häufigkeit sind allerdings schwierig, weil typische Anzeichen zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten und die Erkrankung meist nicht sofort nach der Geburt erkannt wird.

In den letzten Jahren ist es gelungen, die Ursache für die Entwicklung der Tuberösen Sklerose herauszufinden. Verantwortlich sind Veränderungen im Erbgut (Mutationen). Die betroffenen Gene heißen TSC1 und TSC2. Normalerweise hemmen sie das Eiweiß mTOR, das für Zellwachstum und -teilung zuständig ist. Liegt jedoch eine genetische Veränderung von TSC1 oder TSC2 vor, wird die Aktivität von mTOR nicht mehr gehemmt und die betroffene Zelle verändert sich in der Struktur bzw. teilt sich häufiger. Es bilden sich meist gutartige Tumoren, so genannte Hamartome. Sie breiten sich nicht in umgebendes Gewebe aus und bilden keine Tochtergeschwülste (Metastasen), sind aber u. a. verantwortlich für die Symptome.

Die Tuberöse Sklerose ist nach heutigem Stand nicht heilbar. Die Behandlung orientiert sich daher an den Beschwerden, unter welchen die Patienten leiden. Für viele dieser Symptome stehen gute Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Da mTOR eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung der Krankheit spielt, scheint die Hemmung dieses Eiweißes ein vielversprechender Behandlungsansatz zu sein, um einer übermäßigen Zellvermehrung (Tumorbildung) entgegenzuwirken und somit eine so genannte ursachenorientierte Therapie zu ermöglichen.

Unterschiedliche Ausprägungen erschweren Diagnose

 

Da die Tuberöse Sklerose zu Veränderungen in verschiedenen Organen führen kann, sind die Symptome dafür unterschiedlich. Sie treten auch zu verschiedenen Zeitpunkten auf. Eine Diagnose gestaltet sich daher schwierig, insbesondere, wenn die Betroffenen sehr jung, z. B. im Säuglingsalter, sind. Eine Gruppe von Spezialisten hat deshalb Diagnosekriterien erarbeitet, die Haupt- und Nebensymptome beschreiben. Können mindestens zwei Hauptmerkmale oder ein Hauptmerkmal und mindestens zwei Nebenmerkmale nachgewiesen werden, gilt die Diagnose Tuberöse Sklerose als gesichert.

Epilepsie wird bei vielen Patienten als erstes Krankheitsanzeichen der Tuberösen Sklerose festgestellt. Sie tritt im Vergleich zu anderen Symptomen, wie z. B. Hautveränderungen und Verzögerungen in der Entwicklung, sehr früh auf.

Obwohl unter anderem auch innere Organe betroffen sein können, leiden Patienten – neben Krampfanfällen oder Verhaltensauffälligkeiten – vor allem unter den sichtbaren Veränderungen der Haut: Weiße Hautareale (hypomelanotische Flecken), rötliche und schmerzende Hautknötchen im Gesicht (faziale Angiofibrome) oder Hautverdickungen (Chagrinhaut und fibröse Stirnplaques), aber auch kleine Hauttumore im Bereich der Finger- und Fußnägel (Nagelfalzfibrome oder Koenen-Tumore) werden im Rahmen der Tuberösen Sklerose beobachtet. Die Krankheit kann sich aber auch im Mund äußern: Zahnschmelzdefekte an den Zähnen oder kleine Wucherungen am Zahnfleisch gelten als Hinweise. Gutartige Tumoren der inneren Organe können nur anhand bildgebender Verfahren wie der Computertomographie, der Magnetresonanztomographie oder dem Ultraschall festgestellt werden.

Klarheit über das Tragen der Mutation im Erbgut und der Erkrankung Tuberöse Sklerose bringt eine so genannte molekulargenetische Untersuchung: Sie zeigt in den meisten Fällen die Veränderung in einem der beiden TSC-Gene auf und kann damit eine Tuberöse Sklerose bestätigen.

TSC und Epilepsie

Das Gehirn ist bei der TSC besonders häufig betroffen: Die Hirnrinde weist dabei höckerartige Veränderungen auf, so genannte Tubera (siehe Abbildung 1). Sie haben der Krankheit zu ihrem Namen verholfen und können Epilepsie, eine geistige Entwicklungsverzögerung oder psychische Auffälligkeiten verursachen.

Abbildung 1 zeigt die häufig im Gehirn vorkommenden Veränderungen bei TSC
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Insbesondere epileptische Anfälle sind ein wichtiges Symptom und gleichzeitig eine gefürchtete Komplikation bei der Tuberösen Sklerose. Etwa 85 % der Patienten entwickeln eine Epilepsie. Sie beginnt häufig bereits im Säuglings- und Kindesalter: 70 % der ersten Anfälle werden zwischen der Geburt und der Vollendung des ersten Lebensjahres beobachtet. Danach nimmt das Neuauftreten einer Epilepsie mit dem Alter ab: Während zwischen einem bis vier Jahren 16 % der Kinder erstmals epileptische Anfälle haben, sind es bei den über 16-jährigen nur noch 4 %. Bei Säuglingen und Kleinkindern steht vor allem das so genannte West-Syndrom/Blitz-Nick-Salaam (BNS) im Vordergrund. Typisch dafür sind symmetrische Beuge- oder Streckkrämpfe der Arme und Beine (Blitzkrämpfe), kurze Nickbewegungen des Kopfes (Nickkrämpfe) oder das Ausbreiten und Schließen der Arme vor dem Oberkörper (Salaam-Anfälle). Im späteren Lebensalter treten auch fokale Anfälle (z. B. unkontrollierte Bewegungen, Kribbeln oder Angstgefühl bei vollem oder leicht eingeschränktem Bewusst-sein) und generalisierte Anfälle (z. B. Bewusstseinspausen mit oder ohne Muskelkontraktionen) auf.

Bei betroffenen Kindern ist die körperliche und geistige Entwicklung häufig verzögert. Etwa die Hälfte dieser Kinder ist geistig behindert und weist Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. Autismus oder eine Lernbehinderung auf. Erschwerend kommt hinzu, dass die Behandlung epileptischer Anfälle gerade im Kindesalter schwierig ist, da Therapien nicht ausreichend wirken.

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TSC-Zentren: Gebündeltes Fachwissen

Der Verdacht auf eine Tuberöse Sklerose wird häufig im Rahmen des Auftretens oder der Behandlung von Symptomen, wie z. B. der Epilepsie gestellt. Um die Diagnose zu sichern und mögliche Beschwerden bestmöglich behandeln zu können, ist die enge Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen notwendig. Dazu gehören Kinderärzte (Pädiater) und Spezialisten für das Gehirn (Neurologen), die inneren Organe (Internisten), das Herz (Kardiologen), die Nieren (Nephrologen), die Haut (Dermatologen), der Lunge (Pulmologen), aber auch Chirurgen, Fachleute für Bildgebung (Radiologen) sowie Psychologen und Psychiater. So genannte TSC-Zentren bündeln dieses Fachwissen und stellen die beste Anlaufstelle für TSC-Patienten bzw. Betroffene mit Verdacht auf TSC dar. Eine Liste von TSC-Zentren, aber auch umfassende Informationen zur Erkrankung sind auf der Website der Patientenorganisation „Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.“ zu finden (www.tsdev.org).

Weitere Informationen zur Erkrankung, den Symptomen und der Behandlung bietet auch die Website www.leben-mit-tsc.de.

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für Novartis Pharma GmbH


Die Tuberöse Sklerose wird durch genetische Veränderungen (Mutationen) ausgelöst. Bei ca. zwei Drittel der Patienten treten sie spontan auf – man spricht von einer Neumu-tation. Bei etwa einem Drittel wurden sie von den Eltern an die Kinder vererbt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutation des TSC-Gens, die sich in der Keimbahn befindet, an die Nachkommen weitergegeben wird, liegt bei 50 %.

Für viele Betroffene stellt sich im Rahmen der Familienplanung die Frage, ob die Krankheit bei den Kindern auftreten könnte. In diesem Fall ist eine genetische Beratung sinnvoll, die von Fachärzten für Humangenetik angeboten wird. Ausführliche Informationen dazu bietet auch die Website von „Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.“ www.tsdev.org.