Forschungspreis für Tübinger Hirnforscher
Preisgeld dient der Etablierung einer Arzneitherapie für Patienten mit schwerer, medikamentenresistenter Epilepsie
Für ihre Erforschung einer seltenen und schwer verlaufenden genetisch bedingten Form der Epilepsie wurde ein Team um Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung sowie der Universität und dem Universitätsklinikum Tübingen am 20.02.2018 mit dem diesjährigen Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen ausgezeichnet. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro kommt der Entwicklung einer Arzneitherapie für Patienten zugute, deren Erkrankung auf einer Mutation im KCNA2-Gen beruht. Ihre Form der Epilepsie geht mit schweren Entwicklungsstörungen einher und lässt sich bislang nicht mit den üblichen Mitteln behandeln. Ein anderweitig zugelassener Wirkstoff zeigte sich im Rahmen individueller Heilversuche jedoch erfolgversprechend.
Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung und die damit verbundene Anerkennung unserer Arbeit“, erklärt Preisträgerin Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch. „Mit dem Preis möchten wir zum einen den Gendefekt und zum anderen die Verwendung des Wirkstoffes 4-Aminopy-ridin bei dieser spezifischen Epilepsieform weiter untersuchen.“ Darüber hinaus möchten die Hirnforscher eine Datenbank über die verschiedenen KCNA2-Genmutationen und damit verbundenen Unterformen der Erkrankung erstellen. Nicht bei allen ist das Medikament wirksam. Die Datenbank soll Ärzten ermöglichen, bei einem Patienten mit diagnostiziertem KCNA2-Gendefekt schnell zu entscheiden, ob der Wirkstoff helfen könne oder nicht. Auf diese Weise könne ohne große Verzögerung mit einer Therapie begonnen werden und so hoffentlich der oftmals schwere Krankheitsverlauf gelindert werden.
Aktuell ist der Wirkstoff 4-Aminopyridin nur für die Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen. Bis er für die Standardtherapie von Epilepsien freigegeben wird, die auf KCNA2-Gende-fekten beruhen, sind weitere Untersuchungen notwendig. So ist Grundlagenforschung nötig, um etwa zu verstehen, wie die Substanz bei den verschiedenen Unterformen der Erkrankung genau wirkt. Nach weiteren individuellen Heilversuchen planen die Tübinger Wissenschaftler dann eine erste standardisierte Arzneimittelstudie in den nächsten Jahren.
Mit bislang nur rund 30 bekannten Fällen weltweit gehören Epilepsien, die durch KCNA2-Genmutationen verursacht werden, zu den seltenen Erkrankungen. Die Entwicklung eines passenden Arzneimittels ist meist zu teuer und deshalb wenig rentabel für Pharmafirmen. Auch ist die Interessensvertretung der wenigen Patienten zu schwach. „Umso mehr freut es uns, wenn wir mit unserer Forschung gerade diesen Patienten helfen können“, so Hedrich-Klimosch. „Wir hoffen, dass wir langfristig noch weitere Patienten behandeln und dadurch ihre Lebensqualität – und die ihrer Familien – verbessern können.“
Dr. Mareike Kardinal,
Pressestelle Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)