Mein Weg mit Epilepsie
In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und uns zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen. Hier die Geschichte von Franziska Ottlik, einer jungen Frau mit Behinderung, von der niemand wusste, welch ungeheures Talent sie besitzt. Erst mit Hilfe der FC (Facilitated Communication = Gestützte Kommunikation) konnte sie sich vor einigen Jahren der Welt mitteilen. Jetzt arbeitet sie als Autorin, ihre Texte und Gedichte sind in einem Buch erschienen und sie besitzt einen eigenen Blog – siehe Kasten am Ende des Artikels.
Persönliche Daten:
Ich heiße Franziska Ottlik, bin 23 Jahre alt und arbeite ehrenamtlich im Sozialkaufhaus Contact und als freie Redakteurin in eigener Sache. Ich schreibe Texte für das Magazin liesLotte und für die Augsburger Allgemeine. Mein Herz gehört der Inklusion, weil ich mit meiner Behinderung nicht in einem Heim gelandet bin, sondern in einer eigenen Wohnung. Dort lebe ich zusammen in einer WG mit einem ebenfalls behinderten jungen Mann. Wir ergänzen uns wunderbar und teilen uns die Nachtassistenz. Tagsüber haben wir immer jemanden an unserer Seite und auch unsere lieben Eltern helfen uns viel.
Epilepsiediagnose:
Meinen ersten Anfall hatte ich vor der Pubertät und die Häufigkeit war fast unerträglich. Serienweise Anfälle, oft auch täglich. Kein Medikament konnte mir lange Zeit helfen, bis vor kurzem ein neuer Wirkstoff zu meinem Cocktail dazu kam. Seitdem sind die Anfälle weniger geworden und ich entdecke mein Leben. Ich erkenne jetzt, wer ich eigentlich bin und kann endlich meine Entwicklung selbst in die Hand nehmen. Es ist wie ein zweites geschenktes Leben.
Wie war das in der Kindheit/Schulzeit? Haben die Anfälle Sie in irgendeiner Form eingeschränkt oder waren das mehr andere Dinge? Wie ist das mit Ihren Eltern, d. h. wurden Sie aufgrund der Epilepsie mehr beaufsichtigt als andere Kinder?
Meine Kindheit war hart. Ich habe mich permanent gegängelt und gedrängelt gefühlt. Das geht mir auch heute noch so, obwohl es gar nicht mehr nötig ist. Ich konnte aufgrund der Epilepsie nie alleine sein. Als Schülerin hatte ich einen hässlichen Helm auf und ich wurde wie von einem Wachhund bewacht. Heute verstehe ich es, denn ein Sturzanfall kann tödlich sein. Meine Eltern haben mein Schicksal mit mir geteilt. Wir alle mussten auf vieles verzichten, aber meine Familie stand immer zu mir. Dafür bin ich unendlich dankbar. Heute denke ich, dass ich diese Aufgabe selbst ausgewählt habe, um in meiner Seele reif zu werden. Es gelingt mir jeden Tag besser. Da ich nicht nur körperbehindert und Epileptikerin bin, sondern auch nicht sprechen kann, wussten viele Menschen nicht um meine Intelligenz. Mir wurden die Augen geöffnet durch sagenhaft gute Menschen, mit welchen ich gelernt habe, mich auszudrücken.
Wie und wann haben Sie das Schreiben entdeckt? Wer hat Sie dabei unterstützt?
Das Schreiben hat mich entdeckt. Ich wurde entdeckt, indem mir die FC-Schreibtechnik beigebracht wurde. Eigentlich habe ich nur niedergeschrieben, was in meinem Kopf ist. Da sagten Menschen zu mir, dass ich begabt bin. Ich war total von den Socken, war mir meiner eigenen Gabe nicht bewusst.
Unterstützt haben mich viele, Assistentinnen, Lehrer der Montessori Schule, das Sozialkaufhaus Contact, Uta Börger von der liesLotte, die mein Buch ermöglicht hat, unsere Diedorfer Kirchengemeinde, Angelika Lonnemann, die mir meinen Blog eingerichtet hat, die Augsburger Allgemeine mit der Veröffentlichung meiner Texte und Freunde unserer Familie.
Mein Buch ist mein ganzer Stolz. Ein Traum von mir ist wahr geworden.
Welche Pläne haben Sie noch? Wie stellen Sie sich die Zukunft vor – auf allen Ebenen (beruflich/privat)? Was sind Ihre Wünsche an die Gesellschaft?
So gerne möchte ich der Gesellschaft zeigen, was unter der Haut eines behinderten Menschen steckt. Wozu wir alle fähig sind, wenn man uns lässt und uns an der richtigen Stelle Hilfe gibt. Oftmals wird uns falsch geholfen. Denn unsere wahren Begabungen liegen etwas verborgener als bei anderen. Wer Liebe im Herzen trägt und mit Verstand und Feingefühl an mich herantritt, darf sich überraschen lassen, denn ich habe viel zu geben. Ich schenke Freude, Anteilnahme, Lebenslust, tiefgründige Gedanken und Gefühle, Glaube und Spiritualität.
Alles Eigenschaften, die unsere Gesellschaft dringend braucht. Deshalb ist mein Wunsch an die Gesellschaft: Gewährt uns unser persönliches Budget und wir verändern euch, so dass ihr in einer Gesellschaft leben könnt, die lebenswert ist und angefüllt mit Zwischenmenschlichkeit.
Welches ist für Sie persönlich die größte Einschränkung durch Ihre Behinderung? Verbinden Sie vielleicht auch etwas Positives damit?
Meine größte Einschränkung ist, dass ich nicht frei sein kann. So gerne würde ich an das Meer fahren und zu den Fischen hinabtauchen, aber mein Rollstuhl kommt nicht einmal durch den Sand. Ich weine nicht mehr darüber, denn ich erkenne, dass mein Hilfebedarf so liebe Menschen an meine Seite lockt, dass ich tagtäglich mit ihnen Freude empfinde. Wir bereichern uns gegenseitig und ich liebe sie alle.
Was war Ihr negativstes Erlebnis in Bezug auf Epilepsie?
Meine schlimmste Erfahrung war der Krankenhausaufenthalt nach einem großen Anfall. Der Verdacht auf Schlaganfall bestand. Außerdem beeinträchtigte es die Entwicklung als junge Frau. Ich habe noch nie Sex gehabt und küssen wollte mich auch keiner. Meine Kleidung war ja auch ständig nass vom Speichelfluss.
Verbinden Sie mit der Behinderung und der Epilepsie-Erkrankung auch etwas Positives?
Mein größtes Glück sind die wunderbaren Kontakte zur Epilepsie-Beratung, die wundervollen Menschen mit ihrer sagenhaften Zärtlichkeit, bei jeder Begrüßung, bei jeder Umarmung und die Hilfsbereitschaft meiner Umwelt.
Franziska Ottlik, Augsburg
zusammengefasst von
Doris Wittig-Moßner, Nürnberg
Franziska Ottlik hat ein Buch mit Gedichten und Texten veröffentlicht, der Titel lautet:
„Überraschungsei“
Die Buchbesprechung finden Sei unter den Rezensionen dieser Ausgabe.Außerdem hat sie einen eigenen Blog, über den man Kontakt zu ihr aufnehmen und das Buch bestellen kann: franziskaottlik.wordpress.com
Franziska Ottlik – Über mich:
ich heisse franziska ottlik
und bin offiziell schwer behindert
ich sehe dies anders
aber weil ich nicht richtig sprechen kann glauben die meisten menschen ich wäre nicht in der lage zu denken
empfindungen sprechen sie mir nicht ab aber logik
so ein scheiss wenn man merkt
dass die leute mich falsch sehen
und ich ihnen nicht erklären kann dass es ganz anders ist
fc (gestützte kommunikation)
hat mir die möglichkeit gegeben es zu ändern
lest selber nach was es bedeutet