Von Herstellerwechsel ist abzuraten
Ein unkritischer Herstellerwechsel bei Antikonvulsiva kann für Epilepsie-Betroffene das Risiko für weitere epileptische Anfälle erhöhen. Dies könnte auf der Tatsache basieren, dass generische Produkte hinsichtlich der Bioverfügbarkeit (Blutspiegel) Abweichungen nach oben von bis zu 25 % und nach unten von bis zu 20 % aufweisen dürfen. Entsprechende Änderungen der Wirkstoffkonzentration im Blut können sich bei der Therapie von Epilepsien besonders bemerkbar machen, da die optimale Dosierung für jeden Patienten sehr sorgfältig individuell eingestellt wird. Allerdings existieren auch Studien, die in einem stark schematischen Rahmen dargelegt haben, dass die Blutspiegel in der Regel doch nicht sehr weit voneinander abweichen. Jenseits dieser pharmakologischen Überlegungen existieren aber auch weitere Gründe, warum im alltäglichen Leben ein Herstellerwechsel häufig negative Folgen für den Betroffenen hat.
Ein Präparatetausch stellt für viele Betroffene eine Verunsicherung dar, gerade wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden müssen. Es ändern sich Form und Farbe der Tabletten, die häufig schlecht beschriftet sind, man kommt leichter durcheinander und Einnahmefehler treten auf. Neuere Studienergebnisse weisen darauf hin, dass gerade bei älteren Menschen das Risiko für Anfälle in den Monaten nach einem Herstellerwechsel deutlich ansteigt.
Bei Neueinstellungen oder ohnehin erforderlichen Umstellungen der antiepileptischen Therapie können Generika oder Originalpräparate in aller Regel problemlos eingesetzt werden.
Die insbesondere durch Rabattverträge nicht mehr kontrollierbare Abgabe von unterschiedlichen Präparaten mit dem gleichen Wirkstoff ist bei der Behandlung von Epilepsien nicht geeignet. Daher empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) den verordnenden Ärzten insbesondere bei anfallsfreien Patienten das „Aut-idem-Kreuz“ zu setzen, das einen Austausch des Präparates durch ein anderes wirkstoffgleiches Medikament eines anderen Herstellers ausschließt. Dadurch soll verhindert werden, dass das oft mühevoll erreichte Therapieziel einer dauerhaften Anfalls- und/oder Nebenwirkungsfreiheit in irgendeiner Weise gefährdet wird. Vor allem bei diesen Patienten sollte die erfolgreiche Arzneimittelzubereitung, sei es ein Originalpräparat oder Generikum, konstant eingesetzt werden, um eine verlässliche Situation beim Betroffenen zu gewährleisten. Zu beachten ist, dass zum Teil Generika mit identischer Formulierung z. B. von demselben Hersteller des Originalpräparates auf den Markt gebracht werden. In diesen seltenen Fällen ist in der Regel ein Austausch unproblematisch möglich.
Diese Empfehlungen hat die DGfE auch in einer offiziellen Stellungnahme niedergelegt, die unter www.dgfe.org eingesehen werden kann. Kommt es nämlich zu einem Rückfall, steht für den Betroffenen viel auf dem Spiel. Es drohen Verlust der Kraftfahreignung oder andere berufliche wie private Probleme und der Arzt könnte mit Haftungsfragen konfrontiert sein, v. a. wenn er den Austausch aus rein ökonomischen Gründen und ohne die erforderliche Aufklärung vorgenommen hat.
Da etwa 2/3 aller Antiepileptika durch Hausärzte/Internisten und Kinderärzte verschrieben werden, empfiehlt die DGfE darüber hinaus, in Arztbriefen von Epilepsie-Patienten z. B. als Fußzeile einen Zusatz aufzunehmen, der von dem Austauschen des Präparats abrät. Die letztendliche Entscheidung über einen Austausch muss in jedem Fall kritisch geprüft werden und ist somit dem behandelnden Facharzt zu überlassen.
Zusammenfassend ist davon abzuraten, ohne triftigen Grund bei Betroffenen mit einer erfolgreichen Therapie eine Umstellung auf ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Herstellers vorzunehmen.
Prof. Dr. Hajo Hamer,
Epilepsiezentum Erlangen
Kontakt:
Universitätsklinikum Erlangen
Epilepsiezentrum in der
Neurologischen Klinik
Leiter Prof. Dr. Hajo Hamer, MHBA
Schwabachanlage 6
91054 Erlangen
www.epilepsiezentrum.uk-erlangen.de