Mein Weg mit Epilepsie

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In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und uns zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen. Hier die Geschichte von Anna, deren betroffene Tochter Luisa mittlerweile eine junge Erwachsene ist und als kaufmännische Angestellte in einem mittelständischen Betrieb arbeitet.

„Wir, die Eltern, sind mit der Erkrankung unserer Tochter alt geworden.“

Diagnose
Man war sich aus Sicht der „Experten“ nicht so ganz einig, um welche Art von Anfällen es sich handelt. Als Kind waren es fokale, später generalisierte, jetzt werden die Anfälle als kryptogen bezeichnet.

Es gab eine sehr dunkle Zeit, in der sie zig Anfälle im Monat hatte. Der erste Anfall/die erste Absence war sicherlich schon bevor sie in die Schule kam. Bei einem Familienurlaub in den Bergen fiel sie morgens im Speisesaal einfach um. Im Kindergarten wurde sie als „verträumt“ bezeichnet. Der Neurologe empfahl ein Medikament, bei dem ihr die Haare büschelweise ausfielen. Offiziell diagnostiziert wurde die Epilepsie nach einem Schlafentzugs-EEG in der Kinderklinik der Uni Erlangen. Damals war sie 8 Jahre alt und die 1. Heilige Kommunion stand an.

Man teilte uns die Diagnose ziemlich schonungslos auf dem Gang des Krankenhauses kurz und bündig mit und ließ uns dann stehen. Wie wir als Eltern damit umgehen sollten, interessierte offenbar niemanden. Es folgten verschiedene Medikamente, Kontroll-EEGs, Klinikaufenthalte, Monitoring, auf mein Drängen ein PET in Ulm und, und, und… Über die Jahre wurden die Klinikbesuche ein fester Bestandteil unseres Lebens und auch die Sorge um unser Kind, die wie eine große schwarze Wolke unser Leben verdüsterte und fast alles andere hintenan stellte.

Wie war das in der Schulzeit? Wussten die Mitschüler und/oder Lehrer von der Epilepsie? Oder hat Ihre Familie die Krankheit verheimlicht?

Natürlich haben wir Lehrer und Schule über die Krankheit unterrichtet. Ganz oft hieß es: „Da muss man doch was machen können.“ Dass es pharmakoresistente Epilepsien gibt, haben die Leute nicht begriffen oder nicht begreifen wollen. Es gibt doch für alles Pillen!

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Haben die Anfälle Ihre Tochter in irgendeiner Form in der Kindheit eingeschränkt? Wie war das mit langem Aufbleiben am Wochenende oder Übernachten bei Freunden?
Von einer „Freundin“, deren Eltern ein Schwimmbad im Garten hatten, wurde sie nach dem Bekanntwerden der Epilepsie nicht mehr eingeladen. Bei einem Kindergeburtstag auf einem Ponyhof war sie die Einzige, deren Pferd von einer Begleitperson an der Leine geführt wurde. Das hat sie verletzt und sie denkt bis heute daran.

Dass Schlafentzug Anfälle provoziert, wussten wir. Eine Übernachtung der Klasse direkt in der Schule mit Mitternachtsspielen u. ä. anlässlich eines Fes-tes fand deshalb leider ohne sie statt.

Welche Berufsausbildung konnte Ihr Kind absolvieren? Konnte es seinen Berufswunsch verwirklichen oder mussten Abstriche gemacht werden?
Gerne hätte sie etwas in der Küche/Gastronomie gemacht. In der Schule war Kochen eines ihrer Lieblingswahlfächer. Sie hat sich nach dem Ende der Schulzeit auch auf eigene Faust in der Beruflichen Schule des hauswirtschaftlichen Zweiges angemeldet und das erste halbe Jahr absolviert. In der Praxis (u. a. auch in einer Krankenhausküche vor Ort) hat sie aber erkannt, dass sie zu langsam ist und – trotz bestandener Prüfung – das Ganze wieder aufgegeben muss.

Im Berufsbildungswerk Rummelsberg konnte sie dann die Ausbildung zur Bürofachkraft erfolgreich absolvieren. Vom Arbeitsamt kam wenig. Erst als sie zum zweiten Mal vom IFD (Integrationsfachdienst) von einer sehr engagierten Betreuerin „an die Hand genommen wurde“, fand sie nach längerer Praktikumszeit ihren jetzigen Arbeitgeber.

Was war für Sie als Eltern die größte Einschränkung durch die Erkrankung?
Das ständige „Sich sorgen müssen“, Nicht-Loslassen-dürfen oder -können.

Verbinden Sie mit der Erkrankung auch etwas Positives?
An der Krankheit ist nichts Positives – außer vielleicht die Erkenntnis, dass uneingeschränkte Gesundheit etwas sehr, sehr Kostbares ist.

Was war Ihr negativstes Erlebnis in Bezug auf die Epilepsie Ihres Kindes?
Da die Epilepsie in einem Alter aufgetreten ist, in dem man beginnt selbstständig zu werden, hat die Diagnose natürlich die Entwicklung in dieser Hinsicht sehr eingeschränkt.

Was war Ihr positivstes Erlebnis in Bezug auf die Erkrankung Ihrer Tochter?
Man hat durch die SHG und den Kontakt mit dem Landesverband engagierte und selbstlose Menschen kennengelernt, die eine Bereicherung waren und sind … und mit denen man ohne die Epilepsie wahrscheinlich nie in Kontakt gekommen wäre.


Anna
zusammengefasst von Doris Wittig-Moßner, Nürnberg