Bitte warten, bitte warten …

Anfang Mai. Fühle mich wie in einer Zeitschleife oder wie Bill Murray im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Jeden Morgen mache ich das Radio an, höre von Inzidenzzahlen, Impfungen, Durchhalteparolen – nur die Geschäfte, die ich besuchen darf, ändern sich von Zeit zu Zeit. Den Überblick darüber habe ich schon vor einigen Wochen verloren.

 

Tagsüber hangle ich mich von E-Mail zu E-Mail, von Telefonat zu Telefonat und von Online-Veranstaltung zu Online-Veranstaltung. Trotz wechselnder Teilnehmer irgendwie ermüdend diese überbordende Digitalität in meinen Leben. Die persönliche Nähe – wer hätte gedacht, dass diese für unsere Kreativität, unser Wohlbefinden, unser gesamtes Dasein so unabdingbar sein könnte?

 

Abends habe ich die Wahl: Fernsehprogramm, Streaming, erneut vor den PC oder ein gutes Buch? Ich träume von Treffen mit Freunden, lauschigen Abenden im Biergarten und leckerem Essen in den Lokalen meiner Stadt. „Du musst aber noch warten“, sagt mir der Nachrichtensprecher. Keine Lockerungen in Sicht. Trotzdem schalte ich am nächsten Morgen wieder mein Radio ein – vielleicht hat sich über Nacht doch etwas verändert? Schließlich hat es Bill Murray auch irgendwann geschafft, den „Kreislauf“ zu durchbrechen. Ob ich dann auch meine Lehren aus dieser Periode des gefühlten Stillstands ziehe oder einfach so weitermache wie vorher? 

 

Denn manchmal schleichen sich so seltsame Gedanken ein, dass nicht alles schlecht ist: Online-Vorträge ersparen mir die teils lange Anreise zu Veranstaltungen, ich entdecke wunderschöne, mir bisher unbekannte Fleckchen Erde bei Ausflügen in die nähere Umgebung, der sonst vollgestopfte Kalender lässt mich zur Ruhe kommen und schafft Platz für neue Ideen – alles gute Dinge, die ich aber an vielen Tagen nicht wahrnehmen kann … oder will. 

 

Zukunftsforscher sind sich uneins, was uns von/nach dieser Pandemie bleiben wird – ob die Waagschale ins Positive oder Negative gehen wird. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo dazwischen. Jeder einzelne von uns hat es in der Hand, was wir aus dieser Krise mitnehmen. Ob sich Deutschland wieder zum Reiseweltmeister aufschwingt trotz aller Umweltbedenken? Ob die öffentlichen Verkehrsmittel wieder den Vorzug vor dem Auto bekommen? Ob wir wieder in die Läden zurückkehren, um vor Ort einzukaufen, statt online unsere Auswahl zu treffen? Es bleibt abzuwarten, wo wir landen.

 

Doris Wittig-Moßner

im Namen der epiKurier-Redaktion