Mein Weg mit Epilepsie

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In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen.

 

Hier die Geschichte von Margit Schäfer, 66 Jahre, ehrenamtlich aktiv im Bereich Soziales und Umweltpädagogik, Kontaktstelle „Epilepsie“, Tiersitterin, Ähnliches und mehr …

 

Meine Epilepsie – Kurzfassung:

  • Art der Anfälle: das ganze „Paket“ = Absencen, Grand mal, komplex-fokal und psychogen
  • Häufigkeit: variabel
  • Erster Anfall im Alter von drei Jahren
  • Behandlungsbeginn im Alter von 21 (!) Jahren

Wie war das als Kind bzw. in der Schulzeit? Wusste Ihre Umgebung von den Anfällen oder hat Ihre Familie diese verheimlicht?

Die Krankheit wurde verheimlicht, die Behandlung verhindert. Wo es ging, wurde ich von der Öffentlichkeit ferngehalten. Als hochbegabtes, hochsensibles, aber auch depressiv geltendes Kind flüchtete ich mich in eine „eigene Welt“ (da war ich ca. vier Jahre alt). Ich sonderte mich ab, wandte mich der Natur zu, sprach mit Tieren und Pflanzen, brachte mir selbst Lesen, Schreiben und Rechnen bei.

 

Als ich eingeschult wurde, empfand ich die Schule eher langweilig, war den Mitschülern intellektuell überlegen, wurde sehr bald zum Mobbing-Opfer. Zudem litt ich unter cerebralen Bewegungsstörungen und hatte einen Sprachfehler. Spott und Gewalt wurden die schulischen Begleiter, was sich später, als ich aufs Gymnasium wechselte, grausam fortsetzte.

 

An den schulischen Fächern hatte ich Interesse, doch vor den Mitschülern panische Angst, ebenso vor den Eltern, die Drohungen aussprachen und stets Kritik übten. Suizidgedanken, Ängste, Depressionen (eine Therapie wurde nach wie vor von den Eltern abgelehnt) ließen mich resignieren.

 

Mit 12 Jahren lief ich fort, lebte „auf der Straße“ und „durchwanderte“ verschiedene Erziehungsheime, wurde dann mit 15 Jahren als „unverbesserlich“ entlassen.

 

Welche Berufsausbildung haben Sie absolviert? Konnten Sie Ihren Berufswunsch verwirklichen?

Meine erste Berufsausbildung im Groß- und Außenhandel wurde mir von den Eltern vorgeschrieben. Am Arbeitsplatz wurde ich wiederholt missbraucht, was ich aus Angst verschwieg.

 

Ein Jobangebot in Nordfriesland eröffnete mir mit 18 Jahren den Weg in die Selbstständigkeit. Danach wechselte ich nach Frankfurt/Main, widmete mich einer sehr kräftezehrenden Fortbildung auf dem 2. Bildungsweg, gelangte schließlich an die Universität und wählte meine seit Kindheit erträumte Fachrichtung Astronomie/Physik. Neben Studium, Berufstätigkeit, wenig Schlaf häuften sich die Anfälle. Mitte 20 wurde mir die Frühberentung empfohlen – damals noch gang und gäbe bei Menschen mit Epilepsie.

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Auf Honorarbasis war ich danach in der astronomischen Volksbildung tätig, unterrichtete, hielt Vorträge, war in sozialen Projekten engagiert. Später wandte ich mich einer ganz anderen Tätigkeit zu: Mitte 30 wurde ich Gespannführerin, arbeitete mit Pferden, und erkannte, dass Tiere die besten Freunde sind. Hier erhielt ich sogar Anerkennung, was zur Folge hatte, dass die Anfälle ausblieben. Den Tieren konnte ich Nähe geben, Gefühle zeigen, was im zwischenmenschlichen Bereich ausblieb. Ich erlebte eine Welt ohne Gefühle – sei es im Elternhaus oder in der Ehe.

 

1976 heiratete ich, gebar zwei Töchter. Die Erstgeborene starb 1979 mit zehn Monaten an einem schweren Herzfehler, der in Zusammenhang mit der 1975 begonnenen antiepileptischen Therapie mit Valproinsäure gebracht wurde. Im November 1979 entband ich meine 2. Tochter – ebenfalls mit einer leichten Lernbehinderung, was wiederum auf dieses Medikament zurückgeführt wurde. Nach vielen Aufs und Abs lebt sie heute selbstständig in ihrer eigenen Wohnung und betätigt sich ehrenamtlich in der Kirche und beim Bund Naturschutz. Mein Gatte verstarb 1990.

 

Eine langjährige Verhaltens- und Traumatherapie lehrte mich als mittlerweile 50-jährige Frau, mich als Mensch zu sehen, mich anzufassen bzw. wahrzunehmen.

 

Später wurde ich dann auch noch Naturführerin.

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Was ist für Sie persönlich die größte Einschränkung durch Ihre Epilepsie?

Vorurteile, das gesellschaftliche „Schubladendenken“. Durch die Krankheit hatte ich keine Stresstoleranz.

 

Verbinden Sie mit Ihrer Erkrankung auch etwas Positives?

Als Mensch bin ich sehr feinfühlig und geduldig, was ich mit meiner Epilepsie in Verbindung bringe. Außerdem erfuhr ich viel Hilfsbereitschaft, wodurch ich wiederum sehr viel Verständnis für kranke Menschen empfinde und mich hineinversetzen kann in verschiedene Problematiken.

 

Was war Ihr negativstes Erlebnis in Bezug auf Epilepsie?

Das teratogene Missbildungsrisiko der antiepileptischen Therapie mit Valproinsäure, das damals noch wenig bekannt war. Aber auch die kontinuierliche Fehleinschätzung meiner Anfälle von Außenstehenden. Diese wurden als Alkohol- bzw. Drogensucht interpretiert („Ist wohl am Morgen schon betrunken“) und öffneten übler Nachrede sowie anderen Angriffen Tür und Tor.

 

Was war Ihr positivstes Erlebnis in Bezug auf die Erkrankung?

Ich galt und gelte als sogenannter „Mutmacher“ – jemand, der zeigen kann, dass auch auf dem größten „Misthaufen“ des Lebens gute Früchte gedeihen, und der niemals das Lachen verlernt hat.

Margit Schäfer

zusammengefasst von Doris Wittig-Moßner

 

„Optimismus ist die Saat für die Früchte der Zukunft!“

Margit Schäfer

Margit Schäfer schreibt außerdem Gedichte zu den Themen Tier, Mensch und Natur. Einer ihrer Gedichtbände ist über den Bauer-Verlag in 87677 Thalhofen zu beziehen:

 

Zwischen Zuhause und Daheim

ISBN: 978-3941013193

48 Seiten

Preis inkl. MwSt. € 6,00 zzgl. Versandkosten € 3,00

Tel.: 08345 1601

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