Meinungen aus Lobetal

In der Abteilung für Berufliche Rehabilitation (ABR) in Lobetal wurden in den vergangenen 10 Jahren junge Menschen mit Epilepsie und Lernbehinderung auf eine Berufsausbildung oder eine Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt vorbereitet. Die Jugendlichen sind hier von Sozialpädagogen, Ausbildern, Fachärzten und Psychologen, die im Umgang mit Epilepsie Erfahrung haben, kompetent beraten, betreut und begleitet worden.

Diese Abteilung soll am 31.08.2002 geschlossen werden.

Als dies im letzten Jahr den Jugendlichen und ihren Eltern bekannt gemacht wurde, löste die Nachricht eine Welle der Empörung aus.

Betroffene Eltern schlossen sich zusammen und gingen mit Hilfe von Frau Lillge vom Epilepsie Bundes Elternverband energisch dagegen vor. Es wurden Briefe an Presse, Funk und Fernsehen verschickt, es fanden Gespräche mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen statt, Anfragen im Landtag und Bundestag wurden gestellt usw....

Bisher kam es leider zu keiner befriedigenden Lösung.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Beteiligten, insbesondere bei Frau Israel, Frau Lillge und Herrn Opitz für die umfassenden Bemühungen zum Erhalt unserer Einrichtung bedanken. Sollte doch noch ein positives Ergebnis erreicht werden, ist es der regen Arbeit und unerschütterlichen Zuversicht dieser Menschen zu verdanken.

Auch die betroffenen Jugendlichen äußerten im Gespräch mit der Vertreterin des Landesarbeitsamtes, der Landesbehindertenbeauftragten und der Vertreterin des Bundesbehindertenbeauftragten ihren Protest gegen die Schließung unserer Einrichtung.

Sie fertigten eine Wandzeitung an, auf der sie deutlich zu verstehen gaben, warum ihnen der Erhalt der Abteilung für Berufliche Rehabilitation wichtig ist. Daraus möchten wir einige Beiträge veröffentlichen.

Wir wollen, dass die ABR erhalten bleibt,

  • weil ich die Anfälle von Anderen hier kennen gelernt habe und jetzt weiß, was es für Anfallsarten gibt
  •  weil man hier viel lernen kann: ich kann jetzt backen und helfe von allein im Haushalt mit
  • weil ich hier viele Freunde gefunden habe

 

 

  • weil ich glaube, dass sich die Menschen in anderen Einrichtungen nicht so gut mit Anfällen auskennen
  • weil ich hier zum ersten Mal Anfälle bei Anderen gesehen habe und jetzt beim Anfall besser helfen kann
  • weil ich hier viel gelernt habe, z.B. mit Maschinen umzugehen

 

 

  • weil viele Jugendliche die ABR als Vorstufe für eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz nutzen können
  • weil man hier selbstständiger werden kann (z.B. alleine nach Hause fahren, einkaufen, regelmäßig Medikamente nehmen...)
  • weil ich hier lernen konnte, wie ich mit der Epilepsie leben kann
  • weil man sich nicht alleine fühlt mit seiner Krankheit, man kann sich mit den Anderen austauschen und sich helfen

 

 

  • weil ich hier gelernt habe, mit meinen Anfällen und denen der Anderen besser umzugehen und zu helfen
  • weil das Epilepsiezentrum in der Nähe ist
  • weil die Mitarbeiter/Innen sich hier mit der Epilepsie auskennen (Tabletteneinnahme, Hilfe beim Anfall...)
  • weil ich hier mit Hilfe des Psychologen gelernt habe, meine Anfälle zu unterbrechen
  • weil ich hier gelernt habe ruhiger zu bleiben und nicht mehr so schnell aufzubrausen
  • weil die anderen Jugendlichen und ich mein 2.Jahr hier machen wollen

 

 

  • weil ich hier erwachsener geworden bin
  • weil sich die Ärztin hier viel besser mit den Anfällen befasst ( öfter Blutspiegel, Auswertung ...)
  • weil ich hier gelernt habe, mich gegen die Anfälle zu wehren, denn ich habe davor eine Aura
  • weil ich Freunde gefunden habe

 

 

  • weil ich gerne ein 2. Jahr hier machen würde, damit ich noch ausdauernder bei der Arbeit werde und das Zusammenleben mit anderen Menschen besser lernen kann
  • weil hier gut eingeschätzt werden kann, welche Arbeit man später mit der Epilepsie machen kann

 

 

  • weil die Jugendlichen hier die Chance haben mit ihrer Epilepsie klar zu kommen
  • weil man sich hier in kleinen Gruppen auf den Beruf vorbereiten kann
  • weil die Jugendlichen, die noch ein zweites Jahr brauchen, unterbrochen werden ("nur das halbe Haus ist fertig")
  • weil die Ausbilder, Betreuer... sonst ihre Arbeit verlieren werden
  • weil das Epilepsiezentrum so dicht bei der ABR ist und ich immer gleich rüber gehen kann, wenn ich etwas habe
  • weil die Natur vor der Haustür ist und ich mal so richtig Luft holen kann ohne Autoabgase

 

 

  • weil ich hier gelernt habe, ruhiger zu sein, zuzuhören, mit Kritik umzugehen und ausdauernd zu arbeiten
  • weil meine Medikamente hier gut eingestellt wurden, so dass ich kaum noch Anfälle habe
  • weil ich hier auch Sportunterricht machen darf
  • weil hier auch die Anderen Anfälle haben und ich gelernt habe, damit umzugehen

 

 

  • weil es die einzige Einrichtung für Epilepsiekranke in den neuen Bundesländern ist, die auf Ausbildung und Beruf vorbereitet und in der man sich mit der Krankheit auskennt (Experten)
  • weil man hier lernen kann, wie man mit der eigenen Krankheit umgehen kann ( sich nicht gehen lassen, regelmäßige Medikamenteneinahme...)
  • weil ich anderen Jugendlichen mit Epilepsie und anderen hirnorganischen Erkrankungen wünschen würde, dass sie sich auch hier auf den Beruf vorbereiten können

 

 

  • weil wir Jugendlichen in kleinen Gruppen besser zurecht kommen
  • weil wir hier professionelle ärztliche Hilfe bekommen
  • weil wir uns mit den Erziehern unterhalten können, wenn wir große oder kleine Probleme haben
  • weil die ABR meine zweite Heimat geworden ist

 


Meinungen der Psychologen, Ärzte, Sozialpädagogen

  • weil ich mir keinen anderen Ort vorstellen kann, an dem so viel Fachkompetenz, individuelle Betreuung und persönliches Engagement für "unsere" Jugendlichen gebündelt ist
  • weil die räumliche Nähe zwischen Internat und Epilepsieklinik Notfallversorgung vereinfacht und interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert
  • weil die Eigenverantwortlichkeit durch regelmäßige Konsultationen, auch außerhalb der Arbeitszeit, erhöht werden kann
  • weil ambulante Tablettenänderungen besser zu überprüfen sind und unzureichender Tablettenvorrat sofort auszugleichen ist
  • weil stationäre und ambulante Therapie in einer Hand bleibt
  • weil Lebensumstände und Verhaltensweisen direkt einsehbar sind
  • weil für die Jugendlichen das abgestimmte Teamwork von Spezialisten unabdingbar ist, da in dieser Lebensphase wichtige Weichen gestellt werden
  • weil die Arbeit mit den Jugendlichen erfrischend ist

 


Meinungen der MitarbeiterInnen ( Ausbilder, Sozialpädagogen, Stützlehrer)

  • weil junge Menschen, deren Epilepsien und Anfallssituationen schwierig sind, während der beruflichen Rehabilitation ein spezialisiertes Team brauchen, welches sich hier in den vergangenen 10 Jahren herausgebildet hat
  • weil die Jugendlichen so eine kleine Einrichtung brauchen, um die spätere Ausbildung oder Arbeit zu bewältigen, hier können sie individuell vorbereitet werden
  • weil sie in einer großen Einrichtung auf der Strecke bleiben, wie Exoten behandelt und ausgegrenzt werden
  • weil der Abnabelungsprozess vom Elternhaus in einer kleinen Einrichtung erleichtert wird
  • weil die jungen Menschen sich in der ABR mit Gleichbetroffenen auseinandersetzen können, um ihre Epilepsie akzeptieren zu lernen und ein "normales" Leben, welches nicht nur von der Epilepsie bestimmt und eingeengt ist zu führen
  • weil die Chancen der erfolgreichen beruflichen Rehabilitation größer sind, wenn sie - wie es in der ABR möglich ist
  • in Einheit mit der sozialen und medizinischen Rehabilitation erfolgt ( wie bei chronisch kranken jungen Menschen)
  • weil unsere Erfahrungen und Arbeitsplätze sonst verloren gehen
  • weil ich sehr gerne mit jungen Menschen zusammen arbeite und das in Zukunft vermissen werde


Wir alle wünschen und hoffen, dass diese Begründungen und Meinungen bei zukünftigen Entscheidungen beachtet werden und im Sinne aller Betroffenen gehandelt wird.

Die Jugendlichen und MitarbeiterInnen
der Abteilung für Berufliche Rehabilitation Lobetal