Sozialarbeitertreffen Epilepsie in Bayern

Seit Jahren treffen sich die SozialarbeiterInnen, die mit epilepsiekranken Menschen in Bayern arbeiten zum Informationsaustausch mit dem Landesverband Epilepsie Bayern e.V.. Nun, da in allen Bezirken Epilepsieberatungsstellen eingerichtet wurden, sollen diese Veranstaltungen regelmäßig stattfinden. Am 13. März 2002 fand das Treffen in der Beratungsstelle Epilepsie in Regensburg statt. Folgendes Referat hielt dort Frau Gisela Schüler, die Vorsitzende des Vereins Sozialarbeit bei Epilepsie e.V.:

Soziale Arbeit mit epilepsiekranken Menschen
- Chancen und Schwierigkeiten

Was sind Chancen ? Was könnten sie sein?
Die Chancen ergeben sich schon allein aus einer rechtzeitigen epilepsie-spezialisierten sozialen Beratung.

Eltern, Mütter nehmen schwer einschätzbare Symptome bei ihrem Kind wahr. Manchmal sind dann die Weichen zu einem epilepsieerfahrenen Kinderarzt zu stellen. Viel zu oft hören wir noch, "ach das wächst sich aus".

Die Eltern, überwiegend sind es die Mütter, die Beistand, Hilfen nach der Diagnosestellung Epilepsie durch den Arzt brauchen. Viel zu oft noch berichten Mütter, dass sie allein gelassen werden mit dem Wort -Epilepsie- und mit dem was sie über diese Krankheit wissen. Ängste und Unsicherheit sind häufig Folgen. Dann kann sich schon ein Weg durch viele Arztpraxen anbahnen. Nicht nur durch den Arzt wird eine verständnisvolle Beschreibung der speziellen Epilepsie ihres Kindes erwartet, sie wollen über die erforderliche Behandlung und mögliche Prognose aufgeklärt werden, sondern, fast gleichzeitig sollte eine epilepsieorientierte soziale Beratung erfolgen. Wie bei jeder schwerwiegenden Erkrankung eines Kindes oder bei einem Erwachsenen muss es eine anschließende Aussprachemöglichkeit geben, die dann zu einem Krankheitsverständnis, zu einer Krankheitsbewältigung führen kann. Lösungsangebote, Hilfen, Begleitung und Entlastung brauchen die Eltern, meistens die Mütter. Gleichfalls haben größere Kinder, junge Erwachsene und erwachsene Menschen mit Epilepsie, Angehörige, Partner/innen, auch wenn eine Epilepsie im höheren Lebensalter auftritt, diesen Anspruch.

In Selbsthilfegruppen können die ersten gemeinsamen Erfahrungen ausgetauscht werden. Es entsteht ein Wir-Gefühl, das erleichtert. Viele lernen erst dort Probleme erstmalig anzusprechen. Es ist auch eine Aufgabe von Beratungsstellen, derartige Gruppen anzustoßen und Gründungshilfe zu geben.

Chancen kann es geben, wenn eine rechtzeitige Beratung durch eine spezialisierte Sozialarbeit erfolgt. Z.B. bei Kostenklärung einer notwendigen Frühförderung, bei Inanspruchnahme von familienentlastenden Diensten; bei Fragen, die die Pflegeversicherung betreffen, bei Schulfragen z. B. welcher Schultyp ist für das Kind geeignet; oder es gilt den notwendigen Förderbedarf für die Teilnahme an Regelschulen durchzusetzen. Zuständigkeiten sind aufzuzeigen.

Oder Jugendliche stellen Überlegungen vor der Ausbildungssituation an. Welcher Beruf käme bei dieser und jener Epilepsieform in Frage? - oder sie gehen von einer Realisierung ihres "Traumberufes" aus, der absolut nicht mit ihrer Epilepsie in Einklang zu bringen ist. Eltern wollen manchmal Einschränkungen bei ihren Kindern nicht wahr nehmen. Welche Möglichkeiten sind vorhanden, um Erfahrungen zu sammeln, die zu anderer Berufsmotivation führen? Gemeinsame Gespräche mit Angehörigen helfen und Zuständigkeiten können besprochen werden.

Die gesamte Palette von Fragen bei auftauchenden Schwierigkeiten am Arbeitsplatz trägt zu Chancen bei, wenn rechtzeitige Beratung und Interventionen erfolgen. Ob es dabei um einen bevorstehenden Arbeitsplatzwechsel geht oder es sich um Hilfen am Arbeitsplatz, berufliche Förderungen, finanzielle Hilfen aufgrund von sozialer Gesetzgebung handelt, möchte ich nur antippen. Manche Situation braucht nicht erst zu einem Problem z.B. zum Arbeitsplatzverlust anzuwachsen. Ganz sicher trägt eine rechtzeitige Fachberatung dazu bei, dass höhere Folgekosten vermieden werden können. Leider sind diese Ergebnisse schwer nachweisbar. Beratungs- und Kontaktverläufe können sich bei Menschen mit Epilepsie über längere Zeiträume erstrecken oder werden abgebrochen. Trotzdem bleiben Frühberatungen chancenreicher.

Ich brauche nicht auf weitere Chancen von Menschen mit Epilepsie durch eine spezialisierte soziale Arbeit einzugehen. Sie werden täglich mit diesen Fragen konfrontiert und wissen was Sie tun.

Viel zu gern spreche ich jetzt die Epilepsie-Beratungsstellen in Bayern an.

Ihre Vorkämpferinnen, um hier Frau Windisch und Frau Lillge zu nennen, haben diese Notwendigkeit und Chancen der epilepsiespeziellen Beratung viel umfangreicher deutlich gemacht und damit für diese Probleme aufgeschlossene Fachleute in der Landesregierung - in den bezirklich kommunalen Instanzen, Ärzte und letztendlich unterschiedliche Träger für diese Arbeit gefunden, so dass es in Ihrem Bundesland neben den schon länger etablierten Beratungsstellen an klinischen Einrichtungen jetzt fünf (jetzt sieben - Anm. Redaktion) Epilepsie-Beratungsstellen gibt, die finanziert und erhalten werden. Diese Arbeit braucht einen Qualitätsstatus, der entsprechenden Bekanntheitsgrad erhält.

Um damit zu möglichen Schwierigkeiten über zu wechseln.

Eins ist vorweg zu nehmen: Wo es keine Epilepsie -Beratung gibt, entstehen zwangsläufig Schwierigkeiten, Probleme bei vielen Eltern, bei den Müttern mit epilepsiekranken Kindern, bei Menschen mit Epilepsie und deren Angehörigen.

Es scheint in Bayern einfacher zu sein, Kontakte zu niedergelassenen Ärzten zu bekommen, um mit ihnen dieses vorhandene Beratungsangebot einzugehen. Zu dem sicher bald allerorts die Durchführung des Patientenschulungsprogramms - MOSES - gehören wird. Nur der aufgeklärte, gut informierte Patient oder die Eltern können wie- derum den immer noch bestehenden Informationsmangel über die Krankheit Epilepsie abbauen helfen. Denn dieser bringt noch Unverständnis, manchmal Ablehnung den betroffenen Menschen gegenüber mit sich. Die Spirale öffnet sich dann zu Abneigung, möglichem Ausschluss - Erfahrungen aus Kindergärten, Schule liegen vor, bis hin zu einer Isolierung. Aber auch dabei hat sich der Landesverband Epilepsie Bayern für mehr Aufklärung in Schulen eingesetzt, so dass es zu einer gesetzlichen Regelung kam. Nicht unbekannt ist dieses Verhalten am Arbeitsplatz, wenn die Hürde Arbeitsplatzbewerbung genommen wurde. Die Gründe, die zu einer möglichen Diskriminierung von Menschen mit einer Epilepsie führen könnten, sollten von mehreren Seiten aufgebrochen werden, denn sie behindert noch an vielen Orten eine Integration von Menschen mit Epilepsie.

Wir befinden uns gerade in einem Aufbruch, in dem zu hören ist, dass <Diskriminierung> "hausgemacht" sei und eine bislang gesehene <Überbehütung> im neuen Licht erscheint.

Sie sehen, wir stehen in einem Arbeitsbereich, der neue Entwicklungen einbezieht und methodisch, systemisch offen und gestaltbar ist.

Die soziale Gesetzgebung setzt mit den neuen Aspekten von Rehabilitation und Teilhabe eine weitere Anerkennung von Menschen mit Behinderungen in Gang, die letztendlich auf-Entwicklungsschritte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurückzuführen sind.

Das SGB IX verweist erneut daraufhin: Menschen mit Behinderungen beruflich, gesellschaftlich teilhaben - partizipieren - zu lassen. Ist es nun wirklich neu oder nur ein neues Etikett? Denn Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre bescherte uns das Reha-Angleichungsgesetz ' 74 bereits diesen Eingliederungsgedanken, so dass Menschen mit Behinderungen, mit chronischen Erkrankungen und Unfallfolgen beruflich und gesellschaftlich wieder eingegliedert werden sollten. Junge Menschen, die bislang keine berufliche Ausbildung erwerben konnten, wurden berücksichtigt. Es entstanden die Berufsbildungswerke für eine angemessene Erstausbildung mit entsprechenden Förderungen und Berufsförderungswerke, wenn eine berufliche Umschulung angezeigt war. Auch das Geld stand dafür zur Verfügung.

Sicher begegnen wir jetzt Schwierigkeiten, weil allerorts die Finanzen sehr viel knapper geworden sind. Wir können vor Einsparungen kaum mehr Luft holen, so erscheint es uns in Berlin.

Eine spezialisierte Beratung, das Umsetzen der Ziele von Rehabilitation und Teilhabe kostet Geld, wenn sie für viele Menschen, die sie brauchen, realisiert werden sollen. Es verlangt Kreativität von uns allen. Vor allem Zusammenarbeit im interdisziplinären Team, Zusammenarbeit im Netzwerkprinzip mit den sich angrenzenden Beratungsstellen und Leistungsträgem. Ob die geplanten Servicestellen unsere Ansprechpartner sein werden; oder wir für sie sein können, ist noch nicht einschätzbar. Psychosoziale Beratung ist dann nicht vorgesehen. Die Antragswege sollen mit ihnen verkürzt werden. Ergeben sich damit evtl. mehr Ablehnungen und als Folge Widersprüche. Wer berät dabei?

Letztendlich sind auch Sie ein Multiplikator in Sachen Epilepsie. Es bedeutet genauso Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben wo und wie auch immer. Sicher wird diese Aufgabe überwiegend einzelfallbezogen bleiben, vielleicht sich in Informationstreffen niederschlagen durchaus in Zusammenarbeit mit der Epilepsie-Selbsthilfe. Der Selbsthilfeprozess entwickelt sich weiter und damit seine Einflussnahme in diesen Abläufen.

Um die Chancen für Menschen mit Epilepsie durch eine spezialisierte sozialarbeiterische Beratung aufzugreifen, haben sich Kolleginnen und Kollegen, die teilweise viele Jahre in Epilepsieeinrichtungen beratend tätig sind, zum Abschluss der 5. Fachtagung - Sozialarbeit bei Epilepsien - im Epilepsiezentrum Kleinwachau/Sachsen - zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen und sich entsprechende Ziele gegeben, zu denen der berufliche Erfahrungsaustausch gehört. Schon allein damit kann sich die eigene Arbeitsqualität erhöhen.

Aus dieser Gruppe entstand dann der Arbeitskreis Sozialarbeit bei Epilepsie und Anfang März 2002 - also kürzlich - wurde während des letzten Arbeitskreistreffens im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg in Lobetal die Gründung eines eingetragenen Vereins beschlossen. Aus dem bisher lockeren Verbund - Arbeitskreis - gibt es nun den Verein - Sozialarbeit bei Epilepsie - .Allerdings mit vielen formalen Voraussetzungen, zu der auch die Beantragung der Gemeinnützigkeit gehört. Und damit leite ich bereits zu einem weiteren Punkt Ihrer heutigen Tagesordnung über, um über Möglichkeiten von regionalen Arbeitsgruppen innerhalb dieses Vereins zu sprechen. Welche Aufgaben übernommen werden können?

Gisela Schüler, Berlin