EpilepScio

Foto: Herr Dr. KonnermannFreiburger Epilepsie-Preis
2. Teil


Arbeit von Dr. med. Stefan Konermann,
Universitätsklinikum Essen
    

Die Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Krankheiten und bei einem Vorkommen von 0,5-1% in der Gesamtbevölkerung eine der häufigsten chronischen Erkrankungen überhaupt.

Einen großen Teil davon machen Epilepsien des Schläfen- oder Temporallappens aus, die zu Anfällen mit Bewusstseinsverlust führen und verbunden sind mit automatischen Bewegungen, z.B. Nestelbewegungen der Hände.

Es gibt eine Reihe von Medikamenten auf dem Markt, die Epilepsien gut behandelbar machen; trotzdem spricht ein Teil der Patienten auf Medikamente nicht an und ca. ein Drittel behält weiterhin Anfälle.

Bei Schläfenlappen-Epilepsien besteht jedoch noch eine weitere Möglichkeit der Behandlung. Die Epilepsie geht hierbei nämlich von einer recht umschriebenen Struktur aus, dem Hippocampus, die zudem nicht unbedingt für die Funktion des Gehirns notwendig ist. Daher hat man die Möglichkeit, bei Patienten, bei denen man genau weiß, von wo diese Anfälle ausgehen, dieses Gewebe operativ zu entfernen. Hierzu muss man selbstverständlich wissen, welche Struktur und auf welcher Seite betroffen ist.

Diese Abklärung erfolgt mittels Messung der Hirnstromkurve (EEG) zwischen Anfällen und während mindestens eines Anfalls und Untersuchungen des Gehirns in der Kernspintomographie. In dieser kann man auffällige Strukturen in zuvor nicht da gewesener Qualität erkennen.

In den letzten Jahren hat man zudem die Möglichkeit entwickelt, bestimmte Abläufe im Gehirn direkt darzustellen, insbesondere den Blutfluss und die Verteilung von Wasser. Diese Untersuchungen können innerhalb sehr kurzer Zeit Aufschlüsse über die Funktion des Gehirns geben. Insbesondere bei Schlaganfällen wird dieses Prinzip bereits genutzt, um frühzeitig Informationen zu erhalten, ob ein Schlaganfall stattgefunden hat und wo er liegt.

Die von uns veröffentlichte Untersuchung versuchte nunmehr, diese Veränderungen auch im Gehirn von Epilepsie-Patienten nachzuweisen und zu nutzen, um weitere Informationen über die Lage des Herdes zu gewinnen.

Bei den von uns beobachteten 10 Patienten mit einer Schläfenlappenepilepsie fand sich eine deutlich erhöhte Beweglichkeit von Wassermolekülen auf der Seite der Epilepsie im Vergleich zur gesunden Gegenseite und auch im Vergleich zu einer Gruppe von gesunden Probanden. Dies kann erklärt werden, wenn man weiß, dass bei einer Epilepsie Zellen in dem Bereich, in dem die Anfälle entstehen, absterben können.

Dadurch entstehen Räume zwischen den Zellen, in denen sich die Wassermoleküle freier bewegen können als in den Zellen. Dadurch steigt in der Summe vieler beobachteter Zellen und des dazwischen liegenden Gewebes (die beobachteten Gewebsstücke waren 1/40 ml groß) die Diffusionsfähigkeit von Wasser im Gewebe.

Bei den Patienten wurde epileptische Aktivität mit einem bestimmten Medikament ausgelöst, das ein Gegenspieler zu einer Substanzklasse ist, die bei Epilepsie als Medikament eingesetzt wird und die Anfallsaktivität dämpft (Benzodiazepine, der bekannteste Vertreter dieser Medikamente ist Valium®).

Diese epileptische Aktivität der Zellen führt vermutlich über Veränderungen der Zellmembran dazu, dass Wasser in die Zellen einströmt. Hierdurch wird wiederum die Gesamtdiffusionsfähigkeit verringert, weil mehr Wasser in den Zellen, in denen es sich nicht mehr so frei bewegen kann, vorhanden ist.

Diese Verlagerung von Wasser in die Zellen als Folge von epileptischer Aktivität, die auch in Ruhe stattfindet und nicht gleichbedeutend ist mit Anfällen, wurde mit dem Kernspintomogramm gemessen und die verringerte Diffusionsfähigkeit konnte als verringerter Diffusionswert nachgewiesen werden.

Bei den untersuchten Patienten sank der Gesamtdiffusionswert in der die Anfälle auslösenden Struktur nach der Gabe des Medikaments im Vergleich zur Ruheuntersuchung.

Insgesamt konnte in der Untersuchung nachgewiesen werden, dass man mit dem Nachweis von Wasserbewegungen im Gehirn von Epilepsie-Patienten auf zweierlei Weise Informationen über den Ort der Anfallsentstehung gewinnen kann.

Zum einen über eine erhöhte Diffusionsfähigkeit in Ruhe, bedingt durch Zellverlust durch Anfälle, und zum anderen vermutlich über funktionelle Änderungen der Zellen während epileptischer Aktivität, die zu einer nachweisbaren vermehrten Wasserbewegung in die Zellen führt.

Allerdings muss hinzugefügt werden, dass es sich hierbei bislang nur um eine wissenschaftlich Anwendung handelt, die bislang in der Untersuchung von Patienten in der klinischen Arbeit noch nicht eingesetzt wird.

Dr. med. Stefan Konermann