Leserbrief

"Mit Interesse habe ich in der letzten Ausgabe (01/04) des Epikurier den Artikel "2004 - Jahr der sozialen Einschnitte" gelesen. Dieser Artikel von Günter Warncke enthält zwar wichtige Information, weist meines Erachtens aber auch einige Schwächen auf.

Es wäre wichtig gewesen, herauszustellen, dass die Agenda 2010 die tiefsten Einschnitte im sozialen Bereich bedeutet, die es seit dem 2. Weltkrieg jemals gegeben hat. Was wir derzeit erleben, ist eine Umverteilung von unten nach oben in einem bisher nicht gekannten Ausmaß - zugunsten der großen Konzerne und Unternehmen. Da erübrigen sich solche Fragen, ob zusätzliche Belastungen durch eine geringere Steuerbelastung aufgefangen werden können, Rentner von einem niedrigen Spitzensteuersatz einen Vorteil haben usw. Durch die so genannten Reformen der Bundesregierung ist jeder von uns betroffen uns niemand kann mehr behaupten, das alles berühre ihn nicht.

Der Artikel bleibt leider dabei stehen, die derzeitige Situation zu beklagen, welche Einschränkungen Rentner, Behinderte und chronisch Kranke hinnehmen müssen und das Menschen mit Epilepsie ganz besonders betroffen sind. Kein Wort davon, dass schon am 1. November in Berlin 100.000 Menschen auf die Straße gegangen sind, um gegen die Politik der Bundesregierung zu protestieren, es inzwischen zahlreiche Initiativen gibt, um einer solchen unsozialen Politik etwas entgegenzusetzen. Stattdessen suggeriert der Artikel, man könne ohnehin nichts mehr tun, außer die noch gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, die leider auch nicht für alle Betroffenen in Betracht kommen.

In dem Beitrag fehlt die Schlussfolgerung, dass die Menschen keine andere Alternative haben, als sich gegen die Politik der Schröder-Fischer-Regierung zur Wehr zu setzen. Die Agenda 2010 muss zu Fall gebracht werden. Über eine halbe Million Menschen haben bei Demonstrationen in Berlin, Stuttgart und Köln am 3. April gezeigt, dass sie mit einer solchen volksfeindlichen Politik schon lange nicht mehr einverstanden sind. Es waren die größten Protestaktionen, die es in Deutschland gegen die Bundesregierung bisher gegeben hat. Das macht Hoffnung, dass die Zahl derjenigen, die jetzt Widerstand leisten wollen, immer größer wird.

Hinweisen möchte ich schließlich noch auf den "Frankfurter Appell", der auf einer Aktionskonferenz gegen Sozialschlag im Januar verabschiedet wurde und die Initiative eines Duisburger Arztes, der mit einer Unterschriftenliste die Rücknahme der "Gesundheitsreform" fordert. Diese Beispiel zeigen, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren und aktiv zu werden, dass es Zeit wird, endlich einmal unbequem zu sein. Jeder sollte inzwischen begriffen haben, dass es längst nicht mehr ausreicht, nur bei den Wahlen sein Kreuz zu machen, sondern alle selbst für Ihre eigenen Interessen eintreten müssen."

Dirk Adamczak, Bochum



Lieber Dirk,

vielen Dank für Ihren Lesebrief und die Beschreibung der Schwächen meines Artikels. Ich kann mich Ihren Ansichten durchaus anschließen. Dass die zusätzlichen Belastung durch Steuerentlastung aufgefangen werden können ist die eine Position der Regierung, die wir nicht teilen! Es war nicht meine Absicht zu suggerieren, dass man nichts machen kann. Ich denke es ist wichtig, dass sich Menschen zur Wehr setzen. Leider waren die großen Demos im April 2004 im Winter 2003, als ich den Artikel schrieb, noch nicht absehbar, die Novemberdemo 2003 in Berlin hätte allerdings genannt werden können.

Ich sehe Ihren Brief als gute Ergänzung zum Artikel, aus diesem Grund haben wir ihn vollständig abgedruckt.

Günter Warncke, Augsburg