Soziale Hilfen für schwangere Frauen und Mütter mit einer Epilepsie

Durch die Geburt eines Kindes ändert sich das Familienleben meist schlagartig und grundlegend. Diese Situation kann durchaus zu Belastungs- bzw. Überforderungssituationen führen, besonders wenn der Elternteil, der für die Betreuung der Kinder hauptsächlich zuständige ist, an einer chronischen Erkrankung wie einer Epilepsie leidet.

Es gibt eine Vielzahl an familienunterstützenden Hilfeformen, aber auch verschiedene Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Leistungsträger. Dieser "Dschungel" an Ansprechpartnern und Hilfeformen erschwert für viele Betroffene den Zugang zu den entsprechenden Informationen und schließlich zu den Hilfsmöglichkeiten.

In der folgenden Beschreibung beschränke ich mich auf Unterstützungsmöglichkeiten, die während der Schwangerschaft, nach der Geburt des Kindes und im Kleinkinderalter eingesetzt werden können.





Nahe liegend beim Thema "Schwangerschaft" ist zunächst einmal die Hebammenhilfe. Grundsätzlich besteht ein genereller Anspruch auf Hebammenhilfe und zwar unmittelbar nach der Feststellung Schwangerschaft bis mindestens 8 Wochen nach der Geburt des Kindes.

Die Hebammenhilfe erfolgt entweder als laufende Beratung und Unterstützung oder in Form von gesonderten Terminen zu konkreten Fragestellungen, als Hausbesuch oder auch per Telefon. Die Kosten rechnet die Hebamme direkt mit der Krankenkasse ab.

Zu den üblichen Leistungen der Hebammen während der Schwangerschaft zählen insbesondere:

  • Beratung zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
  • Hilfen bei Schwangerschaftsbeschwerden
  • Geburtsvorbereitung

Unabhängig wo und wie die Geburt erfolgt ist, kann bis zu 8 Wochen nach der Geburt Hebammenhilfe in Anspruch genommen werden. Wenn diese über diesen Zeitraum hinaus weiter notwendig ist, muss eine ärztliche Verordnung ausgestellt werden.

Typische Hilfestellungen der Hebammen im Wochenbett sind z.B.:

  • Emotionale und praktische Hilfestellung
  • Erste Rückbildungsgymnastik
  • Stillberatung (bis zum Ende der Stillzeit, unabhängig von der 8-Wochen-Frist)
  • Beobachtung der mütterlichen Rückbildung
  • Beobachtung der Entwicklung des Säuglings
  • Gewichtskontrolle beim Säugling
  • Beobachtung des Trinkverhaltens
  • Hilfe bei Problemstellungen



In akuten Krisen- und Überforderungssituationen ist die Hebammenhilfe natürlich nicht ausreichend, dann kann eine "ambulante Familienpflege" - manchmal auch "Haushaltshilfe" genannt - angebracht sein.

Aufgabe der Familienpflege ist die Überbrückung von Krisensituationen, d.h. die Unterstützung von Familien, wenn in besonderen Belastungssituationen die Weiterführung des Haushaltes, die Betreuung, Pflege und Erziehung der Kinder nicht mehr von der Familie selbst geleistet werden kann.

Dies kann der Fall sein bei:

  • akuter Erkrankung des betreuenden Elternteils
  • Krankenhausaufenthaltes des Elternteils
  • Krankenhausaufenthalt der Mutter mit einem Geschwisterkind
  • Risikoschwangerschaft, Risikoentbindung oder Mehrlingsgeburten
  • besonderen Belastungen durch eine chronische Erkrankungen
  • Überforderungssituationen

Das Familienleben soll durch den Einsatz einer Familienpflegerin stabilisiert werden, diese übernimmt eine Reihe von täglich anfallenden Arbeiten. Dazu gehören z.B.:

  • Haushaltsführung
  • Säuglinge und Kleinkinder zu versorgen
  • Kinder zu betreuen und zu beschäftigen
  • Wöchnerinnenpflege etc.

Die Kosten werden in der Regel bis zu 6 Wochen von den Krankenkassen übernommen, nachrangige Ansprechpartner sind das Jugendamt, das Sozialamt oder der Rentenversicherungsträger (nur in Verbindung mit Reha-Maßnahmen) und natürlich kann man eine Familienpflege auch als Selbstzahler nutzen.

Voraussetzung für die Übernahme der Kosten ist neben den oben genannten Kriterien, dass im Haushalt mindestens ein Kind unter 12 Jahren lebt (bei Finanzierung über das Jugendamt liegt die Altersgrenze bei 14 Jahren) oder ein Mensch mit einer Behinderung, der pflegebedürftig ist.

Dauert die Krisen- und Überforderungssituation länger an, kann eine Tagespflege in Betracht kommen, d.h. die Betreuung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch eine "Tagespflegeperson" (z.B. eine Tagesmutter), meist bis zur Aufnahme in eine Kindertagestätte bzw. Kindergarten.

Bei befristetem "Ausfall" der sonst tagsüber zur Verfügung stehenden Erziehungsperson kann auch eine Tageskurzpflege möglich sein, also eine zeitlich befristete Tagespflege. Voraussetzung ist, dass das Kind nicht durch ein Elternteil betreut werden kann - z.B. durch eine chronische Erkrankung - und die ambulante Familienpflege nicht ausreichend ist. Der Umfang der täglichen Betreuung hängt vom Bedarf ab, es kann stundenweise bis ganztags sein.

Ansprechpartner und Vermittlungsstelle ist hier das zuständige Jugendamt. Die elterliche Kostenbeteiligung bei Tagespflege entspricht der Kostenbeteiligung in Kindertagesstätten.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen die Betreuung der Kinder rund um die Uhr sichergestellt werden muss, also weder eine ambulante Familienpflege noch eine Tagespflege genügt und keine weiteren Angehörigen im erforderlichen Umfang unterstützend wirken können. Dann kann das Kind im Rahmen einer "Kurzzeitpflege" in eine Pflegefamilie vermittelt werden. Das Kind lebt im Haushalt der Pflegeperson - Kontakte zum familiären Umfeld werden natürlich aufrechterhalten - bis die Eltern oder das Elternteil wieder die Betreuung gewährleisten können.

Eine Kurzzeitpflege kann mehrere Wochen bis Monate dauern, je nach Bedarf und wird vom Jugendamt oder, wenn der Bedarf im Zusammenhang mit einer Rehabilitationsmaßnahme entsteht, vom entsprechenden Leistungsträger (meist Rentenversicherung, Arbeitsamt) finanziert.

Der Vollständigkeit halber soll noch auf die Kuren des Müttergenesungswerkes hingewiesen werden, für Mütter (oder Väter), die sich von Krankheit, Erschöpfungszuständen und Überforderung erholen müssen. Mütterkuren werden grundsätzlich ohne Kinder durchgeführt, daneben gibt es jedoch noch die "Mutter-Kind-Kur" und die "Eltern-Kind-Kur". Dies ist aber keine unterstützende Möglichkeit für akute Krisensituationen, da für Beantragung, Bearbeitung des Antrags und Wartezeit durchaus ein Jahr vergehen kann. Kostenträger sind die Krankenkasse, für den Antrag ist ein ärztliches Attest vom behandelnden Arzt notwendig.

Das Müttergenesungswerk-Netzwerk bietet im gesamten Bundesgebiet Beratungs- und Vermittlungsstellen an, Träger sind in der Regel die Wohlfahrtsverbände.

Die nächste Beratungsstelle erfährt man direkt vom Müttergenesungswerk:
Deutsches Müttergenesungswerk
Postfach 1260,
90544 Stein
Telefon: (0911) 96 71 10,
Fax: (0911) 67 66 85
Mail: info(at)muettergenesungswerk.de
Webseite: http://www.muettergenesungswerk.de/

Dieser kurze Überblick zeigt, dass Hilfemöglichkeiten in unterschiedlicher Form und bei unterschiedlichem Bedarf vorhanden sind. Sind damit aber auch alle individuelle Erfordernissen insbesondere von Eltern/Elternteilen mit einer Epilepsie berücksichtigt?

Gerade die Zeit nach der Geburt kann besondere Belastungen mit sich bringen, allein durch den veränderten Tagesrhythmus und durch den unterbrochenen Nachtschlaf. Dies beinhaltet die Gefahr von Anfallsrezidiven bzw. einer Zunahme der Anfallsfrequenz.

Eine präventive, d.h. vorbeugende Unterstützung gibt es nicht, eine Krisensituation, der "Bedarf" muss erst eingetreten sein. Auch für nächtliche Einsätze oder die durchgehende Anwesenheit einer Betreuungsperson während der Nacht, um den Nachtschlaf und damit des Schlaf- Wachrhythmus der Mutter zu gewährleisten, gibt es keine Finanzierung innerhalb des Sozialversicherungssystems - weder präventiv, noch bei einer Erhöhung der Anfallsfrequenz.

Es ist deshalb gerade für epilepsiekranke Mütter wichtig, bereits während der Schwangerschaft die Betreuungssituation des Säuglings im familiären Umfeld, Freundeskreis zu thematisieren und sich ein "privates Unterstützerfeld" aufzubauen.

Informationsmaterial / Kontaktadressen

Jedes Bundesland publiziert unterschiedliche Broschüren zu familienunterstützende Hilfen, die man bestellen oder in den Bürgerbüros, Bürgerämtern abholen kann. Diese enthalten meist auch ein umfangreiches Adressenverzeichnis mit Beratungsstellen, Ansprechpartnern. Darüber hinaus werden auch vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ganz unterschiedliche Publikationen kostenlos angeboten, die auch online bestellt werden können.

Postadresse: 11018 Berlin
Webseite: www.bmfsfj.de

Besonders ausführlich und empfehlenswert ist die folgende Broschüre "Assistenz bei der Familienarbeit für behinderte und chronisch kranke Eltern" (Ratgeberreihe Band 1)", herausgegeben vom Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern. Diese Broschüre kann über das o.g. Bundesministerium bestellt werden:

(http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=4816.html)

oder direkt beim

Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V. BbE e.V.:
Lerchenweg 16, 32584 Löhne
Tel.: 05732 / 6307
Fax: 05732 / 689572
Mail: Behinderte.eltern(at)gmx.de
http://home.t-online.de/home/0228181-0167/index.htm

Ingrid Coban (Dipl. Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin)
(Vortrag auf der 44. Jahrestagung der Deutschen Sektion
der Internationalen Liga gegen Epilepsie,
Freiburg - Mai 2004)