"Von der Forschung bis zur Marktreife - die Geschichte eines Antikonvulsivums"

(Themenfolge - Teil 1)

Mit dieser vierteiligen Artikelserie möchte ich dem interessierten Leser einen Einblick in die Vielfalt der Forschungstätigkeit geben, die nötig ist, um Arzneimittel zu entwickeln, die einerseits hochwirksam sind, andererseits aber ein gut steuerbares Nebenwirkungspotenzial besitzen.

"Klinische Forschung"

Die "Klinische Forschung" umfasst alle Schritte, die zur Erprobung neuer Operationstechniken, der Verbesserung technikgestützter Untersuchungsmethoden, sowie die Prüfung von Wirkstoffen, die zur Entwicklung neuer Arzneimittel führen.

In der vorliegenden Artikelserie möchte ich mich ausschließlich auf arzneimittelrelevante Forschungsschritte beschränken, an deren Ende ein marktreifes, innovatives Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsien steht.

1. "Klinische Prüfung" (0 - 4 Jahre)
Die "klinische Prüfung" ist Bestandteil der "Klinischen Forschung" und dient der Entwicklung eines neuen Medikamentes. Diese beginnt lange vor der eigentlichen Erprobung am Menschen. Am Anfang stehen Fragen, wie beispielsweise "Welche Störungen im Körper sind für bestimmte Epilepsieformen verantwortlich?" "Wie muss eine Substanz beschaffen sein, um an den Ort der Störung zu gelangen?" "Wodurch kann das Störsignal unterdrückt oder aufgehoben werden?"

In aufwendiger Laborarbeit wird ermittelt, wodurch sich körpereigene Vorgänge von Gesunden und Patienten unterscheiden. Durch die dadurch gewonnenen Erkenntnisse, ermitteln die Forscher Strukturen im Körper, in der Fachsprache "Targets" genannt, wie z. B. - Zellstrukturen, Stoffwechselvorgänge usw. - welche durch Arzneimittel-Wirkstoffe beeinflussbar sind. Wurde ein erfolgreiches Ergebnis erzielt, versuchen Spezialisten am Computer, die Grundstrukturen von Wirkstoffen zu ermitteln. Um Ressourcen durch Parallelforschung in zeitraubender Laborarbeit und Tierversuchen einzusparen, durchforsten jetzt die am Projekt beteiligten Experten eigene und internationale Substanzbibliotheken daraufhin, ob bereits Substanzen mit der spezifischen Grundstruktur beschrieben wurden. Ist man fündig, werden im Labor entsprechenden Substanzen mittels "Laborroboter" daraufhin geprüft, ob sie an dem "Target" "andocken", das heißt, am Zielorgan eine Reaktion bewirken. Erfolgversprechende Substanzen werden anschließend von den Spezialisten am Computer weiter optimiert.

In der Zeitachse dieser Forschungsinitiative sind inzwischen 2 - 4 Jahre verstrichen.

2. "Präklinische Phase" (0 - 6 Jahre)
Danach ist die Zeit gekommen, dass die meistversprechenden Wirkstoffe an Tieren getestet werden. Ziel dieser Forschungssequenz ist, festzustellen, ob die ausgewählten Substanzen an lebenden Organismen wirklich eine Wirkung zeigen und welche Dosierung dafür nötig ist. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse nennen die Forscher "pharmakologische Daten". Gleichzeitig wird geprüft, ab welcher Dosierung ein Wirkstoff im Körper eine giftige Wirkung zeigt. Die Forscher nennen diese "toxikologische Daten". Für die Ermittlung dieser Forschungsdaten gibt es international gültige Richtlinien. Damit werden einheitliche Qualitätsstandards gewährleistet, die international anerkannt sind. Vorteil dieser Richtlinien: Es wird - ganz im Sinne des Tierschutzes - verhindert, dass Tierversuche unnötig wiederholt werden müssen. Die Richtlinien für die toxikologischen Untersuchungen sind international bekannt als GLP (Good Laboratory Practice). In Deutschland gelten die GLP-Richtlinien bereits seit 1983. Sie wurden seither mehrfach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik angepasst.

Etwa 4 - 6 Jahre nach den ersten Laborversuchen sind die "präklinischen Arbeiten" in der Regel so weit angeschlossen, dass die jetzt übrig gebliebenen Substanzen am Menschen untersucht werden können.

Für die nun folgende Forschungsphase gelten komplexe Vorschriften, die in den "Leitlinien zur guten Klinischen Praxis" zusammengefasst sind.

Fortsetzung folgt
Siegfried Koch
GPA - Gesundheitspolitische Abteilung UCB Pharma