Die Station für Epilepsie und Mehrfacherkrankungen des Epilepsiezentrums Bethel

LuftbildEinführung
Auch wenn die überwiegende Zahl der Menschen mit Epilepsie „ansonsten kerngesund“ ist, leidet doch eine relevante Zahl der Patienten gleichzeitig an einer hinzukommenden geistigen oder körperlichen Behinderung. Umgekehrt ist das Risiko, an einer Epilepsie zu erkranken, bei Menschen mit einer geistigen Behinderung deutlich erhöht. Prinzipiell richtet sich die Behandlung nach den gleichen Prinzipien wie bei Menschen ohne Behinderung, aber es sind einige Besonderheiten zu beachten, von denen hier nur einige kurz erwähnt werden sollen:

Aufgrund der eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten der Betroffenen ist bei Patienten mit einer geistigen Behinderung die besondere Aufmerksamkeit von Angehörigen und Betreuern notwendig, sei es bei der Beobachtung und Beschreibung epileptischer Anfälle oder auch bei der Beobachtung und Angabe von Nebenwirkungen. Behandler und Betreuer müssen besonders dann für das Auftreten von Nebenwirkungen sensibilisiert sein, wenn Medikamente negative Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit, die Stimmung oder das Verhalten haben, wie es bei einigen Antiepileptika der Fall sein kann. Körperliche Beeinträchtigungen (Lähmungen, Schluckstörungen, Bewegungsstörungen u.ä.) erfordern eine besondere Pflege.


Foto: Dr. Christian BrandtDas Behandlungsangebot des Epilepsiezentrums Bethel
Die Kliniken des Epilepsiezentrums Bethel sind die größte Einrichtung im deutschsprachigen Raum, die sich der Behandlung von Menschen mit Epilepsie widmet. Für Menschen mit Epilepsie und einer (körperlichen und/ oder geistigen) Behinderung unterschiedlichen Ausmaßes steht eine Station mit insgesamt 24 Betten zur Verfügung (Station für Epilepsie und Mehrfacherkrankungen), die ein spezielles, auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe zugeschnittenes Behandlungsprogramm anbietet. Ein solches Programm kann nur Erfolg haben, wenn es von einem eingespielten Team aus verschiedenen Berufsgruppen durchgeführt wird.

Die Ärzte der Klinik verfügen über umfangreiche Erfahrungen in der Behandlung von Menschen mit Epilepsie und Behinderungen. Gemeinsam mit Patienten und Angehörigen bzw. gesetzlichen Betreuern werden Therapieziele festgelegt. Solche Ziele können beispielsweise eine Verbesserung der Anfallssituation oder die Verringerung von Nebenwirkungen sein. Die Krankenschwestern und –pfleger der Abteilung  arbeiten ebenfalls überwiegend seit vielen Jahren mit Menschen mit Epilepsie und Behinderung. Neben der körperlichen Pflege spielen die Anfallsbeobachtung und –dokumentation sowie je nach den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten eines Patienten z.B. lebenspraktische Anleitung, psychosoziale Unterstützung oder auch Anleitung zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme (Dosettentraining) eine wichtige Rolle. Ergotherapie ist ein fester Bestandteil der Behandlung. Bild: MedikamentenbehälterSie dient insbesondere der Erfassung der Fähigkeiten der Patienten und einer möglichen Änderung im Rahmen einer medikamentösen Umstellung sowie der Entdeckung von Nebenwirkungen, die der Betroffene selbst aufgrund seiner Behinderung nicht angeben kann. Nicht zuletzt ist eine Strukturierung des Tagesablaufs bei einem unter Umständen längeren Krankenhausaufenthalt wichtig. Bei körperlichen Behinderungen und Einschränkungen wie Lähmungen, Gangstörungen u.ä. wird Krankengymnastik eingesetzt. In den letzten Jahren haben so genannte psychoedukative Programme zunehmende Aufmerksamkeit gefunden. Sie sollen Betroffene über ihre Krankheit informieren und zur Auseinandersetzung mit der Krankheit und ihren Erfordernissen motivieren. Das im Betheler Stiftungsbereich Behindertenhilfe entwickelte Programm PEPE wird zu diesem Zweck durch Pflegemitarbeiter und Ergotherapie eingesetzt.

Sehr innovativ ist das Tätigkeitsfeld der Epilepsy Nurse oder Epilepsiekoordinatorin. Es handelt sich dabei um eine sehr erfahrene Krankenschwester, die neben anderen Aufgaben eine Schnittstellenfunktion zwischen Patienten, Angehörigen, Ärzten, Pflegekräften und weiteren Berufsgruppen einnimmt und damit eine zentrale Ansprechpartnerin darstellt.

Der häufigste Aufnahmegrund ist die Umstellung der Anfallsmedikation mit dem Ziel, die Anfallssituation zu verbessern oder Nebenwirkungen zu verringern. Dies kann – je nach Ausgangssituation – einige Wochen benötigen. Zwischenentlassungen mit einer ambulanten Fortsetzung der Behandlung und anschließender Wiederaufnahme können ggf. eingeplant werden. Ein anderer Aufnahmegrund kann eine stationäre Diagnostik sein, z.B. mit der Frage, ob überhaupt eine Epilepsie vorliegt und – wenn ja – welche Form. Selbstverständlich steht das ganze Spektrum moderner Untersuchungsverfahren incl. spezieller EEG-Untersuchungen und Kernspintomographie zur Verfügung. Bei Versagen der medikamentösen Therapieoptionen wird in Zusammenarbeit mit der Abteilung für präoperative Diagnostik die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs oder der Vagusnervstimulation ausgelotet.

Foto: Korbflechten

Oftmals ist der Krankenhausaufenthalt Anlass, nicht nur die eigentliche Anfallsbehandlung, sondern auch die sozialen Umstände (Wohnform, Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen, ambulante Pflege und vieles mehr) zu überdenken. Deshalb sind auch Sozialarbeiter ins Team eingebunden. Psychologinnen und Psychologen stehen für Leistungsdiagnostik – gerade auch vor und nach einer Umstellung der Medikation – und psychotherapeutische Begleitung und Beratung zur Verfügung. Auch begleitende Erkrankungen (Osteoporose, gynäkologische Probleme und vieles mehr) müssen oft im Kontext der Epilepsie oder der Behinderung gesehen werden. In diesen Fällen werden Ärzte anderer Fachrichtungen wie Gynäkologen, Orthopäden usw. beratend hinzugezogen. Auch diese verfügen in der Regel über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit Epilepsie und Behinderung.


Die Rahmenbedingungen
Die freundlich gestaltete, offene Station teilt sich in zwei Gruppen mit je 5 Doppel- und 2 Einzelzimmern. Es gibt Aufenthaltsräume mit der Möglichkeit zur Beschäftigung oder Entspannung sowie zwei Speiseräume. Wir haben nur selten die Möglichkeit, Eltern/ Betreuer mit auf der Station aufzunehmen. Angehörige oder Besucher können jedoch in Bethel in Privatunterkünften oder im Hotel wohnen. Die Besuchszeiten können nach Absprache individuell gestaltetet werden.

Die Station für Epilepsie und Mehrfacherkrankungen des Epilepsiezentrums Bethel wendet sich an Menschen mit Behinderungen aller Schweregrade. Da der Einzugsbereich das gesamte Bundesgebiet umfasst (im Einzelfall auch darüber hinaus), ist die Aufnahme meist erst nach einer Wartezeit möglich, die bei hohem Pflegeaufwand leider einige Monate betragen kann. Eine Grenze ist dann gesetzt, wenn eine Verhaltensstörung mit erheblicher Weglaufgefahr oder Selbst- bzw. Fremdgefährdung besteht. Gelegentlich kann ein vorheriger ambulanter Termin hilfreich sein, bei dem die Möglichkeit der stationären Behandlung abgeklärt und ggf. spezielle Bedürfnisse besprochen werden können.

Mit einer adäquaten medikamentösen Therapie können viele behinderte Menschen mit Epilepsie anfallsfrei werden. Auch Patienten mit einer lange bestehenden Epilepsie können eine deutliche Besserung erfahren. Selbst wenn die Anfälle weiter auftreten, kann durch medikamentöse Umstellung im Rahmen einer ganzheitlich orientierten Behandlung oft eine bessere Lebensqualität erreicht werden.

Kontakt
Ev. Krankenhaus Bielefeld gGmbH
Epilepsiezentrum Bethel (Kliniken)
Aufnahme- und Beratungsabteilung
Maraweg 21
D-33617 Bielefeld
Tel.: 0521 | 772 - 78813
Fax: 0521 | 772 - 78933
e-mail: Öffnet ein Fenster zum Versenden einer E-Mailepilepsie(at)evkb.de


Textkasten: Das Behandlungsteam
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