„Von der Forschung bis zur Marktreife – die Geschichte eines Antikonvulsivums“

(Themenfolge – Teil 4)

Die Inhalte der letzten drei Folgen ließen den aufmerksamen Leser bereits erahnen, dass die  Entwicklung neuer Arzneimittels zur Behandlung von Epilepsien oder anderer Erkrankungen zeitaufwendig und kostenintensiv sind und vom Forscherteam  höchste Professionalität einfordert.
Vom Beginn der ersten präklinischen Versuche, bis zum Antrag auf Zulassung eines neuen Arzneimittels vergehen gegenwärtig im Durchschnitt 10 – 12 Jahre und verschlingen rund 800 Millionen US-$.

Entsprechen die gewonnenen Daten aus den vorangegangenen klinischen Prüfungen der Phase I – III den gesetzlichen Anforderungen und verspricht das Wirkprofil des entwickelten Präparates eine Verbesserung in der Behandlung der Patienten, stellt der Hersteller einen Antrag auf Zulassung des Arzneimittels. Dies kann vor der nationalen Zulassungsbehörde dem „Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) für Deutschland geschehen, vor der europäischen Behörde „European Medizines Evaluation Agency“ (EMEA), oder bei der amerikanischen „Food and Drug Administration“ (FDA), um nur die wichtigsten zu nennen.
Die Behörde prüft nun sorgfältig alle eingereichten Unterlagen zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Für diese Prüfung vergehen in der Regel 1 – 1 ½ Jahre. Erst nach Erteilung der behördlichen Zulassung darf das neue Medikament in den Handel gelangen.

Allerdings kann die Zulassung eines neuen Arzneimittels mit bestimmten Auflagen versehen werden. Dies ist meist dann der Fall, wenn ein völlig neuen Wirkstoff oder ein bislang unbekanntes Behandlungsregime zum Einsatz kommen soll. Diese Auflagen könnten darin bestehen, dass

  • der Einsatz der Innovation zunächst nur erfahrenen Spezialisten vorbehalten ist,
  • die Datenbasis noch zu verbreitern ist, was bedeutet, dass jede Anwendung genau  dokumentiert werden muss,
  • weitere Studien angefordert werden, was weitergehende Forschung im Rahmen der klinischen Prüfung der Phase IV bedeutet,
  • das Präparat zunächst nur als „add-on“ zur Anwendung kommen darf, was bedeutet, dass es nur in Kombination eines etablierten Arzneimittels eingesetzt werden darf. Diese Einschränkung erfolgt z.B. generell bei der Zulassung von Antiepileptika, bis die Datenlage zweifelsfrei beweist, dass das neue Medikament auch in der Monotherapie eine erfolgreiche Behandlung verspricht.


Phase IV der klinischen Forschung
Wie erwähnt, können die Zulassungsbehörden Studienergebnisse der klinischen Forschungsphase IV anfordern.
Es ist jedoch gängige Praxis geworden, dass die Arzneimittelhersteller ohne spezielle Aufforderung durch die Zulassungsbehörde, die Forschungsarbeit nach der Zulassung ihres Präparates fortsetzen und Phase IV-Studien initiieren. Auch diese Studien werden nach einem detaillierten Prüfplan durchgeführt, der den Leitlinien der „Guten klinischen Praxis“ (GCP – siehe Folge 2) entsprechen muss.
Unter alltagsrelevanten Bedingungen, sind in Phase IV-Studien oft mehrere tausend Patienten aus verschiedenen Gegenden/Länder – also multizentrisch - eingeschlossen. Die Studienergebnisse führen zu wichtigen Erkenntnissen, was die Sicherheit des Medikaments betrifft. Typisch für eine Phase IV-Prüfung ist z.B. die Frage „Welche Auswirkungen ergeben sich, wenn der Patient noch andere Arzneimittel nehmen muss?“ „Entstehen bei bestimmten, vielleicht seltenen Arzneimittel-Kombinationen, Wechselwirkungen?“ „Wie reagieren bestimmte Patientengruppen (z.B. ältere Patienten) auf das Medikament?“  
Dieser Erkenntnisgewinn ist sehr wertvoll und wichtig für das forschende Unternehmen.

Nachdem ein neuer Wirkstoff  in die allgemeine Verordnungspraxis der Ärzte Zugang gefunden hat, steigt die Zahl der Anwendungen sprunghaft an. Der Hersteller trägt weiterhin die Verantwortung für die Sicherheit seines Produktes. Er muss jetzt regelmäßig die Erfahrungen dokumentieren, die die Ärzte mit dem Präparat sammeln und an den Arzneimittelhersteller berichten, wozu vor allem auch die Erfassung bislang unbekannter unerwünschter Wirkungen zählen, die vom Patienten  oder vom Arzt beobachtet werden.    

Was passiert mit den Daten, die nach einer Zulassung durch Studien gewonnen werden? In den Medien wird manchmal behauptet, die Arzneimittelhersteller würden negative Studienergebnisse nicht veröffentlichen? Ist dem so?
Wie der Leser aus den Ausführungen zu den gesetzlichen Forderungen, die zu einer Arzneimittelzulassung führen, erkennen konnte, hat eine lückenlose Datensammlung oberste Priorität, da diese den Zulassungsbehörden übermittelt werden muss – auch wenn die Resultate dem forschenden Unternehmen nicht so gut gefallen.

Offenheit schafft Vertrauen! Deshalb begrüßte der „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA) eine internationale Initiative zu mehr Transparenz bei klinischen Studien. Die Pharmaverbände der EU, Japans und der USA haben sich mit dem „Internationalen Pharmaverband“ (IFPMA) auf eine gemeinsame Position zur öffentlichen Registrierung klinischer Studien und zur Veröffentlichung von Studienergebnissen geeinigt. Diese Initiative führte dazu, dass Ärzten, Apothekern, Behörden und Patienten bei ihrer Suche nach Informationen über laufende Studien und Ergebnisse von abgeschlossenen klinischen Prüfungen ein anwenderfreundliches Internetportal zur Verfügung steht. Das Internetsuchportal ist im Internet der Öffentlichkeit zugänglich unter


Auf diese Datenbank können sich Interessierte bei Ihrer Entscheidungsfindung auf den gesamten, gegenwärtigen Wissensstand zu einem Medikament stützen. Das Portal durchsucht Register wie
     


bzw. für die Publikation von Studienergebnissen


Ende der Artikelfolge – Siegfried Koch,
GPA – Gesundheitspolitische Abteilung, UCB GmbH


Lieber Leser,
wir hoffen sehr, dass mit dieser Themenfolge aufgezeigt werden konnte, wie komplex die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist. Auch wenn es sich dabei um die kostenintensivste Abteilung eines Pharmaunternehmens handelt, ist diese doch nötig, um Sie – den Patienten – mit Medikamenten zu versorgen, die noch spezifischer auf die Erkrankung wirken, Beschwerden lindern und Krankheiten heilen, sowie Neben- und Wechselwirkungen minimieren.
Wir würden uns freuen, Ihre Meinung zu dieser Artikelserie zu erfahren - bitte wenden Sie sich an die Redaktion des „Epikuriers“.